Ökologie im Garten

Mähfreier Mai: Was steckt dahinter?

Im fünften Monat des Jahres lassen Engländer den Rasen ungeschoren. Was steckt dahinter? Hier Antworten aus Hessen, die zu eigenen Experimenten im Garten anregen.

Mähfreie Bereiche im Rasen fördern die Artenvielfalt, sehen klasse aus und machen Spaß. Das ist die Botschaft der Hessischen Gartenakademie. Sie veranstaltet regelmäßig einen Rasenfrisuren-Wettbewerb, so auch in 2024. Gartenbesitzer können dazu Fotos von blühenden Inseln bis zum 30.6.2024 einsenden und attraktive Preise gewinnen. Beliebte Frisuren sind Kreise, Wellen, Herzen. Sogar ein Friedens-Symbol ist möglich. Wir haben nachgefragt, was der ökologische Hintergrund ist.

Wochenblatt: Im Mai wächst das Gras besonders schnell. Warum lassen die Engländer ausgerechnet um diese Zeit den Rasenmäher im Schuppen?

Tanja Matschinsky: Neben den Rasengräsern wachsen im Frühjahr auch Pflanzen wie Gänseblümchen, Ehrenpreis oder Gundermann besonders gut und kommen zur Blüte, wenn nicht gemäht wird. So bieten sie Nahrung für früh fliegende Schmetterlinge und andere Insekten.

Tnja Matschinsky ist Dozentin an der Hessischen Gartenakademie. (Bildquelle: Hessische Gartenakademie)

Wochenblatt: Sie raten also als Dozentin der Gartenakademie Hessen auch den Hobbygärtnern in unserer Region zum Mähverzicht?

Tanja Matschinsky: Auf jeden Fall! Es muss ja nicht gleich der ganze Rasen aufwachsen. Für erste Versuche reichen einzelne mähfreie Inseln aus. Den ersten Bereich lässt man beispielsweise ab Anfang Mai ungeschnitten. Den nächsten Bereich nimmt man an anderer Stelle drei Wochen später aus der Mahd heraus. Nach vier bis sechs Wochen wird die ­erste Insel abgemäht. Die nächste Blühinsel ist dann schon weit entwickelt. Auf diese Weise lassen sich bis in den Juni hinein mehrere Blühinseln schaffen. Das Mähen nach einigen Wochen drängt Mäuse und Schnecken zurück.

Weniger Dünger, mehr Blüten

Wochenblatt: Nach vier Wochen ohne Mähen ist der Rasen aber ziemlich schwer wieder in den Griff zu bekommen, oder?

Tanja Matschinsky: Wir raten dazu, den Aufwuchs in zwei Schritten im Abstand von ­einigen Tagen herunterzuschneiden. Beim ersten Schnitt wird langsam auf 8 bis 10 cm gemäht. So können kleinere Tiere fliehen. Den zweiten Schnitt sollten Gartenbesitzer ein paar Tage später machen, damit sich die Pflanzen wieder an das Licht gewöhnen können. So gleicht man die Inseln an die Rasenschnitthöhe von 4 bis 6 cm an.

Wer mäht die schönste Rasenfrisur? In Hessen ist das ein Wettbewerb. Auch Kinder machen dabei gern mit und haben tolle Ideen. (Bildquelle: Dr. Thorsten Kranz)

Wochenblatt: Und wenn keine hübschen Pflanzen in den Raseninseln zur Blüte kommen?

Tanja Matschinsky: Wird der Rasen alle paar Tage gemäht und regelmäßig gedüngt, haben Kräuter wenig Chancen, sich gegen die starken Gräser durchzusetzen. Die Samen liegen aber im Boden und keimen, sobald die Bedingungen passen. Auf den noch nährstoffreichen Böden wird sich zuerst nur eine geringe Vielfalt an niedrigeren Wildkräutern zeigen. Typische Pflanzen sind Löwenzahn, Gänseblümchen, Kriechender Günsel, Gamander-Ehrenpreis, Kleine Braunelle. Magert der Boden nach und nach ab, stellen sich viel mehr Wildkräuter ein. So ein bunter Rasen, der nicht so tief gemäht wird, ist auch besser gegen Trockenheit gewappnet, weil Kräu­ter tiefer wurzeln als Gräser.

Jedes Wildkraut zulassen?

Wochenblatt: Viele Gartenbesitzer wollen weder Quecke noch Hirse und schon gar nicht Hahnenfuß im Rasen haben. Fördern ungemähte Inseln die Ausbreitung solcher Problempflanzen?

Tanja Matschinsky: Hirse wächst in lückigen Rasen­flächen bei warmem Wetter besonders gut. Das hat nichts mit der Aufwuchshöhe der Rasengräser zu tun. Im naturnahen Garten sehen wir viele Pflanzen nicht unbedingt als unerwünscht an. Im Staudenbeet würde ich die Quecke nicht dulden, weil sie wuchert und andere Pflanzen bedrängt. Wächst Quecke im Rasen, ist das im Grunde nicht relevant. Das Rasenbild ändert sich kaum. Und bedenken Sie: Ein Rasen mit homogenem Gräserbild wie aus der Werbung ist ein Kunstprodukt, das sich nur mit viel Dünger und Wasser, striktem Mähen und dem Bekämpfen un­erwünschter Pflanzen erreichen lässt.

Wochenblatt: Funktionieren Raseninseln auch, wenn der Roboter mäht?

Tanja Matschinsky: Je nach Modell lassen sich Parzellen über die App-Steuerung aus dem Mähprogramm herausnehmen. Oder man kann ein Hindernis für den Mähroboter bauen.

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