Wochenblatt: Frau Kotewitsch, Sie haben 2019 in Medebach Geschichte geschrieben: Als erste Frau haben Sie beim Bundesschießen des Sauerländer Schützenbundes (SSB) den Vogel abgeschossen. Wie erinnern Sie sich an den Tag im September?
Als damals amtierende Königin der Schützenbruderschaft Wamel durfte ich am Bundesschießen teilnehmen. Von 148 Königen war ich die einzige Frau. Im Endstechen waren wir noch 15 Schützen. Als der Vogel bei mir fiel, brandete Jubel auf. Vielleicht etwas mehr als sonst. Manche sagten, endlich mal eine Frau. In den hinteren Reihen soll es aber auch Buh-Rufe gegeben haben. Das störte mich aber nicht. Die Uniform, in der ich den Vogel heruntergeholt habe, hängt mittlerweile im Haus der Geschichte in Bonn.
Wochenblatt: Gab es negative Stimmen?
Nach der Parade des Bundesfestes kam eine Frau auf mich zu. Sie sagte, sie fände es eigentlich blöd, dass Frauen mitschießen dürfen. Sie hätte mich aber beim Schießen und während des Umzuges beobachtet und fände das nun gar nicht mehr so schlecht.
Als Vorreiterin würde ich mich aber nicht sehen. Es gehörte eine riesige Portion Glück dazu, dass der Vogel gerade bei mir gefallen ist.
Wochenblatt: Durch Corona hat sich Ihre Amtszeit verlängert. Als Bundeskönigin sind Sie auf zahlreiche Feste eingeladen. Was tragen Sie? Uniform oder Kleid?
Als Bundeskönigin möchte ich den Bund gebührend repräsentieren und war bei vielen Kreis- und Jubiläumsschützenfesten. Allein 2023 ging ich bei zwölf Festen mit. Meistens trage ich dann ein Kleid. Wenn aber nur eine andere Königin dabei ist, trage ich Uniform. Sie soll dann im Mittelpunkt stehen. In Uniform mit Kragen ist die Kette auch deutlich angenehmer zu tragen. Sonst kann sie sich schon mal unangenehm in den Hals bohren.
Wochenblatt: Ihr Mann Matthias ist Oberst der Schützenbruderschaft Wamel am Möhnesee. Welche Rolle übernimmt er, wenn er sie begleitet?
Mein Mann unterstützt mich voll und ganz. Offiziell trägt er gerade die Bezeichnung Bundesköniginnenprinzgemahl. Er sieht sich selbst als schmückendes Bei-
werk. Für mich ist er aber meinKönig. Wenn ich Kleid trage, hat er einen Anzug an, sonst auch Uniform.
Während Ihrer Amtszeit sitzen Sie auch im Bundesvorstand des SSB. Im Sauerland sind Frauen als Mitglied noch eher die Ausnahme. Wie wurden Sie aufgenommen?
Wir treffen uns dreimal im Jahr zur Versammlung in Meschede. Das Thema „Frauen im Verein“ spielt dort keine Rolle, da es nur die Vereine selbst betrifft und nicht den Schützenbund. Ich wurde von allen Mitgliedern sehr gut aufgenommen. Egal, wo wir uns sehen, nehmen wir uns in den Arm. In der ganzen Zeit habe ich so viele tolle Menschen kennengelernt.
Wochenblatt: In Ihrer Heimatbruderschaft Wamel sind fast 50 Frauen Mitglied. Drei sitzen im Vorstand und aktuell regiert wieder eine Frau als Königin. Was machen Frauen bei den Schützen anders?
Männer sind oft direkter in den Versammlungen, ein stückweit unüberlegter. Frauen denken manchmal länger nach und argumentieren anders. Auch bei uns gibt es Mitglieder, die finden es nicht gut, dass Frauen Mitglied sind. Trotzdem feiere und lache ich mit denen. Ausgetreten ist deswegen noch keiner.
Wochenblatt: Bringen Sie es noch mal auf den Punkt: Was macht für Sie das Schützenwesen aus?
Ich bin von Kindesbeinen auf vielen Schützenfesten gewesen. Mein Vater war Festwirt. Auf diesen Feiern treffe ich viele Menschen, die ich lange nicht mehr gesehen habe. Menschen, die weggezogen sind, kommen wieder. Das ganze Dorf feiert zusammen, egal wie alt. Es ergeben sich immer schöne Gespräche.
Das Schützenwesen ist mittlerweile meine Leidenschaft. Ich würde zum Beispiel nie einen Urlaub über ein Schützenfest planen, das unser Verein besucht.
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