Wolfsgipfel

Fronten bleiben verhärtet

Beim Wolfsgipfel blieb die große Annäherung zwischen Weidetierhaltern und Naturschutz aus. Aber offenbar geht mehr Wolfsregulierung, als Berlin sagt.

Landwirten und Teilen von Verwaltung und Wissenschaft reißt der Geduldsfaden: Die Politik tut nichts, die Wolfspopulation wächst und die Folgen für die Weidetierhaltung werden immer drastischer. Das wurde auf dem Wolfsgipfel der 4D. Digitalagentur und des Deutschen Bauernverbandes (DBV) deutlich.

Das Bundesumweltministerium war als zentrale Stelle für das Wolfsmanagement „auf allen Ebenen“ eingeladen, hat allerdings auf eine Teilnahme verzichtet, sagte der DBV-Umweltbeauftragte Eberhard Hartelt. Dafür habe er kein Verständnis.

Immer mehr Wölfe

Jens Schreinicke, Landwirt und Wolfsbeauftragter des Landesbauernverbandes Brandenburg, berichtete, dass Schätzungen von rund 900 Wölfen in seinem Bundesland ausgehen – das seien doppelt so viele wie in Schweden. Die Landesregierung habe 2022 knapp 4 Mio. € für Prävention und Entschädigungen ausgegeben. Das hat nach Angaben von Schreinicke die Situation aber nicht verbessert.

Auch aufwendigste Prävention führt nach Schreinickes Erfahrung nicht zum Ziel: Vergrämung sei nutzlos, Zäune würden überwunden und auch der empfohlene Esel sei im Ernstfall nur „Ablenkfutter“. Der Landwirt ist überzeugt, dass an Abschüssen und Bestandsregulierung kein Weg vorbeiführt, will man die Weidetierhaltung nicht sukzessive abschaffen. Das Argument, der Wolf sei weiter eine gefährdete Art, lässt Schreinicke nicht gelten. Er verweist auf Studien, die längst einen günstigen Erhaltungszustand belegen.

Rückendeckung bekommt er vom Biologen Prof. Hans Dieter Pfannenstiel. Er stellte fest, dass in den letzten Jahren sowohl der Wolfsbestand als auch Übergriffe und Risse in Deutschland exponentiell gestiegen sind. Präventiver Herdenschutz würde nicht im gewünschtem Maße helfen. Für 100%ige Sicherheit wären Betonfundamente und mehrere Meter hohe Mattenzäune nötig.

Der Erhalt der Offenlandschaft und der dort lebenden Arten hängt ihm zufolge wesentlich von der Fortführung der Weidewirtschaft ab. Die sei aber weder mit Zäunen noch Herdenschutzhunden auf Dauer gewährleistet. Mangels anderer Alternativen plädiert Pfannenstiel daher für „planmäßige und kontrollierte Bejagung“. Die sei übrigens schon heute in Skandinavien und dem Baltikum möglich und von der EU akzeptiert, stellte der Biologe fest. Er fragt sich, warum dies dann in Deutschland nicht möglich sein soll.

Bewegung in Brüssel?

„Wir hatten 2015 in Niedersachsen sechs Wolfsrudel, heute sind allein im Landkreis Uelzen sechs Rudel aktiv“, zeigte der Landrat Dr. Heiko Blume die Entwicklungen auf. Er warnt vor „Schwarz-Weiß-Denken“, plädiert aber ebenfalls für die Entnahme von Problemtieren. Das sei allerdings durch die Anforderungen des neuen Bundesnaturschutzgesetzes nahezu unmöglich. Dr. Blume sieht inzwischen in seinem Landkreis die Stimmung kippen und will nicht ausschließen, dass die Mehrheit in einer Abstimmung für die Wiederausrottung des Wolfs stimmen würde.

Einer Lockerung der Entnahmeregeln steht auch die Einstufung des Wolfs als gefährdete Art in Anhang IV der FFH-Richtlinie im Weg. Hintergrund ist, dass bislang auf staatlicher und europäischer Ebene offiziell kein „günstiger Erhaltungszustand“ des Beutegreifers festgestellt wurde. Nach Darstellung des österreichischen Europaabgeordneten Alexander Bernhuber mauert hier nicht das EU-Parlament, sondern die Kommission.

Wie Bernhuber berichtete, kommt nun aber etwas Bewegung in die Sache, nachdem das Parlament im vergangenen Jahr in einer Resolution die Bewertung des aktuellen Erhaltungszustands für den Wolf gefordert hat. Die EU-Kommission hat daraufhin eine entsprechende Untersuchung angekündigt und fordert nun noch bis zum 5. Mai von den Mitgliedsländern aktualisierte Zahlen zur Größe der Wolfspopulationen und Rissen ein.

Die bayerische Regierung hat im Freistaat gerade (vorerst) Fakten geschaffen, indem sie mit einer neuen Wolfsverordnung insbesondere Vergrämung und/oder Entnahme von auffälligen Wölfen beschleunigen will. Das ist laut Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber nötig, weil effektiver Herdenschutz auf 95 % der bayerischen Almen gar nicht möglich bzw. unrealistisch aufwendig ist.

NABU hält dagegen

Eine Absage erteilte Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), der regelmäßigen Bestandsregulierung. Dabei wähnt er sich aufseiten der deutschen Mehrheit, die laut einer forsa-Umfrage im Auftrag des Verbandes zu 60 % gegen die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht ist. In der Befragung begrüßten angeblich 70 % der Teilnehmer die Wiederansiedlung des Wolfes.

Krüger widersprach auch der Ansicht, dass mit einer Bestandsreduzierung beim Wolf die Zahl der Übergriffe auf Weidetiere sinken würde. Er verweist dazu auf Beispiele aus Frankreich, wo trotz Regulierung jeder Wolf im Schnitt 18 Nutztiere pro Jahr reiße, während die Rissquote hierzulande bei zwei bis drei Weidetieren pro Wolf und Jahr liege. Der Präsident wirbt für die Position des NABU: Förderung von Prävention, Herdenschutz und möglichst unbürokratische Schadensregulierung. Immerhin will sich Krüger der Entnahme von Problemwölfen nicht in den Weg stellen.

Das fordert der Bauernverband

  • Meldung des günstigen Erhaltungszustands des Wolfes an die EU-Kommission.
  • Unverzügliche und unbürokratische Entnahme von „Problemwölfen und -rudeln“ nach geltendem Naturschutzrecht in den Ländern.
  • Ausweisung von wolfsfreien Gebieten, in denen die Ansiedlung des Wolfes verhindert wird.
  • Festlegung einer Entnahmequote und Schaffung eines Bestandsmanagements nach dem Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen. Die Erfahrungen anderer europäischer Mitgliedstaaten sollten hierfür berücksichtigt werden.
  • 1 : 1-Umsetzung aller Spielräume des europäischen Naturschutzrechts in nationales Recht und Schaffung der Grundlagen für eine Regulierung des Wolfsbestandes im Bundesnaturschutzgesetz und im Bundesjagdgesetz.
  • Umstufung des Wolfes von Anhang IV zu Anhang V in der FFH-Richtlinie auf europäischer Ebene, da das hohe Schutzniveau nicht mehr geboten ist.
  • Volle Transparenz über den Wolfsbestand in Deutschland und Umstellung auf ein länderübergreifendes Wolfsmonitoring mit den Nachbarländern.
  • Überarbeitung des Rissbegutachtungsverfahrens in Anlehnung des niedersächsischen Verfahrens, mit Umkehr der Beweislast und ­unbürokratischer Auszahlung von Entschädigungen.

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Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder kündigte einen Verordnungsentwurf an, der auf eine Aufweichung des Schutzstatus von Wölfen abzielt.


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