Wochenblatt-Redaktion: Frau Heinen-Esser, in NRW gibt es mehr als 100 000 ha Kalamitätsfläche. Bislang sind davon nur rund 500 ha mit Mitteln der „Extremwetterrichtlinie“ aufgeforstet worden. Wie bewerten Sie das?
Umweltministerin Heinen-Esser: Zurzeit liegt der Fokus der Waldbesitzer landesweit noch bei der Aufarbeitung des Schadholzes – also der Kalamitätsbewältigung. Wir beobachten aber schon jetzt, dass die Beantragungen für Wiederaufforstungen zunehmen. Ich gehe davon aus, dass die Wiederbewaldung im kommenden Jahr richtig starten wird.
Also liegt es nicht an einer zu komplizierten Förderrichtlinie, wie viele Praktiker meinen?
Sicherlich handelt es sich um anspruchsvolle Anträge, die die Waldbesitzer stellen müssen. Ich habe Verständnis für manch eine Kritik daran. Wir sind stets in enger Abstimmung mit dem Waldbauernverband und schauen, inwiefern sich etwas vereinfachen lässt. Hier haben wir sukzessive nachgebessert. Aber letztlich sind die Fördergelder öffentliche Mittel, sodass wir dem Steuerzahler und den Waldbesitzern gleichermaßen gerecht werden müssen.
Es gibt vielfach Forderungen nach einer flächenbezogenen Förderpauschale für die Aufforstung. Ist das eine Option für Sie?
Das ist tatsächlich eine Option. Wir diskutieren im Moment mit dem Landesbetrieb Wald und Holz eine Umstellung der Förderung, um nochmals Vereinfachungen hinzubekommen. Dabei müssen wir aber bestimmte Anforderungen berücksichtigen, insbesondere unser Waldbaukonzept. Was wir konkret vorhaben, kann ich Ihnen heute noch nicht sagen, aber das System wird deutlich vereinfacht.
Schließt das ein digitales Antragsverfahren ein?
Daran arbeiten wir und planen die Umsetzung für das kommende Jahr.
Auch eine Förderung für Vorwald und dessen Pflege, schließlich ist Pflanzgut schon jetzt knapp?
Wir überlegen, auch in dieser Richtung den Waldbesitzern eine Hilfestellung zu geben. Ziel dabei ist es, Zeit für die Wiederbewaldung eines klimastabilen Mischwaldes mit mindestens vier verschiedenen Baumarten zu gewinnen. Weil Pflanzmaterial schon jetzt knapp ist, ist der Vorwald für uns eine sinnvolle Option.
Im vergangenen Jahr beklagten etliche Waldbesitzer, ihre Förderanträge frühzeitig gestellt und eingereicht zu haben, aber monatelang auf eine Bewilligung gewartet zu haben. Ergebnis: Am Ende war kein Geld mehr da und der Antrag wurde abgelehnt. Droht das wieder?
Meiner Wahrnehmung nach hat sich auch hier die Situation verbessert. Die Forstämter und die Förderstelle bearbeiten die Förderanträge so schnell wie möglich. Aktuell erreichen uns kaum mehr Klagen. Was mir berichtet wird, dass Förderanträge teils unvollständig sind, sodass es hierdurch zu Verzögerungen kommt. Die Fördertöpfe für dieses Jahr sind ausgeschöpft. Wir haben alleine im Rahmen der Förderrichtlinie Extremwetterfolgen in diesem Jahr 66,6 Mio. € bereitgestellt, mit Stand 10. Dezember 2021 wurden 4014 Förderanträge bewilligt – von 4596 eingereichten. Im kommenden Jahr haben wir bereits zusätzliche 55 Mio. € an Fördermitteln eingeplant.
Mitte November kritisierte das ZDF-Magazin „Frontal“ die riesigen Kahlschläge auf Kalamitätsflächen, die Bund und Länder auch noch gefördert haben. Die Situation trifft auch auf NRW zu. Wie sehen Sie das?
Für uns stand und steht der Forstschutzaspekt im Vordergrund. Hier sind wir den Empfehlungen unserer Expertinnen und Experten gefolgt. Die befallenen Fichten mussten aus dem Wald, um die Käferkalamität einzudämmen.
Das flächige Räumen war also richtig?
Es wurde ja nicht überall flächig gerodet. Dort, wo dies der Fall war, haben die Experten dies für erforderlich erachtet, um dem Borkenkäfer Einhalt zu gebieten. Wo immer möglich, müssen aber Totholzanteile auf der Fläche verbleiben, sofern dem keine Gründe des Forstschutzes entgegenstehen.
Die direkte Förderung gilt ab dem kommenden Jahr für alle Zusammenschlüsse in NRW. Obwohl über 75 % einen Antrag gestellt haben, wird schätzungsweise nur die Hälfte zum Jahresbeginn in die direkte Förderung gehen. Fallen die übrigen Waldbesitzer nun durchs Raster?
Viele Anträge wurden sozusagen auf den letzten Metern gestellt. Die Geschäftsstelle Forst bearbeitet diese Anträge schnellstmöglich. Allerdings bitte ich um Verständnis, dass wir hierzu etwas Zeit benötigen. Zugleich liegt in vielen Fällen bereits ein Bewilligungsbescheid vor. Es wird jedoch nicht zu vermeiden sein, dass einige Zusammenschlüsse zu Jahresbeginn noch keinen Bewilligungsbescheid in Händen halten werden. Das ist aber ein hausgemachtes Problem: Wir sprechen nicht erst seit wenigen Wochen über die Förderumstellung, sondern seit Jahren. Hierzu haben wir vielfältige Angebote zur Unterstützung bereitgestellt. Zudem genehmigen wir vielfach den vorzeitigen Maßnahmenbeginn, damit die Zusammenschlüsse auch ohne Bewilligung bereits die gemeinsame Arbeit mit den Forstdienstleistern aufnehmen können.
Die Geschäftsführungen forstlicher Zusammenschlüsse sind schon jetzt mit der direkten Förderung völlig überfordert. Ist eine spezielle Unterstützung für Vorstände geplant – zum Beispiel in den Bereichen Steuerberatung und Buchhaltung – vielleicht auch als Dienstleistung durch den Landesbetrieb?
Unsere Möglichkeiten sind allein aus wettbewerbsrechtlichen Gründen beschränkt. Wir verfügen nicht über Steuerberater, sodass wir diese Dienstleistung gar nicht anbieten können, vor allem auch nicht dürfen. Wir prüfen aber ständig die Erweiterung unserer Dienstleistungsangebote. Daneben bieten wir den Zusammenschlüssen eine Förderung speziell für die Verwaltungsausgaben an, die im Zusammenhang mit der direkten Förderung entstehen.
Die Förderungen laufen längerfristig, das bedeutet Verpflichtungsermächtigungen für die kommenden Jahre. Sind ausreichend Haushaltsmittel vorhanden, um allen die direkte Förderung zu genehmigen?
Für die kommenden beiden Jahre sind ausreichend Haushaltsmittel zur Bewilligung vorhanden. Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, Mittel umzuschichten. Entscheidend ist, dass Verpflichtungen nicht zum politischen Spielball werden. Das bedeutet: Wer eine Förderbewilligung erhalten hat, hat einen gesicherten Anspruch auf die Fördermittel.
Der hoheitliche Förster ist jetzt gleichzeitig Dienstleister: Manche Mitbewerber und Waldbesitzer sehen hier einen Zielkonflikt. Zu Recht?
Die Kritik ist nicht neu. Wir haben bei Wald und Holz NRW eine sogenannte „Chinese-Wall“ eingefügt, mit der die Stabstelle Geschäftsstelle Forst/direkte Förderung als Bewilligungsbehörde vom Rest des Betriebes getrennt wird.
Das heißt konkret?
Dass wir auf der sicheren Seite sind, da es keine Verbindungen zwischen den wirtschaftlich tätigen Bereichen des Landesbetriebes und der hoheitlich tätigen Bewilligungsbehörde für die direkte Förderung gibt.
Analog zu anderen Landesbetriebsleitungen soll auch Wald und Holz NRW eine Doppelspitze bekommen. Wann wird sie eingesetzt?
Angesichts der vielen Aufgaben und Herausforderungen sind mehrere Entscheidungsträger sinnvoll und erforderlich. Unser Ziel ist es, die kaufmännischen und forstlichen Bereiche zu trennen. Wir wollen noch diesen Monat die Vorstellungsgespräche abschließen.
Mit der Doppelspitze muss auch eine Satzungsänderung erfolgen und ein Aufsichtsrat bestellt werden. Wer wird das sein und mit welchen Funktionen?
Hier muss ich Sie noch um ein wenig Geduld bitten; dazu kann ich Stand heute noch nichts sagen.
Zum Schluss noch ein Blick in den Koalitionsvertrag: „Wir stoppen den Einschlag in alten, naturnahen Buchenwäldern in öffentlichem Besitz“, steht dort. Gilt das auch für Landes- und Kommunalwälder in NRW?
Naturgemäß sind die Länder nie so begeistert, wenn der Bund versucht, sich in Länderangelegenheiten einzumischen. Daher empfehle ich, dass der Bund erst einmal bei seinen eigenen Wäldern beginnt, diesen guten Vorsatz umzusetzen. Grundsätzlich freue ich mich, dass die Honorierung von Ökosystemleistungen im Koalitionsvertrag Platz gefunden hat und weiterverfolgt wird. Schließlich kam die Initiative hierzu aus NRW.
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