Marlena ist Anfang 30. Seit Kindertagen brennt ihr Herz für die Landwirtschaft. In diesem Umfeld ist sie großgeworden. „Ich wollte schon immer Landwirtschaft machen“, sagt die weichende Hoferbin. Marlena, deren richtiger Namen ein anderer ist, studiert Agrarwissenschaften und hilft auf dem elterlichen Betrieb mit wann immer sie kann. Nach dem Studium schafft sie nebenberuflich Mutterkühe an, dessen Fleisch sie direkt vermarktet. Zusammen mit ihrem Freund gründet sie eine GbR und pachtet eine kleine Fläche Grünland für die Kuhherde. Seit diesem Jahr suchen die beiden über die NRW-Initiative „Außerfamiliäre Hofnachfolge“ einen landwirtschaftlichen Betrieb, den sie übernehmen können.
Interesse an Initiative
„Derzeit haben wir 65 junge Landwirtinnen und Landwirte und 25 Betriebe in der Vermittlung“, berichtet Jan Tappert vom Ring der Landjugend. Er ist in NRW-Initiative in der Regel der Ansprechpartner für junge Menschen, die einen landwirtschaftlichen Betrieb suchen. „Die Hofbewerber sind zwischen 23 und 40 Jahre alt“, erklärt er. „In einem ersten Videotelefonat erfragen wir grob die Vorstellungen der Hofbewerber und erläutern das Prozedere.“ Gegen eine Gebühr von 50 € können Suchende in einer Vermittlungsliste aufgenommen werden.
Mitarbeiter der Landjugend erstellen dann ein Profil der Hofsucher, das an die Vertrauensstelle der Initiative weitergeleitet wird. „Das hohe Maß an Diskretion ist das Besondere an dieser Initiative. Wir veröffentlichen keine Namen. Suchende und Abgebende bleiben völlig anonym. Das schützt sie gleichzeitig vor dem Druck etwa von Berufskollegen oder Nachbarn“, ergänzt Hubertus Schmitte, Rechtsanwalt des Westfälisch-Lippischen-Landwirtschaftsverbandes (WLV), der wie Landjugend und Landwirtschaftskammer zu den Initiatoren gehört.
Vorstellungen aller erfassen
„Die einen suchen einen Vollerwerbsbetrieb, die anderen eine Hofstelle mit etwas Land, die im Nebenerwerb zu führen ist. Von jedem Betriebszweig ist etwas dabei“; berichtet Jan Tappert. Wie im Fall von Marlena handelt es sich bei den Hofsuchenden häufig um weichende Erben. Alle seien berufstätig, oft in kaufmännischen oder in vor - bzw. nachgelagerten Bereichen der Landwirtschaft. „Sie alle haben meist eine klare Vorstellung davon, was sie wollen und was sie erwartet“, erklärt Jan Tappert. Nur wenige kommen für eine Vermittlung nicht infrage, etwa weil ihre Vorstellungen zu unrealistisch sind.
Auch auf der Seite der Betriebe ohne Nachfolger kommen für eine Vermittlung nicht alle Interessenten ernsthaft in Betracht, erklärt Christian Solle von der Vertrauensstelle der NRW-Initiative.
Er oder ein Mitarbeiter der Vertrauensstelle kommen auf den Hof und verschaffen sich zunächst einen Eindruck vom Betrieb und dem Hofabgeber/-paar. Die Hofabgeber sind in der Regel zwischen 50 und 80 Jahren. Die meisten von ihnen hätten Kinder, die aber die Landwirtschaft oft nicht weiterführen wollen – manchmal nicht können oder selten auch nicht sollen. „Viele Hofabgeber wollen die Arbeit herunterfahren, den Betrieb dann aber in guten Händen wissen und wieder Leben auf der Hofstelle haben“, berichtet Christian Solle.
Die Chemie muss stimmen
In der Regel hätten die Hofabgeber klare Vorstellungen davon, wie eine außerfamiliäre Hofnachfolge aussehen könnte. Aber auch hier seien die Wünsche ganz unterschiedlich. Die einen können sich vorstellen, auf dem Betrieb noch etwas mitzuarbeiten, die anderen überhaupt nicht. Die meisten wollen auf der Hofstelle weiter wohnen.
Für eine Vermittlung ist es zunächst wichtig, dass die Vorstellungen der jeweiligen Parteien übereinstimmen. Passen beide Seiten zusammen, wird ein erstes Treffen organisiert, dass von der Initiative begleitet und moderiert wird. „Auch wir hatten schon ein erstes Kennenlerntreffen mit einem Betriebsleiterpaar“, berichtet Marlena. „Es ist wirklich gut gelaufen und wir waren uns gleich sehr sympathisch.“
Gegenseitige Sympathie ist die Hauptvoraussetzung dafür, dass eine außerfamiliäre Hofübergabe überhaupt in Erwägung gezogen werden kann, finden auch die Verantwortlichen der NRW-Initiative. „Die Zwischenmenschlichkeit ist der Knackpunkt“, kommentiert Schmitte, der beim WLV auch als Mediator tätig ist, „wie beim Generationswechsel innerhalb der Familie, erfordert die außerfamiliären Hofübergabe noch mehr Fingerspitzengefühl und Weitblick, weil eben die Blutsbande fehlt.“
Um sich und den Betrieb näher kennenzulernen, sei es dann oft hilfreich, wenn Hofsucher für eine gewisse Zeit auf dem Betrieb mitarbeiten – etwa als Praktikant oder als Angestellter. „Im gemeinsamen Tagesgeschäft lässt sich besser feststellen, wie jemand fachlich geschult ist und ob die Chemie stimmt“, erklärt Christian Solle.
In einem weiteren Schritt kann nach zeitlich begrenzten Lösungen gesucht werden wie etwa einer befristeten Verpachtung oder der Gründung einer gemeinsamen GbR, bei der sich die Vertragspartner Gewinne und Risiken teilen. Diese Zwischenlösung hat den Vorteil, dass sich beide Parteien nochmals besser annähern und den Alltag erproben können, um dann der finalen Hofübergabe immer ein Stück näher zu kommen. Gleichzeitig können sie aber auch wieder aus dem Vertrag aussteigen, wenn es doch nicht passt. „Drum prüfe, wer sich ewig bindet – dies gilt in der außerfamiliären Hofnachfolge ganze besonders“, ist Christian Solle überzeugt.
Woran es scheitert
Bislang wurde durch die NRW-Initiative noch keine außerfamiliäre Hofnachfolge abgeschlossen. Gescheitert ist dies etwa daran, dass letztendlich die Entschlossenheit für eine Übergabe fehlte, das Verständnis für die Wünsche der jeweils anderen Partei nicht aufgebracht werden konnte oder die Chemie untereinander schließlich doch nicht funktionierte. Manchen Hofsuchern dämmerte erst nach und nach, auf was für einen Arbeitsaufwand sie sich einlassen müssten und haben nicht mit so viel bürokratischem Aufwand und Auflagen gerechnet. Auch aus finanziellen Gründen sind Anbahnungen gescheitert, etwa weil die Vorstellung von monatlichen Altenteilsleistungen zu hoch waren, berichtet Christian Solle.
Am häufigsten aber sind Hofsuchende wieder zurückgetreten, weil die Lage des Betriebes nicht stimmte. „Es fehlt schlicht die Bereitschaft, sich auch räumlich zu verändern und dafür in Kauf zu nehmen, auch mal 30 km weiter wegzuziehen“, bedauert Hubertus Schmitte.
Ziel ist die Hofübergabe
Auch Marlena hadert mit der Entfernung des Betriebes von ihrem Geburtsort. „Ich bin mit meinem Heimatort, den Leuten im Dorf und den Vereinen so sehr verwurzelt, dass ich innerlich davor zurück schrecke, die angebotene Vermittlung weiter zu verfolgen.“ Sorge hat sie auch davor, dass sich Konflikte erst im Laufe der Zeit entwickeln könnten, etwa durch eine mögliche Wohnsituation unter einem Dach. Dennoch ist sich Marlena darüber im Klaren, dass es gut gehen und eine große Chance sein kann.
In anderen Fällen ist die Anbahnung schon weiter fortgeschritten. Und es ist zu klären, in welcher Form die Hofnachfolge gestaltet werden kann. „Ein Kauf bzw. Verkauf der Höfe ist in der Regel nicht finanzierbar. So ist die Übergabe des Eigentums in Form eines Hofübergabevertrages eine mögliche Option“, erläutert WLV-Rechtsanwalt Schmitte. Um höhere Steuerfreibeträge nutzen zu können, ist eine Erwachsenenadoption im Vorfeld eine Möglichkeit. Was den Bereich der Vertragsgestaltung betrifft, ist der WLV der entsprechende Ansprech- und Beratungspartner. Am Ende geben jedoch die beiden Parteien vor, welchen Weg sie beschreiten wollen.
NRW-Initiative Außerfamiliäre Hofnachfolge
Die NRW-Initiative „außerfamiliäre Hofnachfolge“ ist seit Herbst 2020 aktiv. Gegründet wurde die Initiativen von der Landwirtschaftskammer NRW, den beiden Landesbauern- und -landfrauenverbänden sowie den berufsständischen Landjugendorganisationen.
Vertrauens- und Anlaufstelle ist die Landwirtschaftskammer NRW. Hier können sich Hofabgeber und Suchende über ein Kontaktformular auf der Homepage melden unter
www.hofnachfolge-nrw.de
In einem persönlichen und vertraulichen Gespräch vor Ort klärt und formuliert ein Mitarbeiter der Vertrauensstelle die Wünsche, Ziele und Erwartungen der Nachfolgesucher. Es wird ein kostenpflichtiges Hofprofil erstellt mit Betriebsdaten, Ausrichtung der Produktion sowie den Vorstellungen über die Gestaltung der Nachfolge wie etwa Mitarbeit, Pacht, Hofübergabe etc.
Für Hofsuchende übernehmen in der Regel Mitarbeiter vom Ring der Landjugend den Erstkontakt. Sie erstellen dazu ein Profil des Suchenden mit Wünschen, Zielen und Erwartungen. Hofsucher können sich dann auf eine Vermittlungsliste setzen lassen, die an die Vertrauensstelle übermittelt wird. Hier sucht man nach Übereinstimmungen zwischen Nachfolge- und Hofsuchern und entscheidet, ob und wer mit wem in Kontakt tritt. So lange bleiben die Daten des jeweils anderen anonym. Kommt es zu einer Übereinstimmung und haben beide Parteien Interesse aneinander, macht ein Mitarbeiter der Vertrauensstelle beide bekannt und begleitet den Hofnachfolgeprozess.
Die Vertrauensstelle ist erreichbar über Telefon (02 51) 23 76-310 oder per Mail unter info@hofnachfolge-nrw.de. Weitere Infos sind nachzulesen unter:
https://hofnachfolge-nrw.de/
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