Durch die Welt der Märchen und Wörter

Das neue Museum „Grimmwelt“ in Kassel widmet sich dem Leben und Werk der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm und zeigt: Die beiden waren weit mehr als die Märchenonkel der Nation.

Das nagelneue Museum „Grimmwelt“ in Kassel wurde im September dieses Jahres eröffnet und widmet sich auf rund 1600 m2 Ausstellungsfläche dem Leben und Werk der beiden wohl berühmtesten Bürgern der Stadt: Jacob und Wilhelm Grimm. Die beiden sind wegen ihrer Märchensammlung, der 1812 erstmals erschienenen „Kinder- und Hausmärchen“, allseits bekannt. Dieses Werk ist das meistgedruckte und am häufigsten übersetzte deutschsprachige Buch aller Zeiten.

Raffinierte Film-Computer-Montage

Die Welt der Zwerge und Hexen, der Feen und Zauberwesen ist im Untergeschoss der „Grimmwelt“ zu entdecken. In begehbaren Märchenlandschaften können kleine wie große Museumsbesucher die Hexe im Lebkuchenhaus besiegen, dem als Großmutter verkleideten Wolf beim Lügen zuhören oder vor einem Spiegel „die Schönste im Land“ suchen lassen. Wer mag, kann sich mithilfe einer raffinierten Film-Computer-Montage als Schneewittchen in eine Filmszene mit den sieben Zwergen versetzen lassen.

Das alles mag für manchen Leser ein wenig nach Disneyworld oder nach den Plastik-Märchenwäldern der 1950er- Jahre klingen, ist aber erfrischend anders in Szene gesetzt: mit den neuesten Möglichkeiten digitaler Technik – und auf eine Weise, die Jung und Alt gleichermaßen anspricht.

Die weniger bekannte Seite der Grimms

Die Märchen, so erfährt der Besucher in der „Grimmwelt“, waren nur ein Teil des brüderlichen Lebenswerks – und nicht einmal der größte. So waren die beiden politisch aktiv und setzten sich früh für Freiheit, Recht und Demokratie ein. Jacob Grimm saß nach der Revolution 1848/49 als Abgeordneter im Frankfurter Paulskirchen-Parlament. Ein dutzend Jahre zuvor hatten sich die beiden Brüder mit dem König von Hannover angelegt, der sie aus dem Staatsdienst entließ.

Nach diesem Rauswurf gingen die beiden, im Auftrag eines Leipziger Verlegers, ihr „Deutsches Wörterbuch“ an. Darin wollten sie jedem Wort deutscher Sprache auf den Grund gehen und dessen Herkunft und Gebrauch klären. Sie konnten nicht ahnen, dass sich ihr Wortgebirge am Ende auf mehr als 320.000 Einträge auftürmen würde. Sie konnten auch nicht voraussehen, dass ihr Lexikon, für das sie zehn Jahre Arbeit veranschlagten, erst mehr als hundert Jahren später vollendet werden sollte. Heute ist es eines der wichtigsten Nachschlagewerke zur deutschen Sprache.

Die Grimms selbst kamen „nur“ bis zum Buchstaben F. Wie die beiden das Mammutwerk allein mit Feder, Tinte und Papier auf die Beine gestellt und wie sie ihr Netz der Helfer quer durch Deutschland und Europa aufgebaut haben, wird im Museum eindrucksvoll beleuchtet. Originalzettel und Briefe, künstlerische Installationen wie beispielsweise Sprachteppiche oder ein beleuchtetes Halbschattentheater sowie multimediale Angebote lassen keine Langeweile aufkommen.

Hier geht’s lang

Das Museum „Grimmwelt“ in Kassel ist täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, freitags bis 20 Uhr geöffnet. Am 31. Dezember ist es von 10 bis 14 Uhr geöffnet, am 1. Januar ist es geschlossen. Der Eintritt kostet für Erwachsene 8 €, ermäßigt 6 €, Familien 20 €. Der Begleitkatalog kostet 24,95 €.

Die „Grimmwelt“ liegt in einer Gartendenkmalzone auf dem Weinberg, unmittelbar neben dem bundesweit einzigartigen „Museum für Sepulkralkultur“. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist empfehlenswert: von den Bahnhöfen Kassel-Wilhelmshöhe und Hauptbahnhof per Straßenbahn bis zum Rathaus, von dort dauert der Fußweg jeweils rund sieben Minuten. Autoparkplätze stehen in der zehn Fußminuten entfernten Tiefgarage am Friedrichsplatz zur Verfügung.

Weitere Informationen unter Tel. (05 61) 81 04 54 60, www.grimmwelt.de .

Text und Foto: Gisbert Strotdrees

Ein ausführlicher Beitrag über das Museum findet sich im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben, Folge 52/53, vom 24. Dezember 2015.