Eine Schule samt Sporthalle, zwei Pflegeeinrichtungen, das Pfarrgemeindehaus, die örtliche Feuerwehr, einige Gewerbetreibende und zahlreiche Privathaushalte – in der Kleinstadt Wanfried im Werra-Meißner-Kreis werden seit Ende 2020 rund 85 Gebäude mit Nahwärme versorgt.
Geliefert wird die Heizenergie aus der Biogasanlage der Bioenergie Wanfried GmbH & Co. KG, die von sechs Landwirten und dem örtlichen Elektrizitätswerk betrieben wird, erklärt Bioenergie-Geschäftsführer Max-Ulrich Aschhoff beim Vor-Ort-Besuch des Wochenblattes.
Seit ihrer Inbetriebnahme wurde die Kapazität der Anlage mehrmals erweitert und die Erzeugungstechnik angepasst. Heute liefern drei Blockheizkraftwerke (BHKW) knapp 6 Mio. kWh Strom pro Jahr, wobei dieser hauptsächlich in den Spitzenzeiten der täglichen Nachfrage eingespeist wird. Diese sogenannte Flexibilisierung bringt eine höhere Vergütung, erfordert jedoch auch mehr Technik und Produktionsreserven, berichtet Aschhoff.
Wohin mit der Wärme?
Neben der Stromerzeugung haben sich die Biogasanlagenbetreiber von Anfang an Gedanken um eine sinnvolle Nutzung der im Produktionsprozess anfallenden Wärme gemacht. Diese wurde und wird beispielsweise zur Trocknung von Brennholz verwendet, auch eine Getreidetrocknung wäre eine Option.
Das Gros der Wärmeenergie nutzt die Bioenergie Wanfried jedoch seit nunmehr gut drei Jahren zur Beheizung der oben beschriebenen Gebäude, erklärt Karl Rohmund, der hauptberuflich beim Energieversorger in Wanfried beschäftigt ist, sich aber zudem um die BHKW und das Biogasanlagen-eigene Wärmenetz kümmert.
Dieses umfasst insgesamt 6 km isolierte Rohrleitungen und unterquert auf seinem Weg unter anderem eine Bundesstraße. Das gesamte Wärmenetz inklusive 1500-m3-Warmwasser-Pufferspeicher und Spitzenlast- bzw. Redundanzkessel hat mehrere Millionen Euro gekostet.
Planung, Ausschreibung, Bauüberwachung und Bauleitung wurden durch ein Ingenieurbüro durchgeführt, das bereits im Vorfeld die Flexibilisierung der Biogasanlage geplant und umgesetzt hat. Seit Ende 2020 wird an der Biogasanlage nun entmineralisiertes, vollentsalztes Wasser mit einer Vorlauftemperatur von 82 °C eingespeist.
Dieses gelangt mit Pumpenunterstützung zu den Wärmeübergabestationen in den Zielgebäuden. In diesen Wärmetauschern kühlt sich das heiße Wasser auf 52 °C ab und fließt anschließend zurück Richtung Biogasanlage, erklärt Rohmund das Grundprinzip.
Im Gegenzug gelangt die Wärme aus dem Netz in die Abnehmergebäude, die keinen eigenen Heizkessel, keine Öltanks, Ausgleichsbehälter usw. mehr benötigen. Auch der Schornsteinfeger muss beim Bezug von Nahwärme nicht mehr kommen.
Aktuell 12 Cent/kWh netto
Abgerechnet wird über einen geeichten Wärmemengenzähler, dessen Daten automatisch ausgelesen werden. Etwaige Störungen an der Heizungsanlage im Zielgebäude werden daher in der Nahwärme-Zentrale frühzeitig bemerkt.
Die Details der Wärmeversorgung sind in Zehnjahresverträgen geregelt, so Aschhoff, denn beide Seiten brauchen in einem solchen Geschäft Planungssicherheit.
Den günstigen Anfangspreis von 5 Cent/kWh konnten die Biogaserzeuger allerdings im Zuge der Ukrainekrise mit ihren immensen Preissteigerungen für Rohstoffe und Energieträger nicht mehr halten.
„Wir mussten unseren Wärmepreis anpassen“, berichtet der Agraringenieur: Heute werden 12 Cent/kWh (netto) berechnet – was angesichts der Preise für alternative Energieträger wie Gas oder Öl weiterhin ein attraktiver Kurs ist, wie er findet. Außerdem entfallen bei den Nahwärmekunden ja die Kosten für die eigene Heizungstechnik.
Schule als wichtiger Wärmekunde
Das ist auch beim größten Einzelkunden, dem Wanfrieder Schulcampus mit Grund- und Gesamtschule sowie Sporthalle so.
„Früher hatten wir hier zwei große Gasheizkessel. Diese sind mittlerweile abgebaut und wir werden komfortabel mit Nahwärme von der Biogasanlage versorgt“, berichtet Hausmeister Achim Eichholz: „Das hat bislang reibungslos geklappt. Lediglich ganz am Anfang, in den ersten Tagen nach dem Anschluss waren die Filter öfter verstopft. Aber das ist normal, denn in einer neu verlegten Wärmeleitung enthält das Wasser nun mal Schwebteilchen und Verschmutzungen aus der Bauphase.“
Max-Ulrich Aschhoff, Karl Rohmund und die anderen Biogaserzeuger sind ebenfalls froh über die gute Zusammenarbeit. Die Schule ist schließlich mit ihrem Wärmebedarf von knapp 400 kW (inklusive Sporthalle) ein wichtiger „Ankerkunde“. Die meisten anderen mit Nahwärme versorgten Gebäude liegen in ihrer Nähe bzw. auf dem Weg zwischen Biogasanlage und Schulcampus.
Ein Wärmenetz ist nämlich umso effektiver, je näher die einzelnen Abnehmer an der Hauptleitung liegen. Denn dann sind die Wärmeverluste und die Leitungskosten im Verhältnis zum Nutzwert niedrig.
Aschhoff und Rohmund ziehen jedenfalls ein positives Fazit: „Mit dem Bau des Wärmenetzes haben wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Wir als Biogaserzeuger können die Wärme als Koppelprodukt vermarkten. Und die Wanfrieder Bürger können ihre Häuser zu fairen Preisen klimaschonend beheizen.“
Außerdem erfüllt die Anlage durch den Ausbau des Wärmenetzes und die Flexibilisierung die Anforderungen für die Teilnahme an den Anschluss-Ausschreibungen für einen Weiterbetrieb der Biogasanlage nach Ablauf der 20-jährigen EEG-Laufzeit.
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