Regenwürmer bearbeiten den Boden und sorgen damit für bessere Luft-, Wasser- und Nährstoffverhältnisse. Das kommt den Pflanzen zugute. Insgesamt kennen sich aber die meisten Nutznießer kaum mit den „vielseitigen Bodeningenieuren“ aus. Oder wussten Sie, dass es fast 50 verschiedene Arten allein in Deutschland gibt?
Etliche Regenwurmarten
Ein weitverbreiteter Irrglaube ist, dass es nur „den“ Regenwurm gibt. Tatsächlich ist der Name Regenwurm ein Sammelausdruck für zahlreiche Arten: In Deutschland sind 47 bekannt. Unter ihnen ist der Tauwurm der populärste, ein bei Anglern beliebter Köder, dessen abgeplattetes Hinterende typisch ist. Seine einheimischen Verwandten sind der Braune und der Rote Laubfresser. Bei beiden sind die jeweilige Färbung und ihre Lebensweise in der Laubstreu namensgebend. Neben dem Tauwurm gehört der Große Wiesenwurm zu den tiefgrabenden Regenwurmarten – beide können metertiefe Gänge anlegen. Weit verbreitet in Ackerböden ist der unauffällige Gemeine Regenwurm – auch Grauwurm genannt, welcher eine enorme Grabaktivität aufweist. Auf Standorten mit ausreichender Bodenfeuchte ist der Kleine Ackerwurm zu Hause. Im Vergleich zu allen anderen einheimischen Regenwurmarten ist eine mehrfarbige (grünlich bis gelbliche) Form bekannt. Einen noch ungewöhnlicheren Anblick bietet der seltene Smaragdgrüne Regenwurm, der sich durch seine namensgebende Färbung deutlich von seinen Artgenossen abhebt. Der größte Regenwurm in Deutschland ist der Badische Riesenregenwurm – ein sogenannter Endemit, der bis zu 60 cm lang wird. In durch die Landwirtschaft geprägten Böden sind um die zehn Arten anzutreffen, wenngleich an einem Standort oft nur ein bis vier Arten vorkommen.
Vier Lebensformtypen
Regenwürmer lassen sich nach ihrer Lebensweise ökologischen Gruppen zuordnen: sogenannte Lebensformtypen. Die Streubewohner sind in Mulch oder Streu zu finden und ernähren sich von verrottenden Pflanzenresten. In Komposthaufen oder anderem, intensiv verrottendem organischen Material findet man oftmals Kompostwürmer. Streubewohner und Kompostwürmer legen keine Gänge im Mineralboden an und haben daher keinen direkten Effekt auf die Bodenfruchtbarkeit landwirtschaftlich genut-zter Böden.
Die Mineralbodenbewohner hingegen schaffen ein horizontales Gangsystem im Oberboden, weshalb man auch von Horizontalgräbern spricht. Die Gänge werden mit Kot verfüllt und unentwegt neu gegraben. Schließlich sind Nahrungsaufnahme und Grabaktivität derart eng miteinander verbunden, dass sie sich zur Ernährung unentwegt durch den Boden fressen müssen. Dabei nehmen sie unterschiedlich stark zersetzte organische Substanz und lebende Organismen auf.
Die Tiefgräber dagegen legen dauerhafte und vertikal verlaufende Gänge an, welche tief in den Unterboden reichen. Ihr Hauptgang endet in permanent feuchten Bodenbereichen. Somit können sich diese Regenwürmer bei zunehmender Bodenaustrocknung in feuchtere Bereiche zurückziehen. Über die Gangöffnung an der Bodenoberfläche werden Pflanzenreste eingezogen und als Nahrung genutzt.
Fruchtbare Böden
Die Grabaktivität der Gänge bauenden Regenwurmarten lockert und durchmischt den Boden. In der Folge entsteht eine Bodenstruktur mit günstigen Luft-, Wasser- und Nährstoffverhältnissen. Konkret wird der für eine günstige Bodenluftzusammensetzung wichtige Gasaustausch zwischen Boden und Atmosphäre verbessert. Die großen, fast senkrechten Gänge der Tiefgräber bewirken auch eine schnelle Einleitung von Regenwasser in die Tiefe. Das verhindert oberflächigen Wasserabfluss sowie Erosion. Darüber hinaus wird die Gesamtmenge der Pflanzennährelemente des gefressenen Bodens pflanzenverfügbar im Regenwurmkot konzentriert. Ferner werden stabile Ton-Humus-Komplexe gebildet. Diese Verbindungen entstehen im Darmtrakt, indem organische und mineralische Bestandteile miteinander verbunden werden. Sie widerstehen Druckeinwirkungen und Erosion. Außerdem werden verdichtete Pflugsohlen von Tiefgräbern erschlossen und Pflanzen nutzen diese Gänge als „Wurzelautobahnen“ zum Einwurzeln in tiefere Bodenbereiche. Wesentliche Leistung ist die Einarbeitung von Ernterückständen durch die Tiefgräber und das Vermischen der organischen Substanz durch die Horizontalgräber. Sie sorgen so für eine natürliche Anhebung des Humusgehaltes, wodurch die Nährstoffverfügbarkeit und das Wasserspeichervermögen des Bodens verbessert werden. Außerdem werden so Pflanzenpathogene wie Schadpilze der Gattung „Fusarium“ reduziert. Daher lohnt es, den Regenwurmbesatz auf seinen Flächen wertzuschätzen und zu fördern. Eine regenwurmfördernde Bewirtschaftung ist beispielsweise der Anbau von Zwischenfrüchten sowie eine reduzierte Bodenbearbeitung.
Vom Schädling zum Nützling
Anfang des 19. Jahrhunderts galten Regenwürmer als bodenbürtige Pflanzenschädlinge und wurden scharf bekämpft. Besonders durch die Arbeit des englischen Naturforschers Charles Darwin änderte sich diese Sichtweise. Sein von Wissenschaftlern als Gründungswerk der Bodenbiologie gewürdigtes Buch über „Die Bildung der Ackererde durch die Thätigkeit der Würmer mit Beobachtungen über deren Lebensweise“ erschien 1881. Dieses „Regenwurmbuch“ beinhaltete Darwins langjährige Beobachtungen und war ein Bestseller seiner Zeit.