Weiter ist offen, wie es mit der Wisentherde im Rothaargebirge weitergeht. Bleiben als Alternativen nur das Eingattern der Tiere bzw. deren Abschuss? Und muss vor alledem erst der öffentlich-rechtliche Vertrag gekündigt werden?
Vor Gericht haben die beiden Sauerländer Waldbauern im Streit mit dem Wisent-Verein gewonnen. Doch in der Praxis ist seitens des Vereins seitdem nichts unternommen worden, um die im Rothaargebirge frei laufenden Wisente am Betreten der Grundstücke bzw. am Schädigen der Bäume der Waldbauern zu hindern. Daher wurde dem Wisent-Verein eine Frist gesetzt: Bis zum 19. August sollte er mitteilen, welche Maßnahmen er ergreifen wird.
Die Antwort kam fristgerecht in Form eines Schreibens von Stephan Hertel, Anwalt des Wisent-Vereins. Er teilte mit, dass nur zwei Möglichkeiten verblieben:
- Entweder eine Genehmigung zum Bau eines Aufbewahrungsgatters und zur Betäubung zur Entnahme der Wisente aus der freien Natur oder
- eine tierschutz-, artenschutz- und waffenrechtliche Genehmigung zur letalen Entnahme der Wisente.
Letzteres sei vom Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein jedoch bereits abgelehnt worden, so Hertel.
„Knackpunkt“ Vertrag?
Der Jurist verweist in seinem Schreiben noch auf einen anderen „Knackpunkt“: Sein Mandant, sprich der Wisent-Verein, sei weiterhin Vertragspartner des öffentlich-rechtlichen Vertrages über die „Freisetzungsphase Wisente im Rothaargebirge“ vom 8. April 2013. Eine Umsetzung des OLG-Urteils sei unter Fortführung des Vertrages nicht möglich. Vor der Durchführung „geeigneter Maßnahmen“ sei der Wisent-Verein daher entweder auf eine Anpassung oder die Beendigung des Vertrages durch Kündigung (bei einer Kündigungsfrist von sechs Monaten) angewiesen. Ein entsprechendes Aufforderungsschreiben an die Vertragspartner sei bereits versandt worden.
So oder so wird es wohl Winter werden, bis es im Fall der Wisente weitergeht. Denn wie es im Anwaltsschreiben weiter heißt, sei „ein Einfangen der frei laufenden Wisente aus Tierschutz- und rein praktischen Gründen nur in den Wintermonaten und bei Schnee möglich (...)“, da ein für die Betäubung notwendiges Anlocken der Tiere nur erfolgreich sei, wenn die Wisente das ausgebrachte Futter aufnehmen würden. Zudem könne ein betäubtes Tier im entlaubten Wald und bei angemessener Schneelage auch verfolgt und eingefangen werden. „Es ist unglaublich, wie seitens des Vereins auf Zeit gespielt wird“, kommentierte dies Friedrich von Weichs, Anwalt eines der Waldbauern, und verweist auf eine alte Indianerweisheit: „Steig ab, wenn dein Pferd tot ist.“
Erstaunlich ist, dass die Überführung der Wisente in andere, bestehende Gehege seitens des Vereins gar nicht als Option genannt wird – möglicherweise, weil die frei laufenden Wisente aufgrund des hohen Inzuchtgrades (zu späte Entnahme von Bullen) gar nicht gewollt sind?
Unsichere Allianz
Und wie sicher ist noch die im Schreiben von Hertel erwähnte Allianz zwischen dem Wisent-Verein, dem Kölner Zoo und der Deutschen Wildtierstiftung (DWS)? „Wir sind derzeit nur stille Beobachter“, sagte Dr. Andreas Kinser, Geschäftsführer der DWS, auf Nachfrage. Die gemeinsame Absichtserklärung basiere darauf, dass die Wisente weiter frei leben. „Das war allerdings vor Wirksamwerden des OLG-Urteils“, so Kinser. „Sollten die Wisente in ein Gatter kommen, würden wir die Allianz beenden.“ Ob die DWS noch eine Akteurs-Rolle einnehmen wird, hängt maßgeblich davon ab, wie sich das Land NRW zum Wisent-Projekt positionieren wird.
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