„Zwischen Gülle und Idylle“

Der Titel einer Tagung in Münster war provokant gewählt. Architekten diskutierten, wie sie sich das Bauen auf dem Land vorstellen. Pragmatische Ansätze kommen aus den Niederlanden.

Denken Bauern ans Land, dann sehen sie Felder, Wiesen und Wälder, die sie bewirtschaften. Sie sehen Höfe, die oft seit Generationen Lebensgrundlage für ihre Familie sind.

Welche Bilder viele Architekten im Kopf haben, wenn sie ans Land denken, das wurde vergangene Woche auf einer Tagung in Münster deutlich. Eingeladen hatte die Abteilung Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe.

Die Architekten sprachen von kunterbunten Neubaugebieten, die den Stadtrand ausfransen, und von Höfen, die an Industrieanlagen erinnern. Ihre Idealvorstellung ist eine andere. Redner schwärmten von Bruchsteinhäusern, die sich organisch in Bergdörfer in der Schweiz einfügen. Sie stellten modern überformte Resthöfe in der Uckermark vor, die junge Familien aus Berlin als Wochenend-Domizil nutzen.

Dialog fördern

Dass es an Austausch zwischen Landwirten und Architekten fehlt, wurde spätestens bei der Podiumsdiskussion deutlich. Beratungsangebote für bauwillige Bauern seien in den vergangenen Jahrzehnten nach und nach eingestellt worden. Gleichzeitig brauche es Konzepte für moderne landwirtschaftliche Gebäude. Große Kornböden unter rot gedecktem Satteldach werden heute nicht mehr gebraucht. „Haben wir das Thema den Hallenbauern überlassen?“, fragte der Architekt und Stadtplaner Klaus Beck provokant. Einig waren sich die Diskutanten, dass der Dialog wieder in Gang kommen muss. Und dass sich Behörden und Fachplaner davor hüten sollten, rückwärtsgewandte Schönheitsideale als Maßstab anzulegen.

Beispiel Gelderland

Wie das gehen kann, ist in der niederländischen Provinz Gelderland zu besichtigen. Seit 2008 hat dort ein Zusammenschluss von knapp 60 Gemeinden eine Beratung von Landwirten etabliert. Eine der Beraterinnen ist die Ingenieurin Christel Steentjes. Ihre Überzeugung: „Jede Veränderung ist eine Gelegenheit für mehr Qualität.“

Auch in den Niederlanden würden neue „Megaställe“ geplant. Und oft stelle sich die Frage: Passt das noch in die Kulturlandschaft? Um die neuen Bauten möglichst gut einzubetten, finden so früh wie möglich „Küchentischgespräche“ statt. Die Landwirte erzählen, was sie vorhaben und überlegen gemeinsam mit den Beratern, wie sich das Projekt in die Landschaft einfügen könnte. Die Ergebnisse sind ganz praktisch: Steentjes zeigte Bilder von Ställen, die mit drei kleinen statt einem Riesengiebel deutlich zurückhaltender auftreten, und Vorschläge für Photovoltaik-Dachflächen.

Altbauten umnutzen

Eine andere Baustelle sind ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäude, für die neue Nutzungen gesucht werden. Dreh- und Angelpunkt ist dabei der § 35 des Bau­gesetzbuchs, der das Bauen im Außenbereich regelt. „Es geht bei jeder Bauaufsicht anders zu“, betonte Bernhard Bußwinkel, Leiter der Abteilung Bauen, Wohnen, Immissionen beim Kreis Gütersloh. Das gilt besonders für die Frage, ob ein Gebäude Kulturlandschaft prägend ist. Sein Ratschlag: Bilder machen und dann mit der Baubehörde sprechen, was für eine Beurteilung zu tun ist. Er ist überzeugt: „Man sollte kreativ sein, um unsere Kulturschätze zu erhalten.“ ahe