Ein genauer Blick auf ehemalige Kyrillflächen zeigt: Waldbesitzer, die natürliche Wiederbewaldungsprozesse zulassen, können bereits nach wenigen Jahren Mischwälder aus mehreren Laub- und Nadelbaumarten erhalten – und das kostenlos. Die Voraussetzung ist allerdings, dass sich Naturverjüngung einstellt, der Wilddruck nicht zu hoch ist und Konkurrenzvegetation, wie Gräser, Brombeere oder Adlerfarn, ausbleiben. Grundsteine dieser natürlichen Wiederbewaldung sind die Pionierbaumarten, vorrangig die Laubgehölze wie Birke, Vogelbeere, Salweide oder Aspe, ist sich Dr. Bertram Leder, Leiter des Zentrums für Wald und Holzwirtschaft NRW, sicher.
Die „Pioniere“ zeichnet vor allem ein rasches Höhenwachstum, ihre Robustheit gegenüber Frost und Sonneneinstrahlung sowie ihr Schutz vor Vergrasung und Erosion aus. Zudem bereiten sie durch Ihre positiven Eigenschaften gemäßigtere Wuchsbedingungen für die Zielbaumarten Buche, Eiche oder Tannen. Neben der Möglichkeit mit den Pionierbaumarten einen schützenden Vorwald zu erziehen, eignen sich die vor Jahren noch als Unkraut abgestempelten Laubgehölze ebenso für die Holzproduktion, sagte Leder, im Rahmen des diesjährigen Arnsberger Waldforums.
„Samenschleuder“
Weil die Wiederbewaldung nicht mehr durch Saat oder Pflanzung leistbar ist – immerhin gibt es in NRW bereits mehr als 80 000 ha Schadfläche – sollten Waldeigentümer Pionierbaumarten ins betriebliche Waldbaukonzept einbeziehen. Frühzeitig zu erkennen, ob sich Verjüngung oder aber Vergrasung auf der Schadfläche einstellt, erfordert allerdings viel Fachkenntnis, erklärte Dr. Katharina Tiebel von der TU Dresden.
Entscheidend für das Aufkeimen von Pionierbaumarten sind beispielsweise eine mögliche Samenausbreitung von Mutterbäumen in der Nähe oder ein Samenreservoir im Oberboden der Schadfläche. Grundsätzlich sind die Pionierbaumarten aber erfolgsversprechend, wie Tiebel am Beispiel der Birke zeigte: Im Bestand produziert die Birke bereits ab dem Alter zehn keimfähige Samen. Durchschnittlich erzeugt eine Birke zwischen 600 000 und 10 Mio. Samen/Jahr. Abhängig von der Windrichtung, beträgt die mittlere Ausbreitung der Samen 40 bis 360 m – bei der Salweide sind es sogar bis zu 3 km. Untersuchungen zufolge ließen sich in dieser Entfernung noch 10 bis 20 Weidensamen/m² nachweisen, sagte die Forstwissenschaftlerin. Unberücksichtigt bleiben dabei die Samen im Oberboden: Je nach Bodenfeuchte sind Birkensamen bis zu 13 Jahre lang keimfähig.
Für Tiebel sind das gewichtige Argumente, einzelne Samenbäume im Bestand zu pflegen und zu fördern. Zudem erlauben diese Daten einen Rückschluss, ob konkret Naturverjüngung erwartbar ist, oder nicht.
Vom Pionier zum Furnier
Der deutsche Holzbedarf ist groß: über alle Nutzung beträgt er etwa 76 Mio. m³/Jahr. Davon benötigt die Sägeindustrie rund 35 Mio. m³ jährlich, weitere 20 Mio. m³ werden als Brennholz verbraucht – allein in privaten Haushalten. Die Nutzung von Laubholz ist bei diesen Verwendungen unterschiedlich: Während der Laubholzanteil in der Sägeindustrie lediglich 4% beträgt, besteht mit 57% der Großteil des Brennholzes aus Laubholz.
Angesichts schwindender Fichtenholzvorräte muss sich das ändern. Wie sich in Skandinavien beobachten lässt, sind die Verwendungsmöglichkeiten von Birkenholz hoch, verdeutlichte Dr. Stefanie Wieland, vom Zentrum für Wald und Holzwirtschaft. Das lässt sich auch an den Vorräten festmachen. In der DACH-Region – Deutschland, Österreich und der Schweiz – beträgt der Vorrat der Laubholzart mit dem wirtschaftlichen Schwerpunkt, der Buche, etwa 820 Mio. m³. Ebenso groß ist der Birkenholzvorrat in Finnland, Schweden und Norwegen, der NORDIC-Region.
Die bisher entscheidendste Birkenholzverwendung ist laut Wieland im Bereich der Sperrholzproduktion. Ein österreichischer Sägebetrieb stellt zudem erfolgreich Brettsperrholz und Brettschichtholz aus Birke her. In dieser Form wird es für dieselben Bereiche verwendet, wie Fichtenholz. Deshalb lautet Wielands Fazit: Birkenholz hat ein hohes Potential für den Baubereich.
Das Arnsberger Waldforum fand in diesem Jahr zum 11. Mal statt – aufgrund der Corona-Beschränkungen diesmal als digitale Vortragsveranstaltung. Alle Vorträge und weitere Infos finden Sie im Internet.
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