Die Idee sich bei der Wiederbewaldung „Mutterstöcken“ zu bedienen, kann dabei helfen, Pflanzen und Geld zu sparen. Die Stockachselpflanzung ist ursprünglich auf Hochgebirgs- und Hangwälder ausgerichtet, wo ein Schutz der jungen Bäume gegen Schnee eine große Rolle spielt. Aber auch auf Kahlflächen durch den Borkenkäferfraß können die Fichten-Mutterstöcke hilfreich sein. Das hier vorgestellte Praxisbeispiel aus der Fürstlich Waldeckschen Hauptverwaltung geht von bis zu 2,5 m hohen Mutterstöcken aus – Stocklängen, die in vielen Fällen ohnehin durch Rotfäule geschädigt sind.
Vorteile für die Pflanze
Mehr Wasser: Die Pflanze in der Stockachsel bekommt zusätzlich zum Niederschlag auch den Schlagregen ab, der am Stamm herunterläuft. Das bedeutet für die Pflanzen mehr verfügbares Wasser. Der langsam verrottende Wurzelstock dient zudem wie ein Schwamm und ist eine guter Wasserspeicher. Dadurch kann er Regenwasser über einen längeren Zeitraum kontinuierlich abgeben.
Verdunstungsschutz: Durch den Wanderschatten der Stöcke ist die Temperatur des Waldbodens wesentlich geringer, als auf einer abgeräumten Freifläche. Durch den Schatten erleiden zudem weniger Pflanzen Hitzeschäden infolge direkter Sonnenstrahlung. Weil durch die Mutterstöcke auch die Windruhe auf der Fläche zunimmt, sinkt die Verdunstungsrate ebenfalls. Besonders die Douglasie, die im Kulturstadium als „Mimose“ gilt, ist für Windruhe dankbar. Der sich frühmorgens an den Schattenseiten der Mutterstöcke anhaftende Tau bildet ein feuchtes Milieu für die Jungpflanze – anders als auf unbeschatteten Flächen.
Besserer Standort: Die Wurzeln der abgestorbenen Bäume haben den Boden für die Jungpflanzen auf natürliche Weise vorbereitet: Er ist vorgelockert. Indem die Jungpflanze die verrottenden Wurzelkanäle der Mutterstöcke ausnutzt, können sie schneller den Mineralboden durchwurzeln. In den Stockachseln ist durch Wind-, Laub- und Schlagregeneintrag eine humose Bodengare entstanden, die beste Anwuchsbedingungen bietet. Weil die Jungpflanzen schneller einen größeren Raum durchwurzeln können, als bei einer herkömmlichen Pflanzung, können sie sich besser im Boden verankern. Das hat eine höhere Stabilität und Standfestigkeit zur Folge, die sich bis in höhere Altersphasen hinein fortsetzt.
Nährstoffdepot: Die Nährstoffe und Mineralien des langsam verrottenden Mutterstockes werden mit der Zeit pflanzenverfügbar und stehen den jungen Pflanzen wie ein Depot zur Verfügung.
Förderung der Naturverjüngung: Die Mutterstöcke bieten Vögeln Anflug- und Landemöglichkeiten, wodurch die natürliche Verbreitung von Nebenbaumarten wie beispielsweise der Vogelbeere enorm gefördert wird.
Leichtere Kulturpflege: Die bis zu 2,5 m hohen Mutterstöcke markieren über mehrere Jahre hinweg deutlich erkennbar die Standorte der Hauptbaumarten. Übliche Freischneideverluste können auf diese Weise verhindert werden.
Wurden trupp- und gruppenweise Mischbaumarten angepflanzt, sind die Grenzen durch die Mutterstöcke besser nachvollziehbar. Unterstützend lassen sich die Stöcke farbig kennzeichnen.
Wildschutz: Wegen der geringen Pflanzenzahl der Hauptbaumarten und dem Bestockungswechsel von Fichte hin zu klimastabilen Baumarten wie Weißtanne, Küstentanne oder Schwarznuss ist der Verbissdruck sehr hoch. Wenn ein Einzelschutz mit Wuchshüllen nötig ist, kann der Waldbesitzer diese einfach an die Stöcke krampen. Das spart Robinienpfähle und Befestigungsmaterial. Trupp- und gruppenweiser Flächenschutz ist auf diese Weise preiswert. Mit den Mutterstöcken als Pfähle genutzt, lassen sich auch beim flächigen Schutz durch einen Zaun Kosten sparen.
In Rotwildgebieten stellen die Stöcke in Verbindung mit einer Drahthose einen sehr stabilen und kostengünstigen Schlag- und Verbissschutz dar. Auch für Rehböcke sind die Jungpflanzen schwieriger zu fegen, wenn sie eng in die Wurzelstockachseln gepflanzt wurden. Nicht zuletzt fördern die Mutterstöcke als Ansitzmöglichkeit für Greifvögel die Mäusebekämpfung auf der Fläche.
CO2-Bilanz und ökologische Nutzen: Durch die Mutterstöcke ist die CO2-Bindung höher als auf geräumten Flächen. Zudem bleibt es noch lange auf den Flächen gebunden. Eine Standzeit der Stöcke von 15 Jahren ist in der Praxis realistisch.
Viele zersetzende Organismen wie Pilze und Insekten finden an den langsam verrottenden Mutterstöcken Lebensräume und bieten eine Nahrungsgrundlage für Vögel und die weiterreichenden Nahrungsketten im Wald.
Vorsicht: Rüsselkäfer
Generell stellt der große braune Rüsselkäfer unabhängig von der verbleibenden Stockhöhe auf Fichtenschadflächen mit einer nachfolgenden Nadelholz-Zielbestockung eine Gefahr dar. Er lebt und vermehrt sich in frischen Baumstöcken und kann junge Nadelbäume komplett vernichten. Nach einer Wartezeit von drei Jahren bieten die Mutterstöcke für ihn jedoch keine Lebensgrundlage mehr. Die Mischung mit Laubholz senkt das Risiko von Rüsselkäferbefall.
Kultur clever planen
Fichten-Mutterstöcke bei der Wiederbewaldung zu nutzen, ist ein Versuch, schnell und günstig einen klimastabilen Wald zu begründen. Die Methode hat viele Vorteile, erfordert aber eine exakte und strategische Planung. Beabsichtigt der Waldbesitzer zum Beispiel eine Kultur mit Küstentanne und Douglasie im Verband von 4 x 4 m, sind 625 Pflanzplätze/ha nötig. In etwa diesem Raster sollten die Fichten-Mutterstöcke auf der Fläche verbleiben, in ihre Stockachseln werden zur Wetterseite hin die Jungpflanzen gesetzt.
In den Folgejahren kann Naturverjüngung übernommen oder weitere Baumarten eingebracht werden. Je nach Standort bieten sich verschiedene Optionen an: Beispielsweise Buche, Eiche und Roteiche sowie Fichtennaturverjüngung als Zeitmischung. Wer die Baumarten reihenweise oder kleinörtlich konzentriert pflanzt, erleichtert sich später nötige Pflegemaßnahmen.