Der Bundesgerichtshof urteilte in folgendem Fall: Jagdpächter nutzten einen Feldweg zwischen Dorf und Wald regelmäßig, um ihren Hochsitz zu erreichen. Vor über 30 Jahren hatte ihr Vorgänger mit Einverständnis der Gemeinde den Weg abgesperrt, um eine Ruhezone für das Wild zu schaffen. Die Sperre bestand aus zwei waagerechten, zwischen Holzpfosten gespannten Stacheldrähten.
Vollbremsung und Überschlag
Hier verunglückte 2012 ein Bundeswehroffizier bei einer Mountainbike-Tour. Weil er die Drähte zu spät bemerkte, vollzog er eine Vollbremsung und überschlug sich. Kopfüber stürzte der Radfahrer über das Hindernis und zog mit Klickpedalen das Rad hinter sich her. Nach zwei Stunden fand ein Jagdpächter den Mann, der hilflos an der Absperrung hing, und alarmierte Rettungsdienst und Polizei. Seither ist der Offizier querschnittgelähmt und pflegebedürftig.
Er und sein Dienstherr, die BRD, forderten von der Gemeinde und von den Jagdpächtern Schadenersatz und Schmerzensgeld: Sie hätten die Absperrung nicht bauen bzw. stehen lassen dürfen. Die Wegsperre sei wegen der schlecht sichtbaren Drähte für Radfahrer eine gefährliche Falle. Das Oberlandesgericht Schleswig stimmte dem zu, nahm aber ein überwiegendes Verschulden des Bikers an.
Doch der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf. Dass der Offizier nicht rechtzeitig anhalten konnte, belege in so einer Situation nicht, dass er zu schnell gefahren sei. Nichts deute an dieser Stelle des Weges auf ein tückisches Hindernis hin. Die Stacheldrähte erkenne man erst kurz davor. Zusätzlich erwecke das seitlich an der Absperrung angebrachte Verkehrszeichen (Sperrschild für Kraftfahrzeuge) den Eindruck, für Radfahrer sei der Weg frei.
Jagdpächter haben Verkehrssicherungspflicht
Wollte man von Radfahrern verlangen, ihre Geschwindigkeit auf solche Hindernisse einzustellen, müssten sie immerzu im Schneckentempo fahren. So plötzlich mit einer Gefahr konfrontiert, habe der Radfahrer keine Zeit, ruhig zu überlegen. Auf einem für Radfahrer zugelassenen Weg dürfe man keine Drähte quer spannen, es sei denn, sie würden auffällig markiert. Daher seien die Gemeinde und die Jagdpächter für den Unfall verantwortlich.
Letztere hätten mit der Jagdpacht das Recht erworben, das Drahthindernis zu benutzen. Mit dem Recht hätten sie aber auch die Verkehrssicherungspflicht für das Hindernis übernommen (Az. III ZR 250/17).