Im Wochenblatt Interview steht Ines Kretschmer, Tierärztin im Tierärztlichen Kompetenzzentrum Karthaus, Dülmen, Rede und Antwort.
Wochenblatt: Was ist das besondere an Herpesviren?
Equine Herpesviren Typ 1 und 4 (EHV-1, EHV-4) führen im Pferd zu der Ausbildung einer sogenannten Latenz. Das bedeutet, dass es zu einer „persistierenden“ Infektion kommt, bei der sich die Viren im Nervengewebe und auch in Blutzellen „verstecken“ und von dort – zum Beispiel durch Stress oder andere Begleiterkrankungen – immer wieder aktiviert werden können. Hat sich das Pferd einmal mit einem Herpesvirus angesteckt, bleibt es lebenslang Träger und kann das Virus immer wieder ausscheiden. Ein Großteil der adulten Pferdepopulation ist latent („im Verborgenen“) mit Herpesviren infiziert.
Wie äußert sich eine Herpesvirusinfektion beim Pferd?
Herpesviren Typ 1 und 4 führen am häufigsten zur Erkrankungen der Atmungsorgane (Rhinopneumo-nitis), selten kommt es zueiner Infektion der Geschlechtsorgane (Stutenabort) oder des Nervensystems (Equine Herpesvirus Myeloenzephalopathie = EHM).
Die Symptome bei der respiratorischen Form gehen vor allem mit hohem Fieber einher. Auch kann es zu trockenem Husten und klarem Nasenausfluss kommen. Die Inkubationszeit, also die Zeitspanne von der Ansteckung bis zum Auftreten erster Symptome, ist mit 12 bis 48 Stunden sehr kurz.
Bei tragenden Tieren kann es nach einer Infektion vor allem im letzten Drittel der Trächtigkeit zu einer Fehlgeburt (Abort) kommen. Diese können auch seuchenhaft verlaufen („Abortstürme“). Selten kommt es zu einer Beteiligung des Nervensystems. Betroffene Pferde fallen mit schwankendem Gang und Koordinationsstörungen bis hin zum Festliegen auf.
Wie erfolgt die Ansteckung?
Eine Ansteckung erfolgt meistens durch direkten Kontakt zweier Pferde in Form einer „Tröpfcheninfektion“, zum Beispiel durch Lecken, Beschnuppern oder Husten, durch kontaminierte Gegenstände (Tränken, Tröge, Futtereimer), durch infiziertes Abortmaterial oder durch Menschen (zum Beispiel kontaminierte Hände oder Kleidung).
In der Außenwelt sind Herpesviren nur kurz überlebensfähig und werden schnell beispielsweise durch Sonnenlicht abgetötet. Auch ungeborene Fohlen können durch eine Infektion der Mutterstute bereits vor der Geburt erkranken bzw. es kann zu einer Fehlgeburt kommen. Die Nachgeburt ist dann stark mit Viren kontaminiert und kann somit Quelle neuer Infektionen sein.
Welche Folgen ergeben sich für einen Pferdebetrieb, in dem es zu einem Ausbruch der Erkrankung gekommen ist?
Zeigt ein Pferd Symptome einer Herpesinfektion, sollte dieses umgehend isoliert und der Tierarzt hinzugerufen werden, um diagnostische Tests einzuleiten. Bei den Kontaktpferden sollte ein Monitoring erfolgen, das tägliches Fiebermessen und die Beobachtung von respiratorischen oder neurologischen Symptomen beinhaltet. Alle positiv getesteten und verdächtigen Pferde müssen strikt von den anderen Pferden isoliert werden.
Zudem sind bestimmte Hygienevorschriften (Desinfektion, Schutzkleidung von Stallpersonal) einzuhalten. Gibt es in einem Bestand positiv getestete Herpesinfektionen, sollte der Pferdeverkehr vollständig und der Personenverkehr soweit wie möglich eingeschränkt werden. Positiv getestete Pferde sollten 28 Tage isoliert werden (Quarantäne). Alternativ kann nach 21 Tagen ein erneuter Test erfolgen und das Pferd bei negativem Ergebnis aus der Quarantäne entlassen werde.
Was lässt sich vorbeugend tun?
Die beste Prävention einer Herpesinfektion ist die flächendeckende Impfung. Der Impfstoff besteht aus inaktivierten und vermehrungsunfähigen Erregern und führt zu einem in der Regel nicht länger als sechs Monate anhaltendem Impfschutz.
Geimpfte Pferde sind nicht vollständig immun und können sich nach wie vor mit dem Virus anstecken, die Virusausscheidung wird jedoch deutlich reduziert und die klinische Ausprägung der Erkrankung gemildert. Empfohlen wird eine zweimalige Grundimmunisierung im Abstand von vier bis sechs Wochen und eine Auffrischungsimpfung nach jeweils sechs Monaten. Tragende Stuten sollten im 3., 5. und 7. Trächtigkeitsmonat geimpft werden. Die Stärken der Impfung bestehen nicht in dem Schutz des Einzeltieres, sondern im Erreichen einer Herdenimmunität. Daher ist es essenziell, dass alle Pferde eines Bestandes geimpft werden.
Und wenn in einem Betrieb nicht alle Pferde geimpft sind?
Sind nur einige Pferde gegen Herpesviren immunisiert, kann keine Herdenimmunität aufgebaut werden. Das bedeutet, nicht geimpfte Tiere stellen als Virusausscheider ein Risiko dar, sodass der Infektionsdruck nicht oder nicht vollständig gesenkt werden kann.
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