Es ist ein unhaltbarer Zustand: Der Wisent-Verein als Projektträger hat Ende September die im Rothaargebirge frei laufenden Tiere für herrenlos erklärt und den öffentlich-rechtlichen Vertrag gekündigt. Doch wer kommt nun für Schäden auf, die die Wisente weiterhin anrichten? Jüngst hat die Herde den Holzzaun, den ein Waldbauer im Hochsauerlandkreis (HSK) zum Schutz seiner Kulturpflanzen-Fläche errichtet hatte, laut Bericht der „Siegener Zeitung“ niedergetrampelt. Der Waldbesitzer meldete den Schaden beim Wisent-Verein. Dieser reagierte nicht, dafür aber dessen Rechtsbeistand. Der teilte dem Waldbauern mit, dass sein Mandant seit dem 27. September nicht mehr verpflichtet sei, Ersatz für die von den frei laufenden Wisenten verursachten Schäden zu leisten. Stattdessen verwies der Jurist den geschädigten Waldbauern an die Untere Naturschutzbehörde des Kreises. Der sei aber „außen vor“, zitiert die Zeitung den Pressesprecher des HSK. Schließlich handele es sich um ein Projekt des Wisent-Vereins …
Unterdessen stellte sich die Frage, wer sich um die Zufütterung der Wisente in den kommenden Monaten kümmert. In der Vergangenheit war dies Sache des Wisent-Vereins. Eine Lenkungsfütterung soll verhindern, dass die Tiere für die Futtersuche größere Kreise ziehen. Laut Bericht der „Westfalenpost“ könnte es dadurch zu weiteren Schäden auf landwirtschaftlichen Flächen kommen. Zudem werden zusätzliche Gefahren etwa im Straßenverkehr befürchtet. Wie die Zeitung meldete, sei der Kreis Siegen-Wittgenstein dabei, eine Lösung für den Winter zu erarbeiten.
Kurioser Weise hat sich nun der Wisent-Verein als Dienstleister ins Gespräch gebracht. Wenn der Kreis den Verein beauftrage, sei man zusammen mit den Partnern aus der „Wisent-Allianz“, sprich dem Kölner Zoo und der Deutschen Wildtierstiftung, bereit, sich um die Winterfütterung zu kümmern. Wie die „Westfalenpost“ meldete, will der Kreis auf dieses Angebot aber nicht eingehen: Man stehe ja auf dem Standpunkt, dass die Vertragskündigung nichtig und damit der Verein ohnehin in der Pflicht sei.
„Offener Brief“ an Minister
In die Diskussion eingebracht hat sich auch die CDU-Kreistagsfraktion Siegen-Wittgenstein. In einem offenen Brief zum Thema „Wisente“ hat sie sich jüngst an NRW-Umweltminister Oliver Krischer gewandt und den Grünen-Politiker aufgefordert, sich für das Wisent-Projekt im Rothaargebirge einzusetzen, meldete die „Westfalenpost“. Bei dem Projekt handele es sich nicht nur um ein international hoch beachtetes Naturschutzprojekt. Zudem sei damit eine einzigartige touristische Profilierung für Südwestfalen erreicht worden.
Konkrete Aussagen gibt es seitens des NRW-Umweltministeriums dazu nicht. „Zusammen mit den anderen Partnern der öffentlichen Hand klären wir die offenen vertragsrechtlichen, artenschutzrechtlichen und finanziellen Fragen, die die überraschende Entwicklung vor Ort aufgeworfen hat“, teilte der Pressesprecher des Ministeriums mit. Bezüglich Haftungsfragen verweist das Ministerium an den Trägerverein.
Eingattern oder fortsetzen?
Der Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein, Andreas Müller, geht davon aus, dass die frei lebenden Wisente eingefangen werden müssen. „Aktuell muss es jetzt vor allem darum gehen, eine rechtskonforme Lösung zum besten Wohl der Tiere zu finden“, zitierte die „Westfalenpost“ am vergangenen Samstag den Landrat. „Da die Voraussetzungen für eine Entlassung der Tiere in die Herrenlosigkeitsphase nicht vorliegen und wohl auch nicht geschaffen werden können, scheint das Eingattern der Tiere und eine Übersiedlung in andere Regionen derzeit die realistischste Perspektive zu sein.“ Den Wisent-Verein, der die Tiere für herrenlos erklärt hatte, forderte Müller auf, wieder konstruktiv mitzuarbeiten.
Laut „Siegener Zeitung“ führte der Wisent-Verein am vergangenen Sonntag eine Informationsveranstaltung durch, zu der die Mitglieder des Bad Berleburger Stadtrates sowie des Kreistages Siegen-Wittgenstein eingeladen waren. Der Verein sammelt Fürsprecher und scheint damit Erfolg zu haben. So fordert jetzt auch die Fraktion der Liberal-Konservativen Reformer (LKR) eine Fortsetzung des Projektes – und 100 000 € seitens des Kreises „zur Herstellung der Planungssicherheit“.
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