Die Baumartenwahl ist die wichtigste langfristige Entscheidung im Forstbetrieb. Der Klimawandel und seine Folgen erschweren diese Entscheidung aber enorm und machen diese komplexer denn je, ist sich Ralf Volker Nagel von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) in Göttingen sicher. Grund dafür sind die langfristig steigenden Temperaturen bei gleichzeitig sinkenden Niederschlägen – besonders während der Vegetationsperiode. Nagel und seine Kollegen der NW-FVA fanden beispielsweise für Hessen heraus, dass dort bis zum Ende dieses Jahrhunderts die Temperatur während der Vegetationsperiode um 2°C steigen wird. Gleichzeitig werden im selben Zeitraum 40 mm weniger Niederschlag fallen. Dadurch verschlechtert sich die sogenannte klimatische Wasserbilanz derart, dass die Summe von zwei Monatsniederschlägen fehlen wird. Damit ändern sich die Standortseigenschaften und der Trockenstress wird zunehmen, erklärte der Forstwissenschaftler. Besonders davon betroffen sind die bereits heute empfindlichen Wirtschaftsbaumarten Fichte und Buche.
Trockenstress auf der Hälfte aller Standorte
Für Hessen bedeutet das: Die Hälfte der Waldstandorte weisen künftig für Fichten und Buchen ein hohes Trockenstressrisiko auf. Davon betroffen werden auch heutige Gebiete sein, in denen die heimische Buche unter Schutz steht. Weil das Ausmaß und die Geschwindigkeit des Klimawandels die natürliche Anpassungsfähigkeit der Bäume überfordern, bietet einzig die Baumartenmischung eine kurzfristige Lösung, sagte Nagel im Rahmen der digitalen KWF-Tagung. Welche Mischung wo am besten geeignet ist, lässt sich mithilfe von „Waldentwicklungstypen“ herausfinden. Aber auch hier handelt es sich vorrangig um Modelle – entscheidend ist der Standort vor Ort.
Der Klimawandel bringt auch für Forstgenetiker und Forstpflanzenzüchter Schwierigkeiten mit sich, weiß Dr. Heino Wolf vom Staatsbetrieb Sachsenforst. Weil die Bäume den Anforderungen des Klimawandels, der Biodiversität und der Holzerzeugung gleichermaßen gerecht werden müssen, gilt es mehrere Stellschrauben zu drehen. Somit müssen Laub- und Nadelbäume künftig eine hohe Anpassungsfähigkeit besitzen und gleichzeitig leistungsfähig sowie widerstandsfähig gegenüber Schadorganismen aller Art sein.
Speziell in Sachsen sind bereits elf der heimischen 31 Baumarten auf der „roten Liste“ gelandet. Das schränkt das heimische Baumartenportfolio für die Wiederbewaldung drastisch ein, meint Wolf. Alternativen bieten seinen Untersuchungen zufolge die Vogel-Kirsche, die Roteiche, die Küstentanne, die Douglasie sowie die Europäische und die Japanische Lärche. Auch mit Hybriden beider Lärchen hat der Forstgenetiker gute Erfahrungen gesammelt – sie sind trockenheitstoleranter als die Europäische Lärche. Speziell bei der Pflanzung lohnt es darum seinen Ausführungen zu Folge, die Herkunftsempfehlungen der verschiedenen Baumarten zu berücksichtigen.
Natürliche Wiederbewaldung ist nicht risikolos
85 % der Wälder entstehen aber über Naturverjüngung (Stand BWI³) und vor allem im Rahmen der Wiederbewaldung setzen viele Waldbesitzer auf natürliche Prozesse. Das birgt das Risiko der Inzucht, sagte Wolf, denn viele Samenbäume sind infolge der Kalamität abgestorben. Das genetische Potential ist somit deutlich verringert, weshalb die „natürliche Sukzession“ riskant beispielsweise hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit der Bäume ist.
Die Anpassungsfähigkeit der heimischen Bäume steht auch für Dr. Ulrich Kohnle von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) im Vordergrund. Kohnle sieht jedoch auch Änderungsbedarf der waldbaulichen Zielsetzung und Behandlung. Aus seiner Sicht sind Durchforstungen entscheidend für die Anpassungsfähigkeit von Waldbeständen. Seine Untersuchungen ergaben, dass gut durchforstete Bestände nach Dürrejahren zuwachsstabiler sind als andere. Der Grund: Baumkronen verdunsten mehr Wasser als Waldboden. Zudem gelangt über die Lücken im Kronendach mehr Wasser zum Boden, was verfügbar für die Wurzeln wird. Weil durch die Durchforstung obendrein Wasser- und Nährstoffkonkurrenten entnommen werden, bleibt sozusagen mehr für den verbliebenen Bestand übrig.
Die Durchforstung sorgt zudem für einen schnelleren Durchmesserzuwachs. Dadurch wird die Zielstärke nach kürzerer Zeit erreicht, die Bäume können früher geerntet werden und sind entsprechend kürzer möglichen Witterungsextremen und Schadorganismen ausgesetzt. Nichtsdestotrotz gab Kohnle zu bedenken: Die Durchforstungen sind ein Hilfs- und kein Allheilmittel.
Weitere Winter und kein Klima wie am Mittelmeer
Die Frage nach anpassungsfähigen Alternativbaumarten beschäftigt auch Dr. Ralf Petercord vom nordrhein-westfälischen Umweltministerium. Auch Petercord ist überzeugt, dass die Jahresdurchschnittstemperatur künftig steigen wird. Dadurch wird sich auch die Vegetationsperiode verlängern. Die Standorte, die Tageslänge und der Jahreszeitenwechsel werden aber seiner Meinung nach erhalten bleiben. Für die Baumartenwahl ist das ganz entscheidend, denn entgegen vieler Meinungen schließt das zum Beispiel Arten aus dem Mittelmeerraum für den Anbau in NRW, Hessen und Co. aus. Denn strenge Winterfröste oder auch Spätfröste sind Baumarten aus diesen Regionen nicht gewöhnt und würden diese nicht verkraften.
Darüber hinaus müssen sich Förster und Waldbesitzer viel mehr Gedanken über Waldschutzfragen machen. Weil Schadorganismen sich sehr viel schneller an die Witterung und Wetterextreme anpassen, mit diesen sogar mitunter zunehmen, ist ein konsequenter Pflanzenschutz verknüpft mit waldbaulichen Maßnahmen unabdingbar.