Nach dem Sturm Kyrill und erheblichen Windwurfschäden haben Lukas Glasmacher und sein Vater Peter zwei Windwurfflächen von Weihnachtsbaumerzeugern wiederaufforsten lassen. Die Vereinbarung: Als Ausgleich für die Anpflanzung und Kulturpflege dürfen die Weihnachtsbaumproduzenten Nordmanntannen als Nebennutzung anbauen und später ernten. Eigentlich eine pfiffige Idee – doch die Forstbehörde sieht das anders, weshalb jetzt das Gericht entscheiden musste.
Kyrill verursachte 90 ha Schadfläche
Lukas Glasmacher bewirtschaftet einen Forstbetrieb mit 165 ha im märkischen Sauerland. Etwa 90 ha Wald der Familie wurden 2007 beim Sturm Kyrill geworfen. Eine Fläche, die Glasmacher nach der Räumung wiederaufforsten musste mit der Gewissheit, Jahrzehnte lang keinen einzigen Euro erlösen zu können.
Um die Kosten möglichst gering zu halten, setzte der Agraringenieur neben der Pflanzung auch auf natürliche Wiederbewaldungsprozesse – mit unterschiedlichem Erfolg. Denn auf zwei Flächen stellte sich kein Wald ein, sondern überwiegend Brombeere, Ginster und Farnkraut.
Was tun, fragte sich die Familie damals. Zusammen mit seinem Vater kam Glasmacher auf die Idee, mithilfe einer Nebennutzung Aufforstungskosten zu sparen. Das Ziel: Die insgesamt 16 ha mit mehreren Nadelbaumarten durch Dritte wiederaufforsten zu lassen und diesen zu gestatten, daraus Weihnachtsbäume als Nebennutzung in lohnendem Umfang zu ernten. Daraus sollten sich die Wiederaufforstungskosten bezahlt machen, denn eine Förderung aus öffentlichen Mitteln kam für Glasmacher nicht infrage.
Zielsetzung des Waldbesitzers: Ein Hochwald aus Fichten und Küstentannen
Tatsächlich fand Glasmacher interessierte Weihnachtsbaumbetriebe, mit denen der Waldbauer eine entsprechende Abmachung traf. Er sicherte sich vertraglich die Aufforstung des geplanten Betriebszieltyps (Fichte bzw. Küstentanne) zu und gestatte im Gegenzug die Nebennutzung von Weihnachtsbäumen aus der Mischbaumart „Nordmanntanne“. Die Idee: Die bei Weitverbänden vorübergehend beachtlichen Freiräume zwischen den heranwachsenden jungen Bäumen produktiv nutzen, bevor der Dickungsschluss eintritt. Über sein Vorhaben informierte Glasmacher das zuständige Forstamt in Lüdenscheid.
Sieben Jahre nach Kyrill begannen die Arbeiten auf den beiden Waldflächen: Anfang 2014 wurden die Flächen gemulcht und der verbliebene Schlagabraum entfernt. Glasmacher kaufte Pflanzgut – Fichten und Küstentannen – und überlies die zwei Flächen für die Dauer von zehn Jahren verschiedenen Weihnachtsbaumerzeugern.
Diese frästen die Flächen und pflanzten die jungen Setzlinge. Darüber hinaus verpflichteten sich die Weihnachtsbaumerzeuger zum Bau eines rehwildsicheren Zaunes und für dessen Abbau nach zehn Jahren. Die Bestandesbegründung erfolgte mit Fichten bzw. Küstentannen sowie Nordmanntannen zu gleichen Teilen mit einer Pflanzzahl von etwa 6000 Stück/ha. Die Mischung mit der Zielbaumart des Waldbesitzers erfolgte reihenweise. Sollten im Laufe der Jahre Nordmanntannen gefällt werden oder ausfallen, schloss Glasmacher eine Nachpflanzung von weiteren Nordmanntannen in der Vereinbarung aus. Die Weihnachtsbaumerzeuger kümmern sich seitdem um die Kulturpflege. Zwischen den Vertragspartnern bestehen keinerlei Zahlungsverpflichtungen.
