Die Bedeutung des Ökosystems Wald angesichts des Klimawandels wird seit Jahren immer deutlicher – ebenso jedoch die Herausforderungen für den Wald durch Trockenheit, Feuer und Schädlinge. Unter der Überschrift Waldentwicklung wird derzeit diskutiert, wie ein robuster (resilienter) Wald in Deutschland entstehen kann. Ein wichtiger Faktor in dem Zusammenhang ist der Wildtierbestand und die Frage des Wildtierverbisses. Daher befasste sich die Villigster Waldtagung am vergangenen Wochenende in Schwerte mit dem Konfliktfeld Wald und Jagd. Eingeladen hatten die evangelische Akademie Haus Villigst und die Natur- und Umweltschutzakademie NRW.
Absterben der Fichten-Monokulturen
Mit Spannung erwarteten die rund 80 Teilnehmern insbesondere eine Podiumsdiskussion mit Vertretern, die im „Wald-Wild-Konflikt“ entscheidende Gruppen der Gesellschaft vertreten: Nicole Heitzig (Präsidentin Landesjagdverband NRW), Frank-Christian Heute (Vorsitzender des Ökologischen Jagdverbandes NRW), Eberhard von Wrede (stellvertretender Vorsitzender des Waldbauernverbandes NRW) Dr. Dirk Louy (Leiter Oberste Jagdbehörde NRW) und Holger Sticht (Landesvorsitzender BUND NRW).
Letzterer machte bereits in seiner Vorstellung deutlich, woran es seiner Meinung nach vor allem krankt – dass es statt natürlicher Wälder hierzulande kaum noch vom Mensch unbeeinflusste Wälder gibt. Über das Absterben unnatürlicher Fichten-Monokulturen könne man da nur froh sein. Die waldbaulichen Antworten der Landesforstverwaltung auf diese Herausforderungen sind nach Ansicht des BUND-Vorsitzenden in NRW absolut verfehlt.
Bejagung kommt Schlüsselrolle zu
Von Wrede vertrat die Positionen der privaten Waldbesitzer, denen in NRW rund zwei Drittel aller Wälder gehören. Zur Steuerung der Waldentwicklung auf den „Sukzessionsflächen“ – laut von Wrede nach Kyrill 30 %, in der aktuellen Krise rund 50 % der gesamten Waldfläche – käme der Bejagung des Schalenwildes, besonders der Rehe, eine Schlüsselrolle zu.
Frank-Christian Heute beklagte die nahezu im ganzen Land stattfindende Entmischung der natürlich auflaufenden Wiederbewaldung (Naturverjüngung), für die besonders zu hohe Rehwild-Dichten verantwortlich seien.
Rund 10% mehr Reh-Abschüsse
Nicole Heitzig warb für den „nordrhein-westfälischen Weg“, zu dem sich der Landesjagdverband (LJV) mit Nutzerverbänden wie dem Waldbauernverband 2020 zusammen geschlossen hat. Die Jäger in NRW wollen die Waldbesitzer etwa durch erhöhte Schalenwildabschüsse rund um die Wiederbewaldungsbereiche unterstützen. Dass diese Absicht nicht nur auf dem Papier stünde, könne man etwa an den landesweit rund 10 % höheren Reh-Abschüssen der vergangenen Jahre belegen. Zu einem echten Miteinander mit besserem Verstehen der Anliegen der jeweils anderen Seite sind nach Heitzigs Ansicht regelmäßige gemeinsame Revierbegänge von Waldbesitzern und Jägern unverzichtbar.
Ausbildung anpassen
Dr. Dirk Louy, Vertreter des NRW-Umweltministeriums, setzte sich für eine Steigerung bei der Qualität der Jägerausbildung ein. So werde derzeit der Fragenkatalog zur Jägerprüfung aktuellen Herausforderungen angepasst.
Sticht lieferte bei der Suche nach Lösungen zwischen Jagd und Waldbesitz recht eigenwillige Vorschläge: Seiner Meinung nach dürften etwa bei der richtigen Mischung Baumarten wie die Douglasie, die er nur „Neophyten“ nannte, keine Rolle spielen. Der Naturschützer begrüßte ausdrücklich die Möglichkeit, dass Grundbesitzer unter bestimmten Voraussetzungen Bejagung auf ihren Flächen generell untersagen könnten – ein Modell, das vielerorts trotz unbejagter „Huftiere“ zu wunderbar wachsenden Mischwäldern führe…
Wald-Wild-Symposium
Für Heitzig ist der besonders in diesen Zeiten nötige intensive Austausch zwischen Jägern und Waldbesitzern alternativlos. Der LJV werde noch im laufenden Jahr seine Bemühungen um diesen Dialog intensivieren – mit einem großen Wald-Wild-Symposium ebenso wie mit Veranstaltungen in der Fläche. Solidarität sei allerdings keine Einbahnstraße – und mit einem flächigen Jagdverbot (wie von Sticht gefordert) sei sicher niemandem geholfen.
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