"Insekten sind als wechselwarme Tiere an kalte Wintertemperaturen gut angepasst. Sie haben in der Regel ein besonders winterhartes, also frostunempfindliches Überwinterungsstadium und suchen häufig zusätzlich geschützte Überwinterungsorte auf", sagt Dr. Ralf Petercord vom NRW-Umweltministerium.
Arten, die tatsächlich empfindlich auf kalte Temperaturen reagieren, haben Strategien entwickelt, um die höheren Winterverluste im Frühjahr und Sommer schnell auszugleichen. Das geschieht etwa durch ungeschlechtliche Vermehrung, Lebendgeburt oder verkürzte Entwicklungsphasen. "Die allgemein verbreitete Vorstellung, kalte Temperaturen wären schlecht für Insekten, ist also falsch und beruht auf einer Vermenschlichung der Natur," erklärt der Forstwissenschaftler.
Eichenprozessionsspinner: Im Ei bestens vor Kälte geschützt
Der Eichenprozessionsspinner durchläuft eine Generation pro Jahr und hat damit ein festdefiniertes Überwinterungsstadium. Er überwintert als Eilarve im Ei. Das heißt: Die Entwicklung zur Eilarve wird noch im Jahr der Eiablage abgeschlossen, die Larve schlüpft aber noch nicht, sondern ist bestens auf den Blattaustrieb im Frühjahr vorbereitet. Sie sitzt sozusagen fraßbereit in den Startblöcken. Die Überwinterung im Ei ist für die Eilarve optimal, sie ist bestens geschützt. Die kalten Temperaturen im Februar 2021 waren für den Eichenprozessionsspinner daher völlig unbedeutend. "Die Art konnte perfekt überwintern", fasst Petercord zusammen.
Beim Buchdrucker ist die Situation etwas anders. Auch er besitzt ein perfektes Überwinterungsstadium, das ist der fertig entwickelte Käfer, der in der Rinde oder in der Bodenstreu zudem gut wärmegedämmt ist. Allerdings kann die Art mehrere Generationen im Jahr durchlaufen, sodass zu Beginn des Herbstes auch noch „weiße Stadien“ – Eier, Larven und Puppen – in den Brutbildern unter der Rinde zu finden sind.
Buchdrucker: Winter zu kalt für "weiße Stadien"
Sind die Temperaturen im Herbst noch hoch genug, können sich diese Stadien, insbesondere ältere Larvenstadien und Puppen, noch zu fertigen Käfern entwickeln, bevor der Winter beginnt. Ist der Herbst dagegen kalt, schaffen diese Stadien den Abschluss ihrer Entwicklung nicht mehr und müssen dann als vergleichsweise frostempfindliche „weiße Stadien“ überwintern. Ihr Überleben ist dann direkt abhängig vom Temperaturverlauf im Winter.
Für die frostharten, ausgewachsenen Käfer waren die tieferen Temperaturen allerdings kein Problem. Welche Auswirkungen der Temperaturverlauf im Februar auf die Population des Buchdruckers gehabt hat, ergibt sich also aus dem Anteil der „weißen Stadien“ zu den ausgewachsenen Käfern.Die überwiegende Mehrheit der Buchdrucker waren auch im Winter 2020/21 ausgewachsene Tiere. Die erhöhte Wintermortalität der „weißen Stadien“ ist für die Populationsdichte damit unbedeutend.
Trotz Eisesfrost nur geringe Absterberaten
"In der Beurteilung des Überwinterungserfolges müssen wir beim Eichenprozessionsspinner und auch beim Buchdrucker von geringen Mortalitätsraten ausgehen. Im Frühjahr und Sommer 2021 sind also erneut starke Schäden durch beide Arten möglich", sagt der Waldschutzexperte. Aus seiner Sicht sind Waldschutzmaßnahmen daher dringend erforderlich.