Wie kommt ein Museum, das sich mit der Heringsfischerei, mit Matjes und Fangschiffen befasst, an die Mittelweser? Genauer gesagt in die alte Dorfschule von Heimsen bei Petershagen im Kreis Minden-Lübbecke. Heringe in der Weser? Natürlich nicht. Die Geschichte geht so: Die Menschen nördlich von Minden lebten einst in einer Gegend, die wir heute strukturschwach nennen würden. Aufgrund der Erbfolge reichten Landwirtschaft, Leinenweberei und dörfliches Handwerk nur für ein dürftiges Auskommen. Etliche Familien wanderten nach Amerika aus. Andere zogen als Saisonarbeiter nach Holland.
Mannschaften gesucht
Sie bekamen mit, dass es in niederländischen Häfen Schiffe gab, die sich ab Mai zu längeren Fangfahrten weit auf die See hinaus wagten, dorthin wo die Heringsschwärme standen. Das lohnte sich offenbar, denn in den 1870er-Jahren nahm der Heringsfang Fahrt auf. Auch in Emden, Leer, Bremen und Glückstadt an der Elbe gründeten sich Fischereigesellschaften. Was ihnen fehlte, waren Mannschaften.
Sie kamen aus dem Hinterland. Die furchtlosen und tatkräftigen Männer aus den Dörfern zwischen Stolzenau und Minden, Bückeburg und Stadthagen ließen sich die Chance nicht entgehen. Saisonarbeit waren sie gewohnt. Jetzt also: Fischen statt Torfstechen. Zwischen Mai und November bildeten die Männer die Besatzungen der Fangschiffe, der Heringslogger. Kapitän und Bestmann, Matrosen und Schiffsjungen: Sie alle kamen aus demselben Dorf. Sie übernahmen einen Logger und gingen auf Fangfahrt.
Die britische Küste entlang
Bei den Shetland-Inseln standen die Heringe im Frühjahr. Im Lauf des Sommers wanderten sie die britische Küste entlang, bis sie zum Herbst hin ihre Laichgründe im Ärmelkanal erreichten. Zwei bis drei Wochen dauerte eine Fangfahrt.
Heinrich Klein ist selbst noch zehn Jahre auf einem Logger gefahren. Heute erzählt er als Museumsführer vom Leben an Bord. Nachmittags setzten die Fischer das kilometerlange Treibnetz aus. Nachts kamen die Heringe an die Oberfläche und gegen Mitternacht fingen die Fischer an, das Netz Stück für Stück wieder einzuholen, im Rhythmus eines Shanties. An Bord schlachteten sie die Fische („kehlen“), nahmen sie aus und legten sie gesalzen in Fässer („Kantje“). In jedes Fass passten etwa 700 Heringe. Ein geübter Fischer schaffte ein bis zwei Kantje pro Stunde. Ein Logger kann bis zu 1000 Kantje laden: Das macht pro Fahrt 700 000 Fische, die als Salzheringe oder als Matjes auf den Markt kamen.
Tod und Untergang
Das Leben und Arbeiten auf hoher See war entbehrungsreich und gefährlich. Mehr als 500 Mann aus dem Mindener Land blieben auf See, 54 Logger gingen unter. Überhaupt endete die Geschichte tragisch. Mehr und größere Schiffe und verbesserte Fangmethoden erlaubten es, die Ergebnisse solange zu steigern, bis die Bestände zusammenbrachen. Anfang der 1970er-Jahre war es vorbei mit den Heringen aus der Nordsee, der „Großen Deutschen Heringsfischerei“ und der Saisonarbeit der Männer von der Mittelweser.
Geblieben sind die Seemannsvereine in den Dörfern, die den Zusammenhalt der Menschen und die Tradition der Heringsfänger pflegen. Das Museum in Heimsen erzählt die Geschichte eindrucksvoll. Viele Originale, Modelle, historische Fotos und Filme und Inszenierungen zeichnen ein lebendiges Bild. Hinfahren lohnt sich. Ganz besonders am Tag der Heringsfänger, der in diesem Jahr am 9. Oktober stattfindet.
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