Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) hat dem Bundeslandwirtschaftsministerium vorgeschlagen, die Mehrwertsteuer auf Fleischprodukte von derzeit 7 auf den Regelsatz von 19% zu erhöhen. Die Mehreinnahmen sollen den Umbau der Tierhaltung finanzieren. Erarbeitet haben den Vorschlag Mitglieder der ZKL sowie der Borchert-Kommission.
Diese hatte eine Mehrwertsteuer-Erhöhung bereits vor einigen Jahren als eine von drei Optionen ins Spiel gebracht – neben einer Verbrauchssteuer sowie Umschichtungen im Bundeshaushalt. Für die Variante „höhere Mehrwertsteuer“ sprach und spricht der geringere Aufwand. Allerdings hatten Vertreter aus der Ökobranche bisher Bedenken, weil höherpreisige Produkte absolut gesehen stärker belastet würden und sich der Preisabstand vergrößern würden. Der ZKL-Vorschlag will da gegensteuern, beispielsweise über die Höhe der Tierwohlprämien.
Jochen Borchert ist zufrieden mit dem Ergebnis der Arbeitsgruppe und hofft, dass die Koalition den Vorschlag aufgreift. Er ist aber zurückhaltend, ob die Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode erfolgt. Gegenüber dem Wochenblatt betonte er, dass die Absicherung für Landwirte zwangsläufig über langfristige Verträge mit dem Staat erfolgen müsse.
Etwas anders positioniert sich Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes: „Eine Mehrwertsteuer-Erhöhung auf den Regelsatz oder einen Tierwohlcent lehnen wir ab. Das Geld für den Tierwohlumbau muss aus dem Bundeshaushalt kommen.“ Zudem müsse zuerst sichergestellt werden, dass die notwendigen Beträge bei den Landwirten ankommen. Darüber hinaus seien Verträge mit einer Laufzeit von 20 Jahren eine zwingende Voraussetzung.
WLV: Ja, aber nur wenn ...
Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) begrüßt hingegen grundsätzlich den Ansatz zur Mehrwertsteuer-Erhöhung auf Fleischprodukte, sieht jedoch noch erheblichen Korrekturbedarf. „Voraussetzung für die Finanzierung von mehr Tierwohlställen über eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf Fleischprodukte ist, dass gesetzlich verankert wird, dass die so gewonnenen Mehreinnahmen vollumfänglich – ich sage ausdrücklich zu 100 % – auf die Höfe gelangen und hier für den Umbau, Neubau oder Anbau von Ställen hin zu mehr Tierwohl genutzt werden können. Zudem muss die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes schrittweise, entsprechend dem Finanzierungsbedarf für Tierwohlmaßnahmen, erfolgen. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die Finanzierungsmittel für alle Betriebe zugänglich sind“, betont WLV-Präsident Hubertus Beringmeier.
Auch er fordert eine Planungssicherheit von mindestens 20 Jahren ein. Dies könne über langfristige Verträge mit landwirtschaftlichen Betrieben abgesichert werden. Darüber hinaus sind nach Einschätzung des WLV Änderungen im Bundesimmissionsschutzgesetz nötig. Aktuell ließen sich in vorhandenen Ställen kaum Umbauten hin zu mehr Tierwohl realisieren.
CDU und Grüne uneins
Silke Gorißen (CDU), Agrarministerin in NRW, pocht auf langfristige Verträge: „Dies hat auch die Borchert-Kommission stets zur Bedingung für einen erfolgreichen Umbau gemacht. Eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte ohne diese verbindlichen Zusagen und langfristigen Verträge wäre eine bloße Preiserhöhung auf Fleisch und würde weder den Tieren noch den Landwirten nutzen und den Verbrauchern sogar schaden. Das lehnen wir ab.“
Der Koalitionspartner sieht das anders. Norwich Rüße, Agrarpolitischer Sprecher der Grünen in NRW, unterstützt den ZKL-Vorstoß: „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Landwirtschaft in Deutschland an die Anforderungen des Tierschutzes und die steigenden Qualitätsstandards anzupassen.“