Jeder Landwirt sollte sich heute mit dem Thema Tierwohl auseinandersetzen. Die Frage ist nicht ob, sondern wann, wie und zu welcher Entlohnung es kommt. Dass der Anspruch an die Haltung der Tiere auch in der Rindermast wächst, zeigen die Tierschutzleitlinien aus Niedersachsen oder Bayern. Beide fordern 3,5 m2 Platz pro Endmastbulle. Die Initiative Tierwohl (Haltungsform 2) und der Baubrief NRW hingegen fordern 3 m2/Tier. Im Programm des Lebensmitteleinzelhandels „haltungsform.de“ sind vor allem in Stufe 3 immer mehr Label zu finden. Für mehr Tierwohl sollen Landwirte entlohnt werden – so wäre es wünschenswert. Doch bringen weniger Tiere pro Bucht, somit mehr Platz für das Einzeltier, unterm Strich wirklich mehr Geld?
Weniger kann mehr sein
Das LfL-Kompetenznetzwerk für Nutztiere Grub führte einen Versuch zum Einsatz der weißen Lupine in der Bullenmastfütterung mit verschiedenen Platzangeboten durch. Die Belegdichte variierte zwischen 8, 10 und 12 Tieren pro Bucht. Die Bullen standen auf Spaltenboden und wurden im mittleren Alter von 471 Tagen geschlachtet. Die Mastdauer betrug 308 Tage. Eine Bucht hatte Maße von 37,5 m2.
Das Versuchsergebnis: Die Zunahmen pro Tier bei geringer Belegdichte waren besser als bei höherer Besatzdichte (Übersicht). Insgesamt waren die Zunahmen extrem hoch. Die Differenz beim Schlachtgewicht betrug mehr als 20 kg. Tiere, denen mehr Fläche zur Verfügung stand, erreichten bessere Leistungen. Der Deckungsbeitrag (DB) je Tier ist dementsprechend auch bei mehr Platz besser (8 Tiere).
„Nun könnte man denken: Tierwohl lohnt sich. Die Bullen haben bei mehr Platz bessere Leistung. Das stimmt soweit“, erklärt Wilfried Naue, Unternehmensberater bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. „Das Problem dabei: Der Deckungsbeitrag 2 pro Bucht ist bei mehr Tieren mit weniger Platz trotzdem besser.“ Das bedeutet, die höheren Zunahmen pro Tier gleichen nicht die fehlenden Tiere pro Bucht aus. Denn der DB insgesamt pro Bucht ist bei 12 Tieren um knapp 280 € höher als bei 8 Tieren. „Am Ende entscheiden die Kilos pro Bucht über die Wirtschaftlichkeit“, betont Naue.
Finanzieller Anreiz fehlt
„Allerdings zeigt der Versuch auch eindeutig, dass eine geringere Belegdichte bei gleicher Futteraufnahme zu mehr Zuwachs und höherem Schlachtgewicht führt“, sagt der Berater. Wenn Programme für höhere Haltungsformen und somit mehr Platz für das Einzeltier genügend finanziellen Anreiz bieten würden, könnte es sich für die Bauern lohnen. Leider reichen dafür jedoch die aktuell angesetzten Beträge nicht.
Die Initiative Tierwohl (ITW) für Haltungsform 2 bringt Rindermästern momentan 10,7 Cent/kg Rindfleisch. Allerdings scheinen diese Bullen aktuell kaum am Markt nachgefragt zu werden. Scheuermöglichkeiten müssen deshalb doch erst 2024 nachgerüstet werden. Anders sieht es in Haltungsform 3 aus: Hier tummeln sich etliche Programme. Rindermästern werden Verträge mit Zuschlägen um die 20 bis 30 Cent/kg angeboten. „Damit verkaufen sie sich unter Wert. Trotzdem muss man sich dem Thema stellen“, berichtet der Berater.
Eine Chance könnten in seinen Augen Regionalprogramme bieten oder ganz neue Wege wie Färsen- oder Ochsenmast. Er rät den Landwirten, sich links und rechts umzuschauen. Außerdem würde er sich ein neues Bonussystem wünschen. Denn die Entlohnung über das Schlachtgewicht scheint sich betriebswirtschaftlich nicht wirklich zu lohnen.
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