Herr Schölmerich, in welchem Zeitraum muss der Waldbesitzer wiederaufforsten?
Entsprechend dem nordrhein- westfälischen Forstgesetz müssen Waldbesitzer eine Kahlfläche innerhalb von zwei Jahren wiederaufforsten. Das gilt besonders dann, wenn keine Naturverjüngung zu erwarten ist. Zurzeit ist das Ordnungsrecht diesbezüglich aber ausgesetzt.
Entbinden natürliche Prozesse den Waldbesitzer von der Wiederaufforstungspflicht?
Ja. Ab einem Bestockungsgrad von 0,3 gilt eine Fläche als Wald. Dennoch stellt sich die Frage: Entspricht die Naturverjüngung den Zielsetzungen des Waldbesitzers? Denn erfahrungsgemäß samen sich neben der Fichte vor allem Pioniergehölze wie Birke, Salweide oder Vogelbeere auf Kahlflächen an.
Nach der Holzernte bleibt mitunter viel Schlagabraum übrig. Was und wie viel sollte der Waldbesitzer entfernen – auch hinsichtlich der Waldbrandgefahr?
Flächig Kronen, Reisig und Restholz zu entfernen, ist in der Regel unnötig. Räumen ist biologisch und ökologisch schlecht, zum Beispiel weil gleichzeitig Nährstoffe entzogen werden. Sicherlich ist die Waldbrandgefahr groß, wenn viel Schlagabraum übrig ist. Deshalb sollte insbesondere in der Nähe von Wohnbebauungen Restholz gehackt oder entfernt werden. Waldbaulich gilt: Je extensiver das Wiederaufforstungsverfahren, desto mehr Schlagabraum „darf“ der Waldbesitzer auf der Fläche belassen. Aber auch hier kommt es auf die Ziele des Waldbesitzers an. Schlagabraum und möglicherweise Brombeere erschweren die Bewirtschaftung extrem. Eine Pflanzung auf ganzer Fläche in engen Pflanzverbänden ist unter diesen Umständen kaum möglich. Die Pflanzung von Kleingruppen unter Einbeziehung der Naturverjüngung hingegen schon.
Schließt das auch die Dürrständer ein?
Dürrständer – stehendes Totholz – bedeuten bis zu 30 % weniger Licht, schränken aus Sicht der Unfallverhütung aber das Arbeiten auf der Fläche ein. Sinnvoll ist meiner Meinung nach, schon vorhandene Laubholzinseln unter dem Schirm von Dürrständern wachsen zu lassen. Aber auch hier: Plant der Waldbesitzer eine intensivere Bewirtschaftung, sollten die Dürrständer zumindest gefällt werden, denn erfahrungsgemäß werden Fichtendürrständer nach ein bis zwei Jahren mürbe und damit gefährlich.
Bringt der Schlagabraum auch Vorteile mit sich?
Schlagabraum bedeutet mehr Windruhe für die Pflanzen und Schutz vor Wild. Zudem ist Totholz ein Feuchte- und Nährstoffspeicher. Kronenteile und Reisig unterdrücken auch „ungebetene“ Konkurrenzpflanzen wie Brombeere und Adlerfarn.
Auf Vorwald warten oder frühzeitig handeln und pflanzen – was ist die bessere Strategie?
Unter „Normalbedingungen“ – dazu zählt vor allem ein angepasster Wildbestand – empfehle ich Folgendes: Alle Vorwaldbaumarten mitnehmen, die sich natürlich ansamen. Wo Naturverjüngung zum Beispiel von Eiche zu erwarten ist, lohnt es sich, diese durch kleine Hordengatter zu fördern. Zusätzlich sollte der Waldbesitzer trupp- oder kleingruppenweise weitere standortgerechte Baumarten einbringen, um die Mischung zu erhöhen.
Vielfach wird wieder Fichte aufkeimen – wachsen lassen oder entfernen?
In jedem Fall erstmal wachsen lassen. In der Folgezeit kann der Waldbesitzer die Entwicklung beobachten und gegebenenfalls steuernd eingreifen. Allerdings sollte niemand eine reine Fichtennaturverjüngung durchwachsen lassen. Vorrang hat, vorhandene Mischbaumarten zu erhalten – zulasten der Mehrheitsbaumart. Bei flächiger Fichtennaturverjüngung sollte der Waldbesitzer trupp- oder kleinflächenweise Mischbaumarten einbringen. Je nach Standort kann das zum Beispiel Eiche, Douglasie oder Lärche sein.
Die meisten Vorwaldstrategien beinhalten, später Buche einzubringen. Sie leidet ebenfalls stark unter der Trockenheit, ist das Verfahren darum noch zeitgemäß?
Wir haben landesweit viel Buchennaturverjüngung, die sich aus genetischen Gründen besser auf den Klimawandel einstellen kann als eine Baumschulpflanze. Die Buche verträgt keine Extreme, deshalb sollten für die Pflanzung auf der Freifläche andere Baumarten bevorzugt werden. Eine Pflanzung muss ja gar nicht innerhalb der ersten zehn Jahre erfolgen. Man kann auch eine Baumgeneration warten, erstes Holz ernten und dann etwas pflanzen. Jedenfalls ist das typische Modell, Vorwald wachsen zu lassen und nur Buche einzubringen, nicht mehr sinnvoll. Wir haben gute Erfahrungen damit gesammelt, Kleinstgruppen aus Buche mit einem Ring aus Erle außenherum zu pflanzen. Durch die raschwüchsige Erle entwickelt sich ein Lichtschacht, der durch Beschattung die Feinastigkeit der Buche fördert. Dazu pflanzen wir in einen Kreis mit 3 m Durchmesser zehn bis zwölf Buchen.
Ohne Wald breitet sich Bodenvegetation aus. Während Weidenröschen und Fingerhut vorteilhaft sind, erschweren Adlerfarn und Brombeere eine spätere Anpflanzung. Gibt es Hinweise, frühzeitig zu erkennen, welche Bodenvegetation sich ausbreiten wird?
Adlerfarn entwickelt sich nicht überraschend, sondern ist meist schon am Bestandesrand da. Die Brombeere benötigt in der Regel einige Jahre, um sich zu entwickeln. Das gibt dem Waldbesitzer Zeit zu pflanzen. Zudem „altert“ die Brombeere und verliert an Konkurrenzkraft. Problematischer ist Vergrasung. Während die Drahtschmiele beherrschbar ist, verschlechtert das Landreitgras den Standort deutlich: Es hat denselben Wasserverbrauch wie ein Buchenbestand. Landreitgras kann nur durch Lichtmangel bekämpft werden. Darum hilft nur, frühzeitig in engen Verbänden zu pflanzen.
Wenn sich der Waldbesitzer für die Pflanzung entscheidet: Was ist mittlerweile die beste Pflanzzeit für Laub- und Nadelbäume?
Tatsächlich haben die trockenen Frühjahre die Pflanzung verändert. Ich plädiere schon lange für die Pflanzung von November bis Ende Januar. Wegen der gleichzeitig stattfindenden Holzernte und Jagd ist das aber oft schwer umsetzbar. Mithilfe von Containerpflanzen lassen sich die Pflanzzeiten um einige Wochen verlängern. Keinesfalls sollten Waldbesitzer noch im späten Frühjahr pflanzen. Die Ausfallgefahr durch Wassermangel ist zu groß.
Kleinstgruppen, Horste oder vollflächige Bepflanzung: Welche Begründungsform empfehlen Sie dem Waldbesitzer?
Kleinstgruppen schaffen Struktur, benötigen aber viel Pflege, denn Mischung muss erhalten werden. Eine gemischte Bepflanzung ist auf vorbereiteter Fläche grundsätzlich pflegeleichter. Wie so oft kommt es auf die Eigentümerentscheidung an.
Auf welche Baumarten setzen Sie künftig im Forstamtsbereich oder anders: Welche Baumarten pflanzen Sie wieder an?
Entgegen dem, was ich im Studium gelernt habe, werden wir auch Herkünfte mischen und beispielsweise Eichen aus wärmeren Regionen Deutschlands und Europas pflanzen – das hat im Übrigen in NRW schon Tradition, beispielsweise mit der Slavonischen Eiche. In manchen Bereichen wird die Fichte auch künftig wachsen. Wo sie standortgerecht ist, werden wir sie unterstützen und durch geeignete Mischbaumarten fördern. Ansonsten ist vor allem das Nadelholzspektrum eng. Wir werden Waldkiefern fördern und Weißtannen – wo es schattiger und feuchter ist. Auch Küstentanne und Douglasie werden wir einbeziehen, wenngleich einerseits die Holzqualität hinsichtlich breiter Jahrringe Fragen aufwirft und uns bei der Douglasie Schadorganismen immer häufiger Sorgen bereiten. Zusätzlich werden wir auch auf die europäische Lärche, die Schwarzkiefer und nordamerikanische Arten wie den Riesenlebensbaum und den Mammutbaum zurückgreifen. Eines ist aber klar:
Vorwälder und Kyrillflächen bieten dem Wild viel Schutz. Worauf sollte der Waldbesitzer schon frühzeitig achten?
Bereits vor der Pflanzung sollte der Waldbesitzer die Frage der späteren Bejagung mit in sein Konzept einbeziehen. Ansonsten könnte seine Investition buchstäblich aufgefressen werden. Insgesamt muss der Wildbestand deutlich runter. Dazu braucht man den Willen und die Fähigkeit, mit der geeigneten Infrastruktur wie Bejagungsschneisen effektiv zu jagen. Kleinwaldbesitzer müssen ihre Jagdgenossenschaft auf Trab bringen, um das auch durchzusetzen. Ohne effektive Wildregulierung wird der klimastabile Mischwald keine Realität.
Zur Person:
Uwe Schölmerich ist Leiter des Regionalforstamtes Rhein-Sieg-Erft bei Wald und Holz NRW. Der 64-Jährige studierte Forstwissenschaften an der Universität Freiburg. 1987 wurde Schölmerich die Leitung des Forstamtes Ville in Brühl übertragen, seit 2007 leitet er das Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft.
Der Leitende Forstdirektor ist zudem Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft naturgemäße Waldwirtschaft – Landesgruppe NRW.