- Landauf, landab berichten Revierinhaber, dass bei den diesjährigen Drückjagden kaum Wildschweine vorkommen bzw. nachher auf der Strecke liegen. Und auch über Wildschäden wird seitens der Landwirtschaft weniger geklagt. Können Sie dies bestätigen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Bahr: Diese Feststellungen sind absolut zutreffend. Im Großraum Eifel beispielsweise betrug der Streckenrückgang beim Schwarzkittel bei den bisher durchgeführten Drückjagden etwa zwei Drittel im Vergleich zum Vorjahr. Und wenn man die Streckenergebnisse auswertet, fällt besonders auf, dass ganz überwiegend der Frischlingsanteil an der Jagdstrecke fehlt.
- Es wird viel zu den Gründen gemutmaßt. Werden dem Schwarzwild Nachtziel- bzw. Wärmebildtechnik zum Verhängnis?
Bahr: Da wir im Herbst 2021 vielerorts kaum Baumfrüchte wie Eicheln und Bucheckern in unseren Wäldern hatten, war von vornherein mit deutlich weniger Nachwuchs beim Schwarzwild in diesem Frühjahr zu rechnen.
Das Thema Nachtzieltechnik und Wärmebildtechnik ist eigentlich ein Kapitel für sich. Diese mittlerweile vom Gesetzgeber zugelassene Technik kann natürlich hervorragende Dienste leisten.
Mittels Drohne und Wärmebildkamera kann ich zum Beispiel sehr gezielt im Frühjahr die Jungwildrettung vor den Mähterminen unterstützen. Und natürlich kann Nachtzieltechnik bei zu Schaden gehenden Sauen im Grünland außerhalb der Vollmondphasen hilfreich sein. Allerdings hat diese Technik natürlich auch ein entsprechendes Missbrauchspotenzial.
Wichtig wird sein, dass die Jägerschaft zukünftig nicht dem Trugschluss erliegt, mögliche jagdhandwerkliche Defizite durch welche Technik auch immer ersetzen zu können. Flankierend gilt es da, die jagdliche Weiterbildung auch zu diesen Themen weiterzuentwickeln.
Und wir Jäger sollten darauf bedacht sein, dass wir vereinzelt im öffentlichen Erscheinungsbild mit Tarnkleidung, Nachtzieltechnik, Schalldämpfern oder zum Teil auch militärisch anmutenden Gewehren nicht zu martialisch wirken. Denn nach wie vor gehen wir auf die Jagd im Sinne von nachhaltiger Nutzung natürlicher Ressourcen und nicht auf einen Feldzug gegen das Wild.
- Erwarten Sie wieder Verhältnisse wie in früheren Zeiten, wo in bestimmten Revieren/Regionen gar keine Wildschweine vorkamen?
Bahr: Es ist durchaus möglich, dass das Schwarzwild aus klassischen Niederwildbereichen wie beispielsweise weiten Teilen des Münsterlandes wieder weitestgehend verdrängt werden könnte. Nach meiner Einschätzung und auch sicherlich aus Sicht des Niederwildes ist es in diesen Bereichen im Übrigen absolut entbehrlich.
Schwarzwild als Allesfresser ist wohl so ziemlich das Letzte, was die sowieso unter starkem Prädationsdruck durch Fuchs, Marder, Waschbär, Rabenkrähe und Co. stehenden Bodenbrüter gegenwärtig brauchen. Zusätzlich verstärken Aspekte der Tierseuchenprävention – Stichwort Afrikanische Schweinepest – diese Einschätzung deutlich.
- Könnte auch die extreme Trockenheit in diesem Jahr Einfluss auf die Bestandsentwicklung beim Schwarzwild gehabt haben? Sind Frischlinge im wahrsten Sinne des Wortes verdurstet?
Bahr: Keine Regel ohne Ausnahme, aber allgemein betrachtet glaube ich das nicht. Die Beobachtungen aus dem Mai und Juni haben gezeigt, dass im Wesentlichen nur die ausgewachsenen Bachen Frischlinge bekommen haben. Diese wurden in aller Regel auch zu den normalen Frischterminen im März/April zur Welt gebracht. Die starke Hitze- und Trockenperiode begann in vielen Landstrichen Ende Juni/Anfang Juli. Bis zum Ende der Getreide- und Rapsernte waren die Rahmenbedingungen für das Aufwachsen der Frischlinge also völlig okay. Wären viele Frischlinge verdurstet, wären diese Stücke, die dann ja schon häufig Gewichte wie Rehe haben, sicherlich verstärkt als Fallwild gefunden worden.
- In diesem Herbst gab es viele Eicheln und Bucheckern. Ausreichend Nahrung dürften die Sauen also über Winter haben. Wie schätzen Sie die weitere Bestandsentwicklung ein?
Bahr: Die Jahre mit starker Bucheckern- und Eichelmast haben eindeutig gezeigt, dass damit immer hohe Reproduktionsraten einhergingen. Die Wildschweine können sich mit den sehr eiweißhaltigen Baumfrüchten optimal durch den Winter bringen. In der Folge bekommen nicht nur die älteren Bachen viel Nachwuchs – manchmal sogar zweimal im Jahr –, sondern auch die heranwachsenden weiblichen Stücke sind so gut konditioniert, dass sie sich dann ebenfalls schon an der Reproduktion beteiligen.
Für die Jagd erschwerend kommt hinzu, dass in einem Herbst mit vielen Eicheln und Bucheckern die Schwarzwild-Kirrjagd mit Mais nicht funktioniert, da die Sauen gegenüber dem Mais das natürliche Waldfutter deutlich bevorzugen. Wir werden also im nächsten Jahr in den Revieren mit einem normalen Grundbestand an Schwarzwild wieder deutlich höhere Schwarzwildbestände sehen.
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