Offensichtlich genügt es nicht, einen Lebensraum zu optimieren, um schützenswerte Vogelarten in ihrem Bestand zu fördern. Dies zeigt sich in der Praxis immer wieder, aktuell in der Medebacher Bucht. Sie befindet sich im östlichen Hochsauerlandkreis unmittelbar an der Grenze zu Hessen. Das dort 2004 ausgewiesene gleichnamige EU-Vogelschutzgebiet (VSG) ist mit rund 14.000 ha das viertgrößte Vogelschutzgebiet in NRW. Doch trotz umfangreicher Bemühungen, den dortigen Lebensraum zu erhalten bzw. durch zahlreiche Maßnahmen zu optimieren, ist es bisher nicht gelungen, den Rückgang der zu schützenden Vogelarten zu stoppen.
In dem im Mai 2019 verabschiedeten Vogelschutzmaßnahmenplan wurde daher auch die Etablierung eines Prädatorenmanagements vorgeschlagen. Denn es gibt Hinweise darauf, dass die Prädation durch Raubsäuger und andere Arten einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Rückgang zahlenmäßig bereits geschwächter Vogelarten hat.
Konzept ist genehmigt
Ziel einer Informationsveranstaltung am Samstag vergangener Woche in Hallenberg war es, alle Beteiligten – insbesondere die Revier- und Jagdscheininhaber – über das geplante Prädatorenmanagement zu informieren. Das Grobkonzept stellte der Berufsjäger Christian Lintow vor. Demnach würden die Reviere aufgrund des Vorkommens an Rebhühnern – das auch die Leitart einer länderübergreifenden Initiative ist – in drei Kategorien unterteilt und entsprechend mit Betonrohr- bzw. Holzkastenfallen „bestückt“. Insgesamt würden laut Lintow rund 180 Fallen benötigt, die dann möglicherweise von einem Berufsjäger betreut würden. Nach sechsjähriger Erfahrung in einem Birkhuhn-Projekt in der Rhön konnte Lintow die mögliche Sorge von Revierinhabern entkräften: „Der Berufsjäger stört nicht.“ Wichtig sei allerdings, dass dieser das Vertrauen der Revierinhaber genießt.
„Das Konzept für das Prädatorenmanagement wurde bereits genehmigt“, informierte Alfons Brocke, Ansprechpartner der Arbeitsgruppe Prädatorenmanagement im VSG Medebacher Bucht. Noch offen sei jedoch die Frage der Finanzierung. Immerhin werden für die Berufsjägerstelle rund 70.000 € veranschlagt, für die Fallen rund 200.000 €. Die Idee ist, das Vorhaben in ein geplantes Naturschutzgroßprojekt mit einzubinden. Dessen Realisierung nimmt allerdings noch zwei bis drei Jahren in Anspruch.
Doch die Zwischenzeit wird genutzt. So wurden bereits vier Fangjagdlehrgänge mit rund 60 Teilnehmern veranstaltet. Gestartet ist zudem bereits ein dreijähriger Fallentest. In fünf Revieren soll herausgefunden werden, welche Fallen sich im Hinblick auf Zuverlässigkeit, „Handling“, Effizienz und Montage am besten eignen, erläuterte der Berufsjäger Karim Abassi. Getestet würden dabei auch verschiedene Fangmelder. Zudem soll das Projekt digital organisiert werden.
Erfahrungen vom Dümmer
Seit 2010 werden im Natura-2000-Gebiet Dümmer umfangreiche Erfahrungen zum Thema Prädatorenmanagement gemacht. Seit 2018 ist dort sogar ein Berufsjäger tätig, der Raubwild und Nutrias mit Falle und Waffe nachstellt. Und seit 2020 gibt es am Dümmer die erste Berufsjäger-Ausbildungsstelle im Artenschutzbereich. „Ein Zukunftsmarkt“, zeigte sich Dr. Marcel Holy, Mitarbeiter bei der Natur- und Umweltschutzvereinigung Dümmer, überzeugt.
Um beim Wiesenvogelschutz Erfolge zu erzielen, sei der Lebensraum wichtig, ebenso aber eine intensive und großräumige Bejagung. Und noch eine Erfahrung wurde am Dümmer in diesem Frühjahr gemacht: Es gibt „Nachrück-Effekte“ durch andere Arten, die die Aufzuchterfolge zunichte machen. Durch die Ausstattung von Küken mit Peilsendern ließ sich nachweisen, dass mehr als 50 % der besenderten Küken von Rohrweihen, Mäusebussarden und Turmfalken aufgefressen wurden. Beim Rebhuhn spiele auch der Habicht eine Rolle, ergänzte Holy. Seitens des Naturschutzes wird darauf mit dem Entfernen „vertikaler Strukturen“, sprich Bäumen und Gehölzen, die den Greifen als Horstbäume und Ansitzwarten dienen, reagiert. Wiesenvogelschutz ist also komplexer als oftmals gemeint. Bezogen auf das Prädatorenmanagement kam Holy zu dem Fazit: „Hier gilt es durchzuhalten – das ist eine Daueraufgabe!“