Interview

"Politik und Forstverwaltung haben völlig versagt!"

Etliche Forstbetriebe ringen um ihre Existenz. Doch Politik und Forstverwaltungen agieren viel zu schlafmützig, kritisiert Franz Prinz zu Salm-Salm.

Prinz Salm, das Bundesland- und Bundesumweltministerium wollen im kommenden Jahr mit einer „Flächenprämie“ die Bestandes- und Vermögensverluste der Waldbauern kompensieren – mit einmalig 100 bzw. 120 €/ha. Wie bewerten Sie das?

Ich spreche Frau Klöckner einen großen Dank aus. Sie ist die einzige Politikerin, die sofort erkannt hat: Die Situation ist existenziell und erfordert eine unbürokratische Hilfe. Damit kommt aber auch zum Ausdruck, dass Frau Klöckner den Ländern nicht traut, den Forstbetrieben selbst zu helfen. Ein Schadensausgleich ist nach dem Waldschadensurteil von 1989 aber längst überfällig. Doch die Bundesregierung hat gar nichts gemacht. Insofern ist Klöckners Einschreiten endlich ein erstes ehrliches Bekenntnis zum Wald.

Können Sie die Differenzierung aufgrund der Zertifizierung nachvollziehen?

Die Nachhaltigkeitsprämie hat sicherlich Strickfehler. Bei uns in Sachsen-Anhalt beispielsweise läuft die Bevorzugung von FSC unter dem Stichwort „Flasbarth Selfservice Credit“ (Flasbarths Selbstbedienungs-Konto). Weil wir wissen, dass diese Ungleichbehandlung von FSC und PEFC der Staatssekretär im Bundesumweltministerium Jochen Flasbarth durchgeprügelt hat. Das ist in keiner Weise zu rechtfertigen. In Deutschland haben wir ganze 1,2 Mio. ha FSC-zertifizierte Fläche, davon sind 100  000 ha Privatwald, der Rest ist Staatswald. Die FSC-zertifizierten Flächen werden besser ausgestattet, um die Nachhaltigkeitsprämie zu retten, das ist die Wahrheit. Ich finde es ungeheuerlich, wie hier ein Staatssekretär versucht hat, seine Interessen durchzudrücken. Ich bin dankbar, dass Julia Klöckner das durchgehalten hat.

Also ein zufriedenstellendes Ergebnis?

Wie jede Pauschalhilfe ist das Ergebnis „ungerecht“, weil jetzt alle Flächen berücksichtigt werden – ob Schaden oder nicht. Aber wie hätte es anders gehen sollen – auch in Ansehung der Forstverwaltung? Es gibt keinen Weg! Die Verantwortlichen haben jetzt das geschafft, was die letzten 30 Jahre nicht geschafft wurde: eine unbürokratische und angemessene Hilfe, um die Rahmenbedingungen des Waldbaus auf den Weg zu bringen. Diese Soforthilfe war nötig, denn in Sachsen-Anhalt japsen die Betriebe. Wir haben seit drei Jahren Not. Viele Betriebe sind am Ende.

Deshalb: In einer Notsituation so mit den Betroffenen umzugehen, wie es Herr Flasbarth gemacht hat, ist das Verlieren eines Charaktertests. Er hätte es in der Hand gehabt, Ausgleichsmodelle auf den Weg zu bringen und politische Impulse zu setzen.

Mit der Flächenprämie hat Julia Klöckner auch das „Investitionsprogramm Wald“ angeschoben. Ist jetzt die Zeit für Investitionen, ­etwa in Aufarbeitungstechnik?

In vielen Betrieben dürfte das nicht der Fall sein. Die Strukturen sind aber sehr divers. Außerdem: Wenn die Zuschüsse für die Kleinbetriebe bedeuten „Wir, die Politik, sind bei dir“, ist das gut. Ich halte das Programm für absolut richtig. Ich hätte mir aber gewünscht, dass noch mehr Geld auf die Fläche kommt. Wenn für die Gorch Fock 137 Mio. € da sind, für den deutschen Wald aber „nur“ 500 Mio. €, kann man sich deutlich mehr wünschen, weil der deutsche Wald systemrelevant ist.

Sind die Impulse nicht viel zu spät – die meisten Flächen sind bereits aufgearbeitet worden?

Keine Frage, das ist so und hier hat mich besonders die Schlafmützigkeit in NRW erschüttert. Wenn die Landesregierung eine Extremwetterrichtlinie so spät auflegt wie in NRW, ist das verwerflich. Kalamität bedeutet, logistische Großprobleme schnellstmöglich zu bewältigen, damit der Markt nicht kollabiert. Wir haben das Gegenteil erlebt. Nach dem Sturm Friederike haben die Landesvertreter von der Wurzelkonservierung schwadroniert. Sie hätten nach Friederike aber sofort die Aufarbeitung anschieben und das Holz aus dem Wald holen müssen....