Mitarbeiter von Wald und Holz NRW stellten bei Ortsterminen fest, dass die Fläche 1 mit Nordmanntannen und Fichten (jede 2. Pflanze in jeder 2. Reihe) im Verband 1,25 x 1,10 m und die Fläche 2 mit Nordmanntannen und Küstentannen (jede 2. Reihe) im Verband 1,5 x 1,5 m bepflanzt worden war. Die Anpflanzungen waren entsprechen der Vereinbarung mit einem Gatter gesichert.
Wald und Holz NRW: Waldumwandlung!
Im November 2015 wies das zuständige Forstamt den Forstbetrieb Glasmacher dann darauf hin, dass die Bepflanzung in der Form einer Waldumwandlung entspräche und eine entsprechende Genehmigung beantragt werden müsse (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 Landesforstgesetz NRW).
Zu dieser Einschätzung kam Wald und Holz NRW aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes, der intensiven Kulturvorbereitung durch Mulchen und Fräsen, der sehr hohen Pflanzenzahlen mit weihnachtsbaumtypischen Nordmanntannen und des Nutzungsschwerpunktes innerhalb der nächsten etwa zehn Jahre.
Die Forstbehörde nimmt an, dass innerhalb dieses Zeitraums die Flächen nicht als Wald, sondern als Weihnachtsbaumkultur genutzt werden. Eine waldtypische bzw. rein forstwirtschaftliche Kulturanlage auch mit Nordmanntannen würde nach Einschätzung des Landesbetriebs mit viel geringeren Pflanzenzahlen und ohne intensive Bodenbearbeitung durchgeführt. Daher bedürfe es einer befristeten Waldumwandlungsgenehmigung gemäß § 40 LFoG. Ein entsprechender Antrag sei bis zum 15. Januar 2016 zu stellen.
Methode ist gängige Praxis
Für Glasmacher unverständlich. Deshalb nahm er Stellung und erklärte: Er sehe keine Notwendigkeit für die Beantragung einer Waldumwandlungsgenehmigung. Es sei gute waldbauliche und in der forstwirtschaftlichen Literatur anerkannte Praxis, Hochwaldflächen mit einer Vor-,Zwischen- und Endnutzung zu bewirtschaften. Bei Nadelholzkulturen bestehe die Nebennutzung darin, dass Pflanzverbände gegebenenfalls auch unterschiedlicher Nadelholzarten angepflanzt würden, die eine Nebennutzung durch Weihnachtsbäume und nachfolgend eine Zwischen- und Endnutzung durch Hochwaldbestände erlaubten.
Das typische Merkmal dieser Kultur- und Bewirtschaftungsart sei, dass der entscheidende Teil der angepflanzten Bäume nach der Nebennutzung auf der Fläche verbleibt und sich die nachfolgende Bestandespflege am gewählten Betriebszieltyp ausrichtet, so Glasmachers Begründung. Im Gegensatz dazu stehe die Weihnachtsbaumnutzung, die typischerweise dadurch geprägt sei, dass in der Altersklasse zwischen sieben und zehn Jahren der gesamte angepflanzte Bestand entnommen werde. Eine solche Kulturart sei von ihm nicht gewählt worden. Die Entnahme einer gewissen Menge als Nebennutzung für die mögliche Weihnachtsbaumverwertung sei ausdrücklich nur eine Option.
Es werde je nach Marktlage entschieden, ob Nordmanntannen entnommen oder in Hochwald überführt werden. Zudem sei die dargestellte waldbauliche Praxis der einzelnen Nutzungsstufen in der Vergangenheit mit einem Pflanzabstand von 1 x 1,5 m empfohlene Vorgabe der Landesforstverwaltung gewesen.
Auch das Mulchen der Waldflächen ist aus Sicht des Waldbesitzers kein typisches Indiz für die Anlage von Weihnachtsbaumkulturen. Vielmehr habe sich herausgestellt, dass das Mulchen nach einem Windwurf die Kulturpflegekosten nach einer Neuanpflanzung senke und die Kultur einen Vorsprung vor anderen Pflanzen erhalte. Zudem werden die Kosten für die Pflanzung reduziert. Eine Waldfläche habe nur dann den Charakter einer Weihnachtsbaumkultur, wenn sie ausschließlich für den Weihnachtsbaumanbau genutzt werde.
Forstbehörde erteilt Auflagen
Der Landesbetrieb sah das anders und gab per Verfügung im September 2016 einige Bewirtschaftungsauflagen auf. Unter anderem:
- Der Einsatz von Herbiziden ist ausschließlich bei der Gefahr eines Totalausfalles der Kultur (mehr als 60 % der Pflanzenzahl) zulässig und bedarf der vorherigen Anzeige beim Regionalforstamt.
- Es dürfen höchstens 30 % der gepflanzten Bäume zum Zwecke der Nebennutzung entnommen werden. Zudem müsse Glasmacher sicherstellen, dass eine angemessene Stückzahl von etwa 3300/ha Nordmanntannen und 1800/ha Fichten (zusammen etwa 5000/ha, also 70 %) von der ausgehend gepflanzten Stückzahl auf der Fläche verbleiben, die unbehandelt, unbeschnitten und gleichmäßig verteilt in einen Hochwald überführt werden können (dies bezieht sich auf Fläche 1).
- Auf Fläche 2 müsse der Waldbesitzer eine angemessene Stückzahl von 3110/ha (70 %) Nordmanntannen und Küstentannen auf der Fläche belassen.
- Das angelegte Gatter ist nach Kultursicherung, spätestens bei einer Durchschnittshöhe von 1,20 m des Bestandes, abzubauen.
- Falls der Waldbesitzer diese Auflagen nicht einhalte, werde ein Zwangsgeld verhängt.
- Hiergegen klagte Glasmacher im September 2016.
Vor wenigen Wochen wurde der Fall vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg verhandelt (Az. 1 K 4378/16). Die Richter folgten der Auffassung des Landesbetriebs und sehen in der Aufforstungsmaßnahme eine unerlaubte Waldumwandlung. Darum lehnt das Gericht die Klage von Lukas Glasmacher ab.
Die Begründung: Die Waldeigenschaft der betroffenen Flächen endete dadurch (jedenfalls vorübergehend), dass sie durch bzw. auf Veranlassung des Waldbesitzers in Kooperation mit den Weihnachtsbaumproduzenten im Jahr 2014 durch Mulchen und Fräsen bearbeitet, die getätigten reihenweisen Anpflanzungen von Nadelbäumen durchgeführt und diese mit Einzäunungen versehen wurden. Diese Maßnahmen stellen eine genehmigungsbedürftige Waldumwandlung dar.
Glasmacher: Eine Methode, die Kosten spart
Familie Glasmacher teilt die Beurteilung des Gerichts nicht, darum will der Forstbetriebsleiter in die nächste Instanz gehen. Nicht zuletzt deshalb, weil durch Borkenkäferfraß neue Schadflächen entstanden sind, die der 34-Jährige wiederbewalden muss.
Glasmacher hält die Nebennutzung von Weihnachtsbäumen durch Dritte nach wie vor für eine „Win- win-Situation“. Die aus seiner Sicht arg gebeutelten Waldbauern erhalten Unterstützung beim Aufforsten, gleichzeitig würden die stark nachgefragten regionalen Weihnachtsbäume erzeugt – komplett ohne Flächenverbrauch.
Deshalb wünscht sich der Waldbesitzer eine Erlaubnis dieses Vornutzungsmodells im Wege einer Verwaltungsvorschrift des Landwirtschaftsministeriums. So könnte nicht nur er in den kommenden Jahren die Käferflächen kostengünstig wiederaufforsten, ohne Fördergelder in Anspruch zu nehmen. Hier könnte die Landesregierung den Waldbauern effektiv und effizient helfen, meint Glasmacher.
Wald und Holz NRW: Keine klassische Nebennutzung
Marc Messerschmidt, der zuständige Sachbearbeiter bei Wald und Holz NRW, begrüßt das Urteil. Für den Förster ist die Nebennutzung grundsätzlich nicht ausgeschlossen und für geschädigte Forstbetriebe eine lohnende Maßnahme. Aus seiner Sicht sei hier aber nicht mehr von klassischer Nebennutzung auszugehen, besonders wegen des intensiven Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln.
Zudem wird bei forstüblicher Nebennutzung der Bestand über längere Zeit durch die Entnahme schlechter veranlagter Pflanzen vereinzelt, sagt Messerschmidt. Die geplante Nutzung der Weihnachtsbäume führt aber aus Sicht des Försters zum Gegenteil, nämlich zur schlagartigen Entnahme aller gut verkaufbarer Pflanzen innerhalb kurzer Zeit.