Im Streit zwischen der Europäischen Kommission und der Bundesregierung um die Ausweisung der roten Gebiete stehen die Zeichen auf Verständigung. Brüssel hat dem Entwurf der geänderten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) Gebietsausweisung zugestimmt. Gleichzeitig fordert die Kommission eine zügige Verabschiedung. Die Bundesregierung will, dass der Bundesrat die AVV Gebietsausweisung noch vor der Sommerpause beschließt.
NRW: 460 000 ha rot?
Unter den neuen Maßgaben könnten sich die nitratbelasteten Gebiete von derzeit rund 2 Mio. ha auf etwa 2,9 Mio. ha ausweiten, haben die Bundesländer berechnet. Das entspricht einer Zunahme der roten Gebiete um rund 45 %. Nordrhein-Westfalen dürfte besonders betroffen sein. „Klar ist, dass sich die roten Gebiete in NRW deutlich vergrößern werden, da die emissionsbezogene Modellierung, also die Berücksichtigung der tatsächlich regionalen Stickstoffüberschüsse, künftig nicht mehr angewendet werden darf.
Die Vorgabe der Kommission, dass alle als belastet eingestuften Messstellen in roten Gebieten liegen, wird somit erfüllt“, sagt ein Ministeriumssprecher auf Wochenblatt-Nachfrage. Genaue Zahlen zur neuen Gebietskulisse könne er nicht sagen. Insider gehen jedoch davon aus, dass die roten Gebiete in NRW auf bis zu 460 000 ha steigen könnten – von aktuell rund 163 500 ha. Das wären rund 300 000 ha mehr und etwa ein Drittel des bundesweiten Zuwachses.
Die neue AVV sieht auf Betreiben der Kommission eine Abkehr vom bisherigen emissionsbasierten Ansatz über die sogenannte Modellierung und damit der Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung bei der Gebietsausweisung vor. An dessen Stelle soll ein einheitliches Verfahren mit einem mehrstufigen Ansatz treten.
Als Ausgangspunkt für die Ausweisung der nitratbelasteten Gebiete soll ein von den Bundesländern bis 2024 noch deutlich zu verdichtendes Ausweisungsmessnetz dienen, das auf den bereits vorhandenen Messstellen der schon eingerichteten Messnetze basiert. Ab 2028 sollen die Länder ein geostatistisches Ausweisungsverfahren einführen müssen. Bis dahin dürfen auch andere Verfahren zur Anwendung kommen. Allerdings soll es nicht mehr zulässig sein, dass – wie bisher – mehrere Verfahren gleichzeitig genutzt werden.
Özdemir froh, DBV sauer
Bundesagrarminister Cem Özdemir reagierte erleichtert, weil milliardenschwere Strafzahlungen Deutschlands wegen Nichteinhaltung der EU-Nitratrichtlinie vermieden werden könnten. Er appellierte an seine Länderkollegen, der Vorlage zuzustimmen. Dies sei die Voraussetzung, um der Landwirtschaft endlich einen verlässlichen Rahmen zu geben. Nach der früheren „unseligen Hinhaltetaktik“ gegenüber Brüssel brauche es jetzt „Klarheit und Stabilität“.
Der Deutsche Bauernverband reagierte zurückhaltend. Präsident Joachim Rukwied nannte es bedauerlich, dass die Kommission das Verursacherprinzip beim Gewässerschutz aufgebe. Die Landwirte wollen Nahrungsmittelerzeugung mit Gewässerschutz in Einklang bringen, so Rukwied. Für einen zielgerichteten Gewässerschutz bestehe national Handlungsbedarf hinsichtlich der Verdichtung des Messstellennetzes und einer differenzierten Gebietsabgrenzung.
Mit Material von AgE
Mehr dazu lesen Sie hier: