Prinz Salm, das Bundesland- und Bundesumweltministerium wollen im kommenden Jahr mit einer „Flächenprämie“ die Bestandes- und Vermögensverluste der Waldbauern kompensieren – mit einmalig 100 bzw. 120 €/ha. Wie bewerten Sie das?
Ich spreche Frau Klöckner einen großen Dank aus. Sie ist die einzige Politikerin, die sofort erkannt hat: Die Situation ist existenziell und erfordert eine unbürokratische Hilfe. Damit kommt aber auch zum Ausdruck, dass Frau Klöckner den Ländern nicht traut, den Forstbetrieben selbst zu helfen. Ein Schadensausgleich ist nach dem Waldschadensurteil von 1989 aber längst überfällig. Doch die Bundesregierung hat gar nichts gemacht. Insofern ist Klöckners Einschreiten endlich ein erstes ehrliches Bekenntnis zum Wald.
Können Sie die Differenzierung aufgrund der Zertifizierung nachvollziehen?
Die Nachhaltigkeitsprämie hat sicherlich Strickfehler. Bei uns in Sachsen-Anhalt beispielsweise läuft die Bevorzugung von FSC unter dem Stichwort „Flasbarth Selfservice Credit“ (Flasbarths Selbstbedienungs-Konto). Weil wir wissen, dass diese Ungleichbehandlung von FSC und PEFC der Staatssekretär im Bundesumweltministerium Jochen Flasbarth durchgeprügelt hat. Das ist in keiner Weise zu rechtfertigen. In Deutschland haben wir ganze 1,2 Mio. ha FSC-zertifizierte Fläche, davon sind 100 000 ha Privatwald, der Rest ist Staatswald. Die FSC-zertifizierten Flächen werden besser ausgestattet, um die Nachhaltigkeitsprämie zu retten, das ist die Wahrheit. Ich finde es ungeheuerlich, wie hier ein Staatssekretär versucht hat, seine Interessen durchzudrücken. Ich bin dankbar, dass Julia Klöckner das durchgehalten hat.
Also ein zufriedenstellendes Ergebnis?
Wie jede Pauschalhilfe ist das Ergebnis „ungerecht“, weil jetzt alle Flächen berücksichtigt werden – ob Schaden oder nicht. Aber wie hätte es anders gehen sollen – auch in Ansehung der Forstverwaltung? Es gibt keinen Weg! Die Verantwortlichen haben jetzt das geschafft, was die letzten 30 Jahre nicht geschafft wurde: eine unbürokratische und angemessene Hilfe, um die Rahmenbedingungen des Waldbaus auf den Weg zu bringen. Diese Soforthilfe war nötig, denn in Sachsen-Anhalt japsen die Betriebe. Wir haben seit drei Jahren Not. Viele Betriebe sind am Ende.
Deshalb: In einer Notsituation so mit den Betroffenen umzugehen, wie es Herr Flasbarth gemacht hat, ist das Verlieren eines Charaktertests. Er hätte es in der Hand gehabt, Ausgleichsmodelle auf den Weg zu bringen und politische Impulse zu setzen.
Mit der Flächenprämie hat Julia Klöckner auch das „Investitionsprogramm Wald“ angeschoben. Ist jetzt die Zeit für Investitionen, etwa in Aufarbeitungstechnik?
In vielen Betrieben dürfte das nicht der Fall sein. Die Strukturen sind aber sehr divers. Außerdem: Wenn die Zuschüsse für die Kleinbetriebe bedeuten „Wir, die Politik, sind bei dir“, ist das gut. Ich halte das Programm für absolut richtig. Ich hätte mir aber gewünscht, dass noch mehr Geld auf die Fläche kommt. Wenn für die Gorch Fock 137 Mio. € da sind, für den deutschen Wald aber „nur“ 500 Mio. €, kann man sich deutlich mehr wünschen, weil der deutsche Wald systemrelevant ist.
Sind die Impulse nicht viel zu spät – die meisten Flächen sind bereits aufgearbeitet worden?
Keine Frage, das ist so und hier hat mich besonders die Schlafmützigkeit in NRW erschüttert. Wenn die Landesregierung eine Extremwetterrichtlinie so spät auflegt wie in NRW, ist das verwerflich. Kalamität bedeutet, logistische Großprobleme schnellstmöglich zu bewältigen, damit der Markt nicht kollabiert. Wir haben das Gegenteil erlebt. Nach dem Sturm Friederike haben die Landesvertreter von der Wurzelkonservierung schwadroniert. Sie hätten nach Friederike aber sofort die Aufarbeitung anschieben und das Holz aus dem Wald holen müssen. Das hat sie nicht gemacht.
Zudem hätten die Landesregierung sofort über das Forstschäden-Ausgleichsgesetz reden müssen. Denn Friederike war kein deutsches Problem, die Schneise zog sich über ganz Mitteleuropa. Hier hat NRW versagt. Die Anpassung des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes erst jetzt auf den Weg zu bringen, ist gelinde gesagt eine Alibiveranstaltung. Es wäre die vornehmste Aufgabe der Forstverwaltung des Bundeslandes mit dem größten Privatwaldanteil gewesen, in dem Moment scharf zu ziehen, mit den Verbänden zu sprechen und zu schauen, wie bekommen wir den Markt in den Griff. Das hätte bedeutet, sich ernsthafte Gedanken zu machen, für den Kleinprivatwald das Holz von Flächen zu holen und in den Markt zu bekommen – weil die Preise natürlich fallen.
Was ist stattdessen passiert?
Das genaue Gegenteil. In der Kalamität ist Zeit Geld. Die Forstverwaltungen mit all ihrem Wissen und Können haben sich allerdings nicht nach der Decke gestreckt. Das war Verwaltungsversagen und auch Politikversagen. Das gilt aber ausdrücklich nicht für die einzelnen Revierförster.
Bleiben wir in NRW: Ministerpräsident Laschet und Umweltministerin Heinen-Esser winken mit millionenschweren Förderpaketen. Konkret wird die Flächenräumung und die Wiederaufforstung mit bis zu 50 000 €/Betrieb gefördert. Inwieweit reicht das Geld aus?
Es reicht deswegen nicht, weil die Umsetzung mangelhaft ist. Es gibt von Forstamt zu Forstamt kein geordnetes und einheitliches Verwaltungsvorgehen. Es ist doch beliebtes Spiel, Fördermittel zu beschließen, diese dann aber bei der Umsetzung kaputt zu machen. Scheinbar ist dieses Problem in NRW virulent, denn die Forstförderung ist auf dem Papier beschlossen, in der Praxis aber nicht handhabbar. Es gibt bis heute keine Behörde in NRW, die effizient eine Förderung von Land, Bund und EU dem Otto Normalverbraucher anschaulich näherbringt und kundenfreundlich in die Hand drückt. Jedes Forstamt macht sein eigenes Spiel. Das bringt die Förster selbst durcheinander und vermittelt den Waldbesitzern, dass die Forstverwaltung es selbst nicht durchblickt.
Ist System dahinter?
Man müsste es fast annehmen, das ist mir aber zu böswillig. Die Forstverwaltung in NRW hat sich in Passivität verstetigt. Sie ist sich nicht bewusst, dass sie kundenfreundlich sein muss, besonders bei der Ausgabe von Fördermitteln. Sie tut fast so, als wäre Förderung eine staatliche Gnadengabe. Zunächst einmal sichert sich der Förderbeamte so ab, dass der Landesrechnungshof keinen Vorwurf erheben kann. Ob bei dem Verfahren etwas Kundenfreundliches rauskommt, ist völlig egal. Die Förderbeamten sind Dienstleister. Der Dienstleistungsgedanke ist bei denen aber nicht angekommen – sonst gäbe es in NRW einheitliche Standards. Bestes Beispiel: Der Schadenausgleich in der „Extremwetterrichtlinie“ ist auf den Ausgleich von Schäden in Nadelholzbeständen ausgelegt, nicht auf Laubholzbetriebe. Ist das Ideologie? Laubholz darf nicht sterben? Oder ist das Doofheit? Wenn es Doofheit ist, umso schlimmer. Denn die Buche stirbt hektarweise ab. Ich kenne Betriebe, dort sind mehr als 300 ha Buche kaputt, trotzdem bekommen sie keine Förderung. Was soll das?
Lässt sich damit die Kalamität nach dem dritten Trockenjahr in Folge stoppen?
Die oberste Forstschutzbehörde ist das Land. Die Aufarbeitung infizierter Bestände muss den Betroffenen auferlegt werden und wenn sie das nicht selbst schaffen – zum Beispiel im Kleinprivatwald –muss das Land helfen. Das ist in NRW selten bis gar nicht passiert. Man hat infizierte Fichtenbestände stehen und den Kleinprivatwaldbesitzer sich selbst überlassen. In Sachsen-Anhalt ist jeder Kalamitätsfläche sofort die Stirn geboten worden, hier in NRW ist zum Teil auch im Staatswald gar nichts passiert.
Nichts gelernt aus Kyrill?
Nein – die Forstverwaltung hat nichts gelernt aus Kyrill!
Was hat das für Konsequenzen für das Landschaftsbild und die Waldfunktionen?
Positiv fällt die Anteilnahme der Bevölkerung am Schicksal der Wälder, aber auch am Schicksal der Waldbauern auf. Das ist die Gelegenheit, Ökosystemleistungen in Wert zu setzen und zu entgelten. Beim CO2-Handel hat die Politik das Thema jetzt endlich aufgemacht und denkt über Ausgleiche nach.
Wie könnten diese aussehen?
Wasserwerke dürfen Wasserschutzgebiete bis zum Pupillengleichstand ausweisen. In NRW sind mehr als 50 % der Wassergewinnungsgebiete im Wald, weil die Wasserqualität dort am besten ist. Aus den Einnahmen kommt beim Waldbesitzer aber nichts an. Das ist nicht nachvollziehbar. Die Gelsenwasser AG rechnet mit 15 Cent/m³ ersparten Aufbereitungskosten, wenn sie Trinkwasser im Wald gewinnen. Es wäre doch ein Leichtes, daraus eine Waldabgabe zu machen, um den Waldbau in der Region zu fördern.
Viele Waldbesitzer setzen vermutlich auf natürliche Wiederbewaldungsprozesse – weil Geld für Investitionen fehlt. Können wir mit dem Konzept den Holzbedarf langfristig decken?
Ich glaube Mischung ist wichtig und richtig. Pauschale Absagen an fremdländische Baumarten verbieten sich meiner Meinung nach. Es gibt keine heimische Baumart, die nicht in irgendeiner Form schwächelt oder unter extremem Stress steht. Dabei sei angemerkt: Auch die Fichte ist eine heimische Baumart. Sie hat sich zum Teil selbstständig über weite Teile Deutschlands verbreitet – das war nicht nur der „böse preußische Förster“. Aber warum hat dieser auf die Fichte gesetzt? Weil der gesellschaftliche Anspruch war, Bau- und Grubenholz zu haben. Der Staat hat verlangt, Fichte und Kiefer aufzuforsten!
Jetzt müssen wir aber Mischwälder auf den Weg bringen – neben den heimischen Baumarten auch mit fremdländischen Arten wie Roteiche, Douglasie, Küstentanne und Schwarznuss. Über die konkrete Baumartenwahl entscheiden der Standort und der Eigentümer. Wir dürfen nicht in pauschale Lösungen flüchten, wie es die Naturschutzverbände gerne tun, indem sie Baumarten kategorisch ausschließen. Pauschalitäten sind ein Ausdruck von Dummheit.
Die Klimaschutzfunktion des Waldes heben Politiker immer wieder hervor, doch berücksichtigen sie diese auch ausreichend?
Stünde die CO2-Bindung im Mittelpunkt, würde die Klimaschutzfunktion des Waldes ausreichend gewürdigt. Wir haben allerdings Zielkonflikte geschürt, besonders zwischen Umwelt- und Naturschutz. Waldstilllegungen sind hinsichtlich des Klimaschutzes und der CO2-Bindung kontraproduktiv. Deshalb muss dieser Zielkonflikt einmal dargestellt werden. Außerdem ist eine Erfolgskontrolle für den Naturschutz bzw. Naturschutzmaßnahmen dringend nötig. Ohne diese Erfolgskontrolle werden wir nie erfahren, ob die geleisteten Maßnahmen geholfen haben oder vielleicht sogar gegen die Ziele des Klimaschutzes abzielen.
Der Klimaschutz ist nur im Kooperationsansatz gut aufgestellt. Klimaschutz funktioniert nur mit den Betroffenen auf der Fläche und hierbei hat die deutsche Politik total versagt. Der Vertragsnaturschutz wird gleich null gelebt. Statt Partnerschaft war die Devise des Umweltbundesamtes stets Kontrolle und Direktive. Das ist ein Versagen der Umweltpolitik, wie es schlimmer nicht sein könnte. Auf dieser Grundlage muss Klimaschutz scheitern.
Viele Schadflächen würden deutlich schneller wiederaufgeforstet, wenn es als Ersatzmaßnahme zum Beispiel für die CO2-Bindung zugelassen würde. Statt den „Heckenpfusch“ zu sponsern, indem Gutachter finanziert werden, um die ökologische Wertigkeit von Hecken entlang von Autobahnen zu bewerten – so ein Mumpitz –, stehen wir vor der kolossalen Aufgabe, im Sauerland Erosion zu vermeiden.
Zum Abschluss der Blick in die Glaskugel: Wie wird der Wald in 30 Jahren aussehen, welches Holz werden wir nutzen und was haben wir aus dieser Kalamität gelernt?
Ich hoffe, dass wir gelernt haben, dass es nur miteinander geht. Der Wald wird deutlich gemischter sein, aber mehr Nadelholzanteile haben, als einige es gerne hätten. Wir werden möglicherweise weniger Fläche zur Verfügung haben, als wir brauchen – allein für die Holzversorgung. Die Motivation zum Aufforsten und Pflegen des Waldes hat derart Schaden genommen, dass künftige Generationen über uns schimpfen werden. Weil Forstwirte aber immer über Legislaturperioden hinausdenken, werden die Schäden wahrscheinlich nicht zu groß sein.
Vielleicht sind einige, die heute meinen, sie wären allwissend, bis dahin demütig geworden. Vielleicht hinterfragen sie, warum sie den Waldbauern vor den Kopf gestoßen haben, statt sie proaktiv mitzunehmen und in Entscheidungen einzubinden.
Ansonsten hoffe ich, dass Personen wie Jochen Flasbarth und Peter Wohlleben in 30 Jahren demaskiert sind.
Zur Person:
Franz Prinz zu Salm-Salm bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb im Kreis Coesfeld sowie einen Forstbetrieb in Sachsen-Anhalt. Als Präsident des Waldbauernverbandes Sachsen-Anhalt vertritt Prinz Salm die Interessen von mehr als 53 000 Waldbesitzern.