Ina und Paul (Namen geändert) waren neun Jahre verheiratet und haben zwei Kinder, acht und sieben Jahre alt. Ina war nach ihrem Psychologie-Studium in der Ausbildung zur Therapeutin. Sie verdiente weniger als 300 € monatlich. Paul ist in der IT-Brache angestellt. Die jungen Eltern lebten sich auseinander. Sie wollten die Scheidung. Die Kinder sollten bei der Mutter bleiben. So begann ihr Trennungsjahr.
Ein Jahr getrennt
Das Gesetz sieht vor, dass Ehepaare mindestens ein Jahr getrennt leben müssen, bevor sie sich scheiden lassen können. Eheleute sollen sich nicht nach einem Streit im Affekt trennen, sondern ihre Entscheidung bewusst treffen. Ihre Ehe muss als gescheitert gelten. Im Volksmund heißt das: Tisch und Bett voneinander trennen.
Vater muss Unterhalt zahlen
Der Ehepartner, bei dem die gemeinsamen Kinder überwiegend wohnen, hat Anspruch auf Kindesunterhalt. Ina und Paul entschieden sich für das „Residenzmodell“. Es sieht vor, dass die Kinder bei dem einen Elternteil leben und der andere im Gegenzug einen Barunterhalt zahlt. Richter gehen davon aus, dass derjenige, der Unterhalt zahlt, sich an etwa fünf Tagen im Monat um die Kinder kümmert. Dabei muss er auch die anfallenden Ausgaben für Essen, Wohnen und alles Weitere tätigen.
Seit dem 1. Januar 2024 beträgt der Unterhalt laut „Düsseldorfer Tabelle“ monatlich mindestens 426 € für ein sechs- bis elfjähriges Kind. Der jeweilige Kindergeldanteil (hälftig bei Minderjährigen) ist bereits abgezogen. Demnach stehen Ina für ihre Kinder mindestens 852 € zu. Verdient Paul mehr als 2100 € (netto), steigt der Betrag. Maßgeblich ist sein Einkommen der vergangenen zwölf Monate. Bei Selbstständigen wird das durchschnittliche Einkommen der vergangenen drei Jahre zugrunde gelegt. Ina wusste nicht, wie viel ihr Noch-Ehemann verdient. Um das herauszufinden, könnte sie den Anspruch ihrer Kinder auf Auskunft durchsetzen. Bei Bedarf hilft das Jugendamt. Gleiches gilt für die Durchsetzung des Unterhaltsanspruches, falls die verabredeten Zahlungen ausbleiben. Als Erwerbstätigem steht Paul aber immer ein Selbstbehalt von 1600 € zu. Dieser Betrag gilt auch für Selbstständige.
Um Geld bitten müssen
Paul zog am 9. Januar 2023 aus. Das Haus in dem die Familie wohnte, gehört Inas Mutter. Ina blieb mit den Kindern dort. Zu dem Zeitpunkt ging die junge Frau noch von einer fairen Trennung aus. Dann bekam sie Post. Paul hatte sich unmittelbar einen auf Familienrecht spezialisierten Anwalt genommen. Ina wählte keinen Rechtsbeistand. Sie kam mit ihrem Ausbildungsgehalt und dem Kindergeld knapp über die Runden. In der Summe hatte sie monatlich 800 €.
„Ich wollte Paul nicht um Geld bitten“, gesteht die 37-Jährige. Doch als sie nicht mehr wusste, wie sie das Essen in der Übermittagsbetreuung des jüngeren Sohnes bezahlen sollte, musste sie es. „Im persönlichen Gespräch lehnte Paul meine Bitte ab“, erinnert sich Ina, „etwas später schickte er eine Whatsapp-Nachricht. Er schrieb, ich solle ihm Bescheid geben, wenn ich wüsste, wie viel Geld ich genau benötige“, erzählt Ina. Sie fühlte sich vor den Kopf gestoßen und wollte Pauls Geld nicht. Stattdessen lieh sich die zweifache Mutter Geld von Familienangehörigen und versuchte sparsam zu leben.
Das Trennungsjahr eher datieren?
Nur ein paar Wochen später erhielt Ina wieder eine Nachricht von Paul, da waren sie schon vier Monate getrennt. Paul fragte, ob sie das Trennungsjahr auf einen früheren Zeitpunkt datieren könnten. Schließlich wäre ihre Ehe schon lange nicht mehr intakt gewesen. Ina war unsicher. Was bedeutet das für sie, wenn sie zustimmt? Nun nahm auch sie sich eine Anwältin. „Sie riet mir, nicht zuzustimmen, weil ich damit auch den Zeitraum für meine Ansprüche auf Trennungsunterhalt verwirkt hätte“, sagt Ina. Darüber hatte sich die 37-Jährige noch gar keine Gedanken gemacht.
Böser Hintergedanke?
Pauls Wunsch, die Trennung auf einen früheren Zeitpunkt zu datieren, könnte bedeuten, dass er sich früher als gesetzlich vorgeschrieben scheiden lassen will. In der Praxis wird niemand das angegebene Trennungsdatum auf Richtigkeit prüfen. Trotzdem muss es eingehalten werden. Ein verfrühter Stichtag hätte Folgen für den Zugewinn und den Versorgungsausgleich, weil plötzlich ein anderer Zeitraum zu berücksichtigen wäre. Da Ina zum Zeitpunkt der Trennung von Paul nahezu kein eigenes Einkommen hatte, hätte ihr obendrein Trennungsunterhalt vom Noch-Ehemann, zugestanden – und zwar ab dem Tag der Trennung bis zur rechtskräftigen Scheidung.
Nicht lang fackeln
Bis dato hatte Ina bei ihrem Noch-Ehemann weder Antrag auf Unterhalt für die Kinder noch für sich gestellt. „Heute weiß ich, dass das unklug war“, sagt Ina. Denn Unterhalt kann nicht rückwirkend gefordert werden. In solch einer Situation raten Fachleute, nicht lange zu fackeln und den Partner frühzeitig zur Unterhaltszahlung aufzufordern. Dabei ist die Höhe genau zu beziffern – schriftlich und unter Angabe des Trennungsdatums.Inzwischen haben Ina und Paul ihr Trennungsjahr offiziell beendet.
Sie haben sich darauf verständigt, dass Paul monatlich Unterhalt für die gemeinsamen Kinder zahlt. Ina hat keinen nachehelichen Unterhalt, der ihr nach der Scheidung zustehen würde, eingefordert. Mittlerweile hat sie ihre Ausbildung abgeschlossen und verdient genug, um das Leben mit ihren Kindern zu meistern. Knapp, aber es funktioniert.
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