Rund 8 Mrd. € zahlen deutsche Sparer, die mit Lebensversicherungen fürs Alter vorsorgen, jedes Jahr an sogenannten Abschlusskosten. Das sind vor allem Provisionen für Vertreter, Makler und Banken. Warum der Provisionsvertrieb kritisch zu sehen ist und wie Sie sich schützen, erfahren Sie hier.
Provisionsverbot gekippt
Ende vergangenen Jahres wurde ein EU-weites Verbot des Provisionsvertriebs diskutiert. Dies ist nun vorläufig wieder vom Tisch. Während etwa in den Niederlanden und Großbritannien klare Verhältnisse hinsichtlich der Kosten von Finanzberatung herrschen, dürfen in Deutschland weiterhin teure und ineffiziente Finanzdienstleistungen gegen Provisionen an Privatpersonen vermittelt werden. Und dies, obwohl die Provisionen aus Verbrauchersicht nachteilig sind und massive Interessenkonflikte zu Lasten der Kund/-innen auslösen können.
Gute Gründe für ein Verbot
Eine jüngst veröffentlichte Studie der Uni Regensburg zeigte,
- dass in Ländern mit Provisionsverboten eine erkennbar höhere Ansparrendite für die Kunden besteht,
- bei langfristigen Altersvorsorgeprodukten ein bis zu knapp doppelt so hohes Altersvermögen aufgebaut wird und
- es nicht zu einer Servicewüste für Verbraucher kommt.
Es geht eben um viel Geld. Mehr als 8 Mrd. € verdient die Branche Jahr für Jahr durch Provisionen. Davon kassierte allein die Deutsche Vermögensberatung AG, Deutschlands größter Finanzstrukturvertrieb, im Jahr 2021 über 2,2 Mrd. € – und kann es sich somit leisten, in der letzten Legislaturperiode mehr als 1,65 Mio. € Parteispenden zu bezahlen.
98 Mrd. € - Fehlanreize zulasten der Kunden
Aber warum ist der Provisionsvertrieb kritikwürdig? Ganz einfach: Die Finanzierung durch Provisionen ist äußerst unvorteilhaft, da diese regelmäßig Fehlanreize zulasten der Kunden auslöst. Der Schaden ist dabei viel höher als die jährlichen 8 Mrd. €. Nach der Regensburger Studie beläuft sich der Vermögensverlust der Deutschen auf jährlich rund 98 Mrd. €. Denn Provisionsanreize führen dazu, verstärkt Finanz- und Vorsorgeprodukte mit höheren Verwaltungs- und sonstigen Kosten, geringerer Rendite und fehlendem Inflationsschutz zu vermitteln.
Tipps für mündige Kunden
Für Kunden ist es daher wichtig, sich von der Vorstellung zu trennen, dass sie bei Banken, Versicherern oder Finanzvertrieben neutral und objektiv zu ihren Gunsten beraten würden. Weniger als 1 % der Gesprächspartner im Finanzmarkt sind „echte“ Berater (siehe Folge 19/2023). Das Gros sind Vertriebshelfer. Diese vertreten die Interessen der Finanzindustrie, die sie provisionieren.
Denken Sie beim Stichwort „kostenlose Beratung“ an „Finanzprodukteverkauf“, schon sind Sie besser auf das nächste Gespräch vorbereitet. Zusätzlich sollen Sie als Kunde drei Punkte beachten:
Punkt 1:
- Ob Sie tatsächlich den Kontakt mit einem Vermittler oder echten Berater benötigen. Beides kostet zwangsläufig Geld. Die Empfehlung: Sie benötigen keinen persönlichen Helfer, wenn Sie sich sowohl als mündiger Selbstentscheider mit vertretbarem zeitlichen Aufwand selbst schlau und entscheidungsfähig machen können als auch Lust haben, sich mit Finanzthemen zu beschäftigen. Haben Sie das nicht – und das ist Ihr Recht –, beauftragen Sie einen Dritten gegen Entgelt. In jedem Fall bleibt die Verantwortung für getroffene Entscheidungen immer bei Ihnen. Also nie blind vertrauen! Typische Fälle, in denen praktisch jedermann professionelle Hilfe benötigt, sind die Entscheidung über einen Wechsel in die private Krankenversicherung (PKV) oder über eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) und gegebenenfalls die Auswahl der „richtigen“ PKV bzw. BU und der „richtigen“ Tarife.
Punkt 2:
- Ein Gespräch mit Vermittlern oder Beratern vorbereiten. Hier gibt es zwei wichtige Punkte:
(1) Prüfen Sie den Status Ihres Gesprächspartners. Das heißt, ob er von Ihnen oder dem Produktanbieter vergütet wird. Meist wird Ihr Gesprächspartner ein FPV, also Finanzprodukteverkäufer sein, der von der Anbieterseite vergütet wird. Jedoch gibt es Unterschiede: Während Bankmitarbeiter sowie Einfirmenvertreter Ihnen jeweils nur Produkte eines einzigen Anbieters als Nonplusultra empfehlen werden, können und sollten seriöse Makler für Sie zwischen unterschiedlichen Anbietern optimieren. (2) Nutzen Sie zur fachlichen Vorbereitung neutrale Informationsquellen wie Fachbücher oder die „Finanztest“ bzw. die Veröffentlichungen der Verbraucherzentralen. So erkennen Sie schon in den ersten Minuten eines „Scheinberatungsgesprächs“, wohin es läuft.
Punkt 3:
- Wie Sie das Gespräch selbst auf Augenhöhe zu führen. Der Tipp: Häufig versucht Ihr Gesprächspartner gleich zu Beginn die „Spielregeln“ für das Gespräch festzulegen. Überraschen Sie ihn damit, dass Sie von Anfang an das Heft in die Hand nehmen. Etwa mit dem Satz: „Ich unterschreibe grundsätzlich keinen Vertrag beim ersten Gespräch, sondern schaue mir die Unterlagen zu Hause in Ruhe durch. Ich hoffe, das ist für Sie in Ordnung und Sie erwarten heute keinen schnellen Abschluss.“ Oder: „Leider hört man so viel von manipulativen Verkaufstricks (vgl. Folge 21/2022). Ich darf doch davon ausgehen, dass Sie solche Methoden bei mir nicht anwenden und Ihre Empfehlungen an meinen Interessen ausrichten.“
Fazit: Guter Rat ist wertvoll
Persönlicher Finanzvertrieb ist zwangsläufig teuer, denn wenn sich eine fachkundige Person für Sie Zeit nimmt, hat das seinen Preis. Bei komplexen Fragestellungen ist guter Rat jedoch auch extrem wertvoll und lohnt sich. Wenn Sie einfachere Finanzfragen mit ein wenig persönlichem Einsatz und neutralen Informationsquellen allein lösen können, dann kann sich Ihr Gesprächspartner voll auf komplexe Problemlösungen konzentrieren, die Ihnen einen wirklichen Mehrwert schaffen. Hinterfragen Sie also, ob und in welchen Fragen Sie wirklich persönliche Unterstützung benötigen und unterscheiden Sie konsequent zwischen echten Beratern und Verkäufern.
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