Wie geht es dem deutschen Wald? Seit den 1980er-Jahren wird diese Frage regelmäßig im Waldzustandsbericht der Bundesregierung sowie der Länder thematisiert. Die drei Rekordtrocken- und Hitzejahre 2018 bis 2020 haben gezeigt: Der Klimawandel ist endgültig und für alle sichtbar im deutschen Wald angekommen. Dies hatte im Jahr 2020 auch zu bisherigen Höchstständen bei der Kronenverlichtung und Absterberate geführt, teilte das Thünen-Institut in der vergangenen Woche mit. Geht es dem Wald nach einem niederschlagsreichen Jahr nun besser?
Die Buchen brauchen mehr Erholung
Im vergangenen Jahr ist der Anteil der Bäume mit deutlichen Kronenverlichtungen gegenüber 2020 leicht zurückgegangen, aber immer noch hoch: 35 % der Bäume zeigten deutliche Verlichtungen – zwei Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Auch die über 60 Jahre alten Bäume, bei denen Schäden besonders deutlich werden, weisen nur eine leichte Verbesserung auf: 42 % haben deutliche Verlichtungen gegenüber 45 % im Jahr 2020. Auch die mittlere Kronenverlichtung aller Bäume ist 2019 nach dem ersten Trockenjahr sprunghaft auf 25 % gestiegen und verbleibt 2021 auf gleichem Niveau.
Laubbäume: Hier nimmt die mittlere Kronenverlichtung seit Jahren zu. Dies war in früheren Jahren vor allem auf den Zustand der Eiche zurückzuführen. Seit 2019 ist aber auch die Buche stark betroffen. Nach dem Rekordjahr 2020 nahm die mittlere Kronenverlichtung 2021 aber um zehn Prozentpunkte auf 45 % ab. Allerdings bildete die Buche im vergangenen Jahr nur wenige Früchte. Üblicherweise führt eine geringe „Fruktifikation“ zu einer deutlichen Verbesserung des Kronenzustands. Das war aber nicht der Fall. Vermutlich benötigt die Buche deutlich länger zur Erholung, als angenommen.
Nadelbäume: Insbesondere die Fichte erreichte 2021 mit knapp 30 % den höchsten Wert der Kronenverlichtung seit Beginn des Monitorings 1984. Aber auch die Kiefer legte deutlich zu und erreichte mit 22,9 % einen unrühmlichen Rekordwert.
Absterberate bleibt hoch
Neben der Kronenverlichtung ist auch die sogenannte Mortalitätsrate weiterhin hoch. Insgesamt ist sie nach dem Rekordwert von 1,7 % im Jahr 2020 zwar 0,5 Prozentpunkte gesunken, stieg aber für Buche und Eiche.
Fichten reagieren deutlich auf den durch die drei Trockenjahre 2018 bis 2020 hervorgerufenen Wassermangel im Boden. Der Borkenkäfer hat die vorgeschädigten Fichtenbestände besonders stark befallen. Aber auch die Buche, die bisher weniger auffällig war, ist von Hitze- und Trockenstress gezeichnet. Bei der Eiche nimmt der Schädlingsbefall wieder zu. Sogar die Kiefer weist seit 2019 einen zunehmend höheren Schadanteil auf.
Es fehlt Wasser!
„Trotz günstiger Witterung in 2021 ist die Entwicklung des Waldzustands im Jahr 2022 ungewiss“, sagt Dr. Nicole Wellbrock vom Thünen-Institut in Eberswalde. „Der Bodenwasserspeicher hat sich auch 2021 in einigen Regionen Deutschlands nicht vollständig aufgefüllt.“ Durch weitere Schadholzmengen infolge der Winterstürme im Februar 2022 vermutet die Expertin keine Verbesserung beim Schaderregerbefall, besonders durch Borkenkäfer.
Ein Jahr ohne Dürre und Stürme reicht zur Erholung der Wälder nicht aus, teilte die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) mit. Auf mindestens 277 000 ha sind bundesweit die Wälder so schwer geschädigt, dass sie ihre ökologische und wirtschaftliche Funktion nicht mehr erfüllen können. Neueste Satellitendaten gehen sogar von Baumverlusten auf mehr als 500 000 ha aus, das entspricht fast 5 % der Waldfläche, heißt es in der Mitteilung.
Aus Sicht der SDW ist es dringend nötig,
- die Wälder schnell in arten- und strukturreiche Mischwälder mit standortgerechten Baumarten und angepassten Wildbeständen zu entwickeln,
- die Naturverjüngung in ehemaligen Reinbeständen durch Pflanzung zu ergänzen und so zu mischen,
- bestehende Wälder zu stabilisieren und deren Widerstandsfähigkeit gegenüber Trockenheit zu erhöhen. Das ist unter anderem durch regelmäßige Durchforstungen möglich.
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