Forum Milch in Schwerte

Milch: Der Kampf um die Bilder

Etliche Konsumenten fordern Tierwohl und kaufen dann möglichst günstig ein. Sie verlangen etwas anderes als sie tun. Das ärgert Landwirte. Doch wie tickt eigentlich der Verbraucher?

Zwei Gruppen leben in Parallelwelten: Zum einen die Verbraucher und zum anderen die Landwirte. „Das ist der perfekte Nährboden für Vorurteile“, erklärte Psychologe Jens Lönneker, Geschäftsführer von rheingold salon in Köln. So seinen zum Beispiel große Traktoren aus Sicht der Landwirte toll, für den Verbraucher seien es Monster.

Konsumenten wollen keine vollen Geflügelställe sehen. Viele denken, dass Landwirte eigentlich Tierquäler seien, machte es Lönneker deutlich. „Allerdings sind Verbraucher seltsam schizophrene Wesen: Sie fordern etwas anderes als sie tun.“

So würden 52 % der Menschen, die im Discounter Fleisch kaufen, eigentlich gegen Massentierhaltung sein. „Der Verbraucher will gerne Tierwohl-Produkte kaufen, aber möglichst günstig. Und wenn das nicht klappt, dann sagt der Verbraucher: Ich wünsche es mir, aber kaufe es nicht“, erläuterte Lönneker.

Neue Bilder erzeugen

Ein Hauptproblem der Milchproduktion ist jedoch in den Augen des Psychologen, dass Milchprodukte die Verbraucher nicht neugierig machen. Pflanzendrinks im Gegenzug seien hip. „Das ist ein Kampf um die Bilder. Wir müssen den Verbraucher mitnehmen. Nach diesem richtet sich auch der Handel“, brachte er es auf den Punkt.

„Sie müssen neue Bilder schaffen und nicht Antworten auf Fragen geben, die keiner hören will. Denn Vorurteile bestehen und sind so nicht auszuräumen. Bieten Sie den Verbrauchern Zukunftsvisionen.“ Das riet Lönneker den anwesenden Milchviehhaltern beim Forum Milch in Schwerte. Das Motto am Mittwoch war: Der Verbraucher - Das unbekannte Wesen.

Wachsende Diskrepanz?

Um den Verbraucher zu verstehen, helfe vielleicht ein Blick in die Vergangenheit, sagte Wochenblatt-Chefredakteur Patrick Liste. Bernhard Burdick, Leiter im Bereich Ernährung und Umwelt der Verbraucherzentrale NRW, erklärte rückblickend: Verbraucher haben nach dem zweiten Weltkrieg vor allem viel gekauft. Milch hatte einen hohen Stellenwert. „Heute ist Milch nur noch ein ganz normales Getränk“, so Burdick. Deshalb sei auch der Verbrauch rückläufig. Außerdem hätten Umwelt- und Klimaaspekte an Relevanz gewonnen.

Für Dr. Inken Christoph-Schulz vom Thünen-Institut in Braunschweig hat der Verbraucher grundsätzlich drei Bedürfnisse:

  1. Überleben: Der Mensch braucht Essen und Trinken.
  2. Sicherheit: „Wir leben momentan in Luxus.“
  3. Diskrepanz: „Ich möchte aber auch, dass es den Tieren gut geht.“ Das denken die Verbraucher, sagte Christoph-Schulz. Ein Schockmoment sei für Konsumenten: Ein Bild mit einer Schwarzbunten mit dickem Euter. Nach so einem Bild ändert der Konsument eventuell sein Einkaufsverhalten. „Wir haben in Deutschland den Wohlstand, dass wir uns solche Veränderungen leisten können“, betonte die Wissenschaftlerin. In anderen Teilen der Erde sehe das komplett anders aus.

Bauer als Person positiv

Matthias Schulte-Althoff, bekannt als „Milchbauer Matthias“, ist Milchviehhalter in Haltern am See, in Nähe des Ruhrgebiets. Er betreibt Direktvermarktung. Sein Erfolgsmodell: „Wir geben der Milch mein Gesicht. Es ist überall mit drauf.“ Allerdings sagte er auch: „Corona war der Motor für die Direktvermarktung. Seit die ersten Flugzeuge wieder fliegen, wird es schwieriger für uns und für alle Direktvermarkter.“ Denn die Verbraucher geben ihr Geld wieder vermehrt für Reisen oder anderen Luxus aus.

Landwirt Schulte-Althoff berichtete aus seinen Erfahrungen, dass Verbraucher die Tiere häufig vermenschlichen. So sei ein riesen Thema die Mutter-Kalb-Trennung. „Dann erkläre ich den Verbrauchern, dass ihr Hund auch von der Mutter abgesetzt wurde. Von vielen ist dann die Antwort: Ja stimmt.“

Auch Christoph-Schulz betonte, dass die Verbraucher häufig in einer Wunschidylle leben. Etliche wissen beispielsweise nicht, woraus Silage besteht oder was eigentlich ein Fressgitter ist. Der einzelne Landwirt als Individuum habe aber auch in ihren Augen eine gute Chance auf Akzeptanz. Denn die direkten Gespräche zwischen Verbrauchern und Landwirten verlaufen in der Regel immer positiv.

Die Plakate der Initiative Milch hängen beispielsweise in Hamburg. (Bildquelle: Schmidtmann)

„Aber wenn ein Landwirt `gut´ ist, ändert das nicht automatisch das Image der Landwirtschaft. Die Vorurteile bleiben trotzdem erhalten. Die Bilder müssen generell erneuert werden“, mahnte Lönneker. Das sei vor allem Aufgabe der Verbände. Auf einem guten Weg sieht er die Initiative Milch und Dialog Milch, auch wenn das Werbebudgets eher knapp sei.

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