Die vergangenen Jahre waren zu warm und zu trocken – trotz des Starkregens bei der Hochwasserkatastrophe 2021. Die Folgen: In weiten Teilen von NRW mangelte es im Verlauf dieses Jahres an pflanzenverfügbarem Wasser im Oberboden, an den Flüssen herrschten „Niedrigstwasserstände“. Diese Feststellung traf Roland Funke, Leiter des Fachbereichs Hydrologie beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV), anlässlich der Gewässerkonferenz OWL. Nachdem die alljährliche Veranstaltung der Bezirksregierung (BZR) Detmold in den vergangenen zwei Jahren Pandemie-bedingt ausgefallen war, fand sie Mitte vergangener Woche digