Nachdem die vergangenen Frühjahrs- und Sommermonate kaum Regen mit sich brachten, hat sich die Schadfläche bundesweit inzwischen auf mehr als 250 000 ha vergrößert. Entstanden ist diese seit Beginn 2018 durch Stürme, extreme Dürre und Borkenkäferbefall. Mit mehr als 70 000 ha bzw. 7,5 % der Waldfläche ist Nordrhein-Westfalen besonders stark betroffen. Mit den Schadflächen sind nicht nur große wirtschaftliche Schäden verbunden – auch wichtige andere Leistungen des Waldes verschlechtern sich deutlich.
Besonders gilt das für den Wald als Klimaschützer, doch auch die Bedeutung für Wasserhaushalt und Bodenschutz ist spürbar beeinträchtigt.
Vierfacher Beitrag
Mit der Produktion von Holz trägt die Forstwirtschaft gleich viermal zur Minderung von Treibhausgas-Emissionen und damit aktiv zum Klimaschutz bei:
mit dem Waldspeicher,
über den Holzproduktspeicher,
im Ersatz energieaufwendiger Materialien sowie als Lieferant nachwachsender Energie.
Mit jedem Kilogramm Holz, das zuwächst, entzieht der Wald der Atmosphäre rund 2 kg CO2. Dies geschieht in unterschiedlichem Ausmaß, was vor allem von Baumart und Alter der Bestände abhängt. Die Abbildung zeigt für wichtige Baumarten, wie lange es ungefähr dauert, bis aufaddiert von der Bestandesbegründung an durch den Zuwachs bestimmte CO2-Mengen gebunden wurden. Die kürzesten Zeiträume benötigt die Douglasie, bei der Buche dauert es jeweils am längsten. Dieser Sachverhalt sollte bei der bevorstehenden Wiederaufforstung nicht außer Acht bleiben.
Aber nicht nur oberirdisch bindet der Wald Kohlenstoff. Waldböden werden durch die forstliche Bewirtschaftung nur wenig gestört; sie können daher über lange Zeiten hinweg Kohlenstoffvorräte aufbauen und diese auch speichern. Das wird vielfach übersehen.
Klimakiller „Kahlfläche“
Auf den großen Freiflächen und in den abgestorbenen Wäldern ist diese CO2-Speicherung jetzt abrupt unterbrochen worden – so wie bei riesigen Kahlschlägen. Auch wenn die Wiederaufforstung oder natürliche Verjüngung unverzüglich starten: Es wird viele Jahre dauern, bis die neuen Wälder wieder nennenswert CO2 speichern. Das liegt am enormen Ausmaß der Schadflächen, denn zu einer kurzzeitigen Freilage kleinerer Waldflächen kommt es im Wald auch sonst.
Was bedeutet das überschlägig für die Schadflächen in NRW? Vor allem Nadelwälder sind betroffen, ab mittlerem Alter bei generell hohem Zuwachs – und entsprechend hoher CO2-Bindung.
Die Niedersächsischen Landesforsten setzen in ihrem Gemeinwohlbericht die CO2-Bindung für mittelalten, durchschnittlich aufgebauten Wald mit 10,6 t CO2 je Hektar und Jahr an. Das wären für NRW zumindest für das kommende Jahrzehnt rund 740 000 t CO2, die pro Jahr weniger gespeichert werden.
Wie ließe sich das ausgleichen? In dieser Größenordnung zum Beispiel durch den fast vollständigen Verzicht auf Individualverkehr in Düsseldorf.
Für den Klimaschutz durch Wälder ist neben dem Waldspeicher der langfristige Speicher in den Holzprodukten bedeutsam. Diese Wirkung wird durch das Stehenlassen von Totholz nicht erreicht, da mit Beginn des natürlichen Zerfalls das in den Bäumen gebundene CO2 wieder freigesetzt wird.
„Substitutionseffekt“
Eine weit größere Bedeutung für den Klimaschutz hat die Verwendung von Holz anstelle von Materialien, deren Herstellung fossile Energie in erheblichem Maße benötigt (zum Beispiel Stahl, Ziegel, Beton). Das gilt außerdem für die Nutzung als Energiequelle anstelle von Öl und Kohle. Am höchsten punkten hier Nadelhölzer durch ihre vielseitige Verwendbarkeit.
Die Bäume, die auf den Schadflächen standen, fast ausnahmslos Nadelhölzer, sind hier aus Mangel an Qualität nur eingeschränkt brauchbar; wo sie vertrocknet stehen bleiben, fallen diese wichtigen Leistungen überhaupt weg. Wie stark diese Beiträge zum Klimaschutz in NRW durch die Schadflächen gemindert werden, ist aufgrund fehlender Berechnungen nicht bezifferbar. Angesichts von mehr als 16 Mio. Kubikmeter Schadholz dürfte das Ausmaß gewaltig ausfallen.
„Wald weg – Humus weg – Nährstoffe weg“, so die Überschrift eines Berichts zu den Folgen von Kyrill in den Bergen bei Berchtesgaden. Infolge der Großflächigkeit der Schäden werden die Auswirkungen auch in NRW sichtbar werden. Das Fehlen des Kronendachs, seiner Beschattung und Verdunstung, führt zu deutlich höheren Temperaturen und einem erhöhten Wasserangebot auf den Schadflächen. Das begünstigt die Mikroorganismen in der obersten Bodenschicht, die beginnen, den Humus abzubauen. Dadurch werden verstärkt Nährstoffe freigesetzt. Da die Bodenvegetation auf den Freiflächen zunächst nur spärlich vorhanden ist, kann sie dieses Nährstoff(über)angebot nicht aufnehmen. Ein großer Teil davon geht deshalb mit dem Sickerwasser verloren. Damit gelangt für einige Jahre verstärkt Nitrat in das Grundwasser.
Wasser filtern, Wasser zurückhalten, Wasser liefern, diese Leistungen intakten Waldes sind auf den Schadflächen auf Jahre beeinträchtigt. Gleichzeitig wird beim Humusabbau CO2 freigesetzt, aus dem Bodenspeicher wird vorübergehend eine Kohlenstoffquelle.
Die Hochwassergefahr steigt
Nicht nur von den Freiflächen, auch aus den großen Borkenkäferflächen droht eine Zunahme von Hochwassern. Das zeigen beispielsweise Untersuchungen aus dem Nationalpark Bayerischer Wald. Ab einem Flächenteil abgestorbener Fichtenbestände von 20 % stieg der Abfluss der untersuchten Bäche, weil die Verdunstung im Einzugsgebiet zurückging. Die Analyse eines Hochwasserereignisses 2004 ergab, dass der gesamte Hochwasserabfluss im stark betroffenen Bereich (88 % Totholz) dreieinhalb mal so hoch war wie im schwächer geschädigten Gebiet (42 % Totholz). Das bedeutet Folgen zumindest im Sauer- und Siegerland.
„Forestry for Future“
Klima-, Wasser- und Bodenschutz, wichtige Ökosystemleistungen des Waldes sind in NRW auf fast 8 % der Waldfläche durch ausgedehnte Schadflächen auf Jahre beeinträchtigt – andere Leistungen ebenso. Eine rasche Wiederbewaldung der Flächen ist daher oberstes Gebot. Wer die geschädigten Wälder wieder instandsetzen, wer „Forestry for Future“ will, der muss auch bereit sein, das nötige Geld dafür in die Hand zu nehmen.