Nun ist es amtlich: Es waren tatsächlich Wölfe, die die drei Ponys am 11., 20. bzw. 22. Oktober im Wolfsgebiet Schermbeck am Niederrhein gerissen haben. Und auch die Verletzungen bei einem weiteren, vierten Pony wurden am 21. Oktober durch Wölfe verursacht, wie genetische Untersuchungen ergaben. Das teilte das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) NRW am Dienstag dieser Woche mit. Für die Übergriffe am 20. und 21. Oktober ließ sich erstmals der männliche Wolf GW1587m als Verursacher nachweisen. Die beiden anderen Übergriffe ließen sich keinem konkreten Wolfs-Individuum zuordnen.
Erneute Gebietsprüfung
Die räumliche und zeitliche Häufung der Übergriffe auf Kleinpferde hat das NRW-Umweltministerium veranlasst, die Lage im Wolfsgebiet Schermbeck erneut zu prüfen, auch die Frage der Verhaltensauffälligkeit und die damit verbundenen Fragen einer Entnahme. Das dazu kurzfristig in Auftrag gegebene Rechtsgutachten liegt vor und kommt zum Ergebnis, dass „davon ausgegangen werden (kann), dass zumutbare Alternativen zur Tötung der Wölfin bzw. des Rudels vorhanden sind, sodass auch diese Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahme gemäß § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetz nicht erfüllt ist".
Laut Mitteilung des Ministeriums ist eine Entnahme von Wölfen im Wolfsgebiet Schermbeck demzufolge aktuell weiterhin nicht rechtssicher möglich. Zumutbare Alternativen seien Herdenschutzmaßnahmen wie der Bau oder die Nachrüstung wolfsabweisender Zäune, das nächtliche Aufstallen der Weidetiere oder der Einsatz von Herdenschutzhunden.
Mehr Schutz für Kleinpferde
Die Landesregierung will künftig zudem die Halter von Kleinpferden finanziell unterstützen. Ähnlich wie es für Gehegewild, Schaf- und Ziegenhaltung bereits der Fall ist, sollen vom 1. Dezember an auch für Kleinpferde-, Fohlen- und Jungpferde-Haltungen Schutzmaßnahmen gefördert werden. Die Details dazu werden derzeit ausgearbeitet.
Neben den erweiterten Förder- und Beratungsangeboten prüft das Ministerium zudem, wie die Organisationsstruktur auf der Landesebene verstärkt und das Wolfsmanagement optimiert werden kann. Ministerin Ursula Heinen-Esser: „Übergeordnetes Ziel ist und bleibt es, nach der Rückkehr des Wolfs in seine ursprünglichen Verbreitungsgebiete die Erfordernisse des Naturschutzes und des Herdenschutzes in Einklang zu bringen und das Leben mit dem Wolf so angst- und konfliktfrei wie möglich zu gestalten."
Aufwendungen steigen
Wie aus dem Bericht „Wolfsmanagement und Herdenschutz: Förderung in NRW“ hervorgeht, steigen die Aufwendungen für das Land in Sachen Wolf. Betrugen diese 2019 noch 0,9 Mio. €, waren es 2020 rund 1,6 Mio. € und im laufenden Jahr sind es bereits 1,5 Mio. €. Neben der landesweiten Entschädigung von Nutz- und Haustierverlusten, an denen Wölfe ursächlich beteiligt waren, umfasst die Förderung von Herdenschutzmaßnahmen in den vier Wolfsgebieten inklusive der sie umgebenden Pufferzonen ein Drittel der gesamten Landesfläche. Speziell in den vier Wolfsgebieten werden auch die Anschaffungskosten ausgebildeter Herdenschutzhunde übernommen.
Forderungen seitens RLV und WLV
Vor der Anhörung zum Thema Wolf im NRW-Umweltausschuss am Dienstag vergangener Woche hatte der Rheinische Landwirtschafts-Verband (RLV) gemeinsam mit dem WLV eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Darin ist die Rede von einer „eskalierenden Situation am Niederrhein“. „Unterbleiben hier Konsequenzen, wird die Akzeptanz für den Wolf in den betroffenen Gebieten weiter schwinden“, heißt es in der Stellungnahme weiter.
Die wichtigsten Kernforderungen lauten:
- Herdenschutz: Vollständige Kostenübernahme: Bei den bisherigen Herdenschutzmaßnahmen (Schutzzäune, in Wolfsgebieten auch Herdenschutzhunde) werden nur die Anschaffungskosten übernommen, nicht aber die Errichtungskosten (z. B. beim Bau eines Massivzauns bei Gehegewild) oder die laufenden Kosten (z. B. Futter, Tierarzt, Versicherung bei einem Herdenschutzhund). Hier muss dringend nachgebessert und eine vollständige Kostenübernahme sichergestellt werden.
- Herdenschutz: Ständiges „Aufrüsten“ ist keine befriedigende Lösung: Die SPD hat einen Antrag im Landtag gestellt, der die Ausweitung der Herdenschutzförderung auf alle potenziellen Beutetiere des Wolfes – also auch auf Rinder, Pferde oder sonstige Tiere - vorsieht. Doch allein im Wolfsgebiet Schermbeck wurde in mindestens vier Fällen ein nach den offiziellen Empfehlungen ausreichender Herdenschutz überwunden. Zu befürchten ist daher, dass auch die angekündigte Ausweitung der Herdenschutz-Förderung die Wölfin nicht stoppen wird.
- Vorbild Frankreich: Nachhaltige Regulierung des Wolfsbestandes dringend erforderlich! Zur Sicherung der Zukunft der gesellschaftlich erwünschten Weidetierhaltung sollten endlich auch hierzulande die im europäischen Naturschutzrecht enthaltenen Spielräume zur Entnahme auffälliger Wölfe genutzt und ein Wolfsmanagement in Anlehnung an das französische Modell etabliert werden. Im Nachbarland dürfen – bei gleichem EU-Schutzstatus - bis zu 19 % der jährlich geschätzten Wölfe nach einem strengen Ausnahmeverfahren entnommen werden.
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