Ewige Weiten, trockener Sand und wilde Tiere: Das alles hat Gabriela Ritzdorf direkt vor ihrer Haustür. Die 16-Jährige ist im südafrikanischen Namibia aufgewachsen. Vor vier Generationen zog ihre Familie von Deutschland aus hierher. Ihre Eltern sind Farmer. Die drei Standbeine des Betriebs sind die Rindermast, die Produktion von Holzkohle – und die Trophäenjagd. „Zu uns kommen Touristen, die Gnus, Oryxantilopen und Warzenschweine schießen wollen“, erzählt Ritzdorf. Auf den 7000 ha Land, die ihrer Familie gehören, findet sich da meistens ein passendes Tier.
Warum 20.000 Elefanten?
Die Trophäenjagd ist eine Form des Jagdtourismus, bei der spezifische Tiere geschossen werden. Die Schützen nehmen Teile der Tierkörper als „Trophäe“ mit nach Hause – meist ins Ausland. Bislang ist die Einfuhr von Jagdtrophäen in der EU unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Bei geschützten Arten muss die Jagd beispielsweise nachhaltig sein. Bei streng geschützten Arten – wie Elefanten und Geparden – muss die Jagd nachweislich einen Beitrag zum Artenschutz leisten. Einige Gattungen dürfen gar nicht bejagt werden. Auch Ritzdorfs Familie wirbt mit nachhaltiger Trophäenjagd. Aber dazu später mehr.
Aktuell wird die Trophäenjagd intensiv diskutiert. Ursprung der Debatte waren mutmaßliche Pläne des Bundesumweltministeriums, das bisherige EU-Gesetz in Deutschland zu verschärfen. In Reaktion darauf bot der Präsident von Botswana Deutschland 20 000 Elefanten als Geschenk an. Bei ihnen gäbe es zu viele Elefanten, sagte er. Sie würden für Ernteverluste sorgen und Schäden an Gebäuden und Bäumen verursachen. Dabei sprach er explizit Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) an, die als Befürworterin von Einfuhrbeschränkungen für Jagdtrophäen gilt. Eine Sprecherin des Umweltministeriums stellte jedoch klar, dass es zwar Debatten in der EU gäbe, auf nationaler Ebene derzeit aber nicht über Beschränkungen diskutiert würde. Doch welche Auswirkungen hätte ein Einfuhrverbot überhaupt auf die Farmer Afrikas?
Ein Wert für wilde Tiere
„Für uns Namibier wäre ein striktes Verbot ein großes Problem“, meint Ritzdorf. „Jagdtourismus macht 44 % des Umsatzes von hiesigen Farmern aus.“ Durch die Jagd erhalten die wilden Tiere einen finanziellen Wert. Das ist erst seit einer Reform Mitte der 60er-Jahre so. Seither sind die Tiere nicht mehr Eigentum des Staates, sondern gehören dem jeweiligen Besitzer des Landes, auf dem sie leben.
Für die Farmer stellen beispielsweise Zebras Weidekonkurrenz zu ihren Tieren dar. „Sie fressen genauso viel wie Rinder“, sagt die junge Namibierin. Elefanten fressen aufgrund ihrer Größe sogar bis zu 175 kg Nahrung am Tag. „Vor einiger Zeit machte sich eine Herde Elefanten über die Getreidefelder eines bekannten Farmers her“, erzählt Ritzdorf. „Das war existenzbedrohend für ihn.“ Der Gegenwert durch den Jagdtourismus habe die Tiere schützenswerter gemacht, meint sie. „Vor 60 Jahren lebten etwa eine halbe Million Wildtiere in Namibia, jetzt sind es drei Millionen. Also sechs Mal so viele“, sagt sie. Ebenso wie alle anderen Jagdunternehmen muss ihre Farm Jagdlizenzen beim Staat erwerben. Ein großer Teil der durch den Kauf entstehenden Gelder soll dem Naturschutz und den Einheimischen zugute kommen. Tierschützer kritisieren hingegen, dass sich Abschussquoten an wirtschaftlichen statt nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten orientieren.
Wer will welches Tier?
Etwa 25 Jäger kommen jährlich zu Familie Ritzdorf. Ihre Farm liegt bei Otavi, einer Stadt im Norden des Landes. Elefanten gibt es hier nicht. Dafür aber Zebras, Hyänen, Antilopen und viele weitere wilde Tiere. Die Touristen werden bei der Jagd begleitet. „Teil der nachhaltigen Jagd ist, dass nicht wahllos irgendwelche Tiere entnommen werden“, betont Ritzdorf. „Es werden lediglich alte Tiere und solche, die sich wahrscheinlich nicht mehr fortpflanzen, bejagt.“ So soll die Artenvielfalt nicht negativ beeinflusst werden. Findet sich das gewünschte Tier oder die Tierart nicht in den Weiten von Familie Ritzdorf, verweist sie auf ein anderes Unternehmen.
Genau so wie in deutschen Wäldern gehört zur Jagd in Namibia auch das Beobachten des Reviers. „Die Tiere finden wir vor allem an den Wasserstellen“, sagt Ritzdorf. Die gesamtem 7000 ha immer im Blick zu behalten, ist nicht möglich. „Trotzdem durchstreifen wir das Gebiet durch die Trophäenjagd sehr regelmäßig“, erzählt die 16-Jährige. Das hat den Vorteil, dass es Wilderern schwieriger gemacht wird, illegal zu jagen. Ganz verhindern lässt sich die Wilderei dadurch trotzdem nicht. „Treten vermehrt Probleme mit Wilddieben auf, werden gezielt Menschen eingestellt, die das Land durchstreifen“, sagt Ritzdorf. „Das könnten die Farmer sich nicht leisten, wenn die wilden Tiere keinen finanziellen Wert für sie hätten.“ Tierschützer argumentieren jedoch häufig, dass die Erlaubnis von legalem Handel auch die Wilderei befeuern würde. Die Trophäen sollten gar nicht mehr auf dem Markt erhältlich sein.
Ein Horn wie aus Gold
Vor allem bei stark bedrohten Arten wie Nashörnern ist Wilderei ein großes Problem. Deren Hörner werden als vermeintliche Heilmittel illegal gehandelt. Bis zu 60 000 € bringt 1 kg Horn auf dem Schwarzmarkt ein. Das ist fast so viel wie ein Kilo Gold. Der Handel und damit die Einfuhr von Nashörnern ist weltweit illegal. Laut Weltnaturschutzorganisation wurden 2022 in Afrika 560 Nashörner von Wilderern getötet. Davon allein 448 im Nachbarland Südafrika.
Ähnlich viele Trophäen wurden legal nach Deutschland importiert. Nach Angaben der Bundesregierung waren es 2022 insgesamt 538 Stück. Damit ist Deutschland der mit Abstand größte Importeur in der EU.
Auch die legal bejagten Tiere haben ihren Preis. Der Abschuss einer Hyäne kostet bei Familie Ritzdorf beispielsweise knapp 2900 €. Wer Elefanten jagen will, zahlt in der Regel mehrere zehntausend Euro. Zur nachhaltigen Jagd bei Familie Ritzdorf gehört auch, dass das gesamte Tier verwertet wird – bis hin zu den Innereien. „Wir essen selbst das Fleisch der Tiere, die wir schießen“, sagt die 16-Jährige. „Ein Gnubraten ist hier ebenso normal wie ein Rehbraten in Deutschland.“ Trotzdem reagieren viele Menschen irritiert. So auch auf der „Jagd und Hund“ in Dortmund, auf der die 16-Jährige in diesem Jahr einen Vortrag mit dem Titel „Trophäenjagd: Für – und nicht gegen die Natur“ hielt.
Attackiert vom Elefanten
„Die Menschen, die die Jagd auf wilde Tiere verteufeln, machen das meist aus Emotionen heraus. Sie haben sich nicht wirklich mit unserem Leben vor Ort auseinandergesetzt“, meint Ritzdorf. Sie sieht Parallelen zum Abschuss des Wolfes in Deutschland. Denn auch die Gefahr, die durch die Tiere entstehe, dürfe man nicht unterschätzen. „Neulich wurde der Vater eines Freundes von einem Elefanten angegriffen. Es war furchtbar“, erzählt die junge Farmerin. Auch ihre Familie hatte vor zwei Jahren mal ein Problem mit Hyänen in ihren Gefilden. Trotzdem hat die 16-Jährige keine Angst, wenn sie zu Hause einen Spaziergang durch den Busch macht. „Entweder ich bin nah am Haus oder ich bin bewaffnet, wenn ich weit raus gehe“, erklärt Ritzdorf und schmunzelt. „Dafür habe ich Angst vor Spinnen.“
Wilde Tiere trifft sie derzeit nur einmal im Monat, wenn sie zurück nach Otavi fährt. Für ihren Schulabschluss geht sie auf ein deutsches Internat in der Hauptstadt Windhoek, 400 km entfernt von ihrer Heimat. Ritzdorf vermisst die ewigen Weiten und hofft, dass die Farm ihrer Familie auch in Zukunft bestehen kann. „Ich wünsche mir, dass möglichst viele Menschen die Bedeutung des Jagdtourismus verstehen“, sagt sie. „Nicht nur für uns als Farmer, sondern vor allem für den Erhalt der Arten und das Leben im Einklang mit der Natur.“ Dafür wird Ritzdorf weiter kämpfen – trotz einigem Gegenwind.
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