Handwerk

Walz: Heute hier, morgen dort

Markus Janßen war drei Jahre und zehn Monate auf der Walz. Ohne Handy reiste und arbeitete der Tischler weltweit. Mit der Tippelei schloss der Bauernsohn einen Bund fürs Leben.

Es muss eine seltsame Prozession im vergangenen August gewesen sein, die sich auf Broekhuysen im Kreis Kleve zu­bewegte: Im Gänsemarsch gingen mehrere Männer in schwarzer Cordkluft mit Hut, Wanderstab und breitem Schlag.

Immer wieder stoppten sie. Einer von ihnen erzählte Anekdoten aus den ver­gangenen drei Jahren und zehn Monaten. Die letzten 100 m ging der Tischler Markus Janßen allein. Seine Eltern und drei Geschwister warteten am Ortsschild auf ihn.

Auf der Walz durfte der Wandergeselle einen Bannkreis von 50 km rund um seinen Heimatort nicht betreten. Reich an Erfahrungen kehrte der junge Mann auf den heimi­schen Milchviehbetrieb zurück und beendete ein Abenteuer, das heute nur noch wenige Handwerker machen.

Handy nicht vermisst

Zahlreiche Geschichten hat der 24-Jährige in der guten Stube seiner Eltern parat. Zwei Wochen über den Jahreswechsel verbrachte der angehende Tischlermeister auf dem Hof mit 120 Milchkühen. ­Aktuell besucht er eine Meisterschule in Franken – keine Entfernung mehr für ihn. Während der Walz arbeitete und lebte er auf vier verschiedenen Kontinenten.

Und das ohne Smartphone. Kontakt zu seinen Eltern hielt er per Postkarte, E-Mail und gelegent­lichen Anrufen. „Anfangs hatte ich das Gefühl, dass ich das Handy verloren hätte. Nach ein paar Wochen war es egal“, blickt er zurück. Landkarten ersetzten Google Maps.

Doch ein Schritt zurück zur Vorgeschichte seines Abenteuers: Schon während seiner Ausbildung zum Tischler interessierte Markus sich für die Walz. Er hielt darüber einen Vortrag in der Berufsschule. Immer wieder spielte er mit dem Gedanken.

Nach der Lehre besuchte er einen Stammtisch der Wandergesellen in Köln. Dort trafen sich reisende und einheimische Wandergesellen, wie man die Ehemaligen nennt. Sie schwärmten von ihren Erfahrungen. „Danach war klar: jetzt oder nie “, erinnert sich Markus. Ihn faszinierten Freiheit und Tradition der Tippelei.

Seine Eltern nahmen ihn erst nicht ernst. Seine Mutter fand die Wandergesellen sehr suspekt mit ihren festen, zum Teil geheimen Regeln und Riten. Sie hatte sich zuvor noch nie damit beschäftigt.

Ihr Sohn umso mehr: Als er zwei Monate vor dem Abschied seine Kluft aus schwarzem Cord – eine Maßarbeit aus Hamburg – nicht mehr wechselte, war ihnen klar: Er meint das ernst.

Daumen raus und los

Gemeinsam mit einem Wandergesellen aus Coesfeld brach er im Oktober 2018 in Köln auf. Sie trampten nach Erfurt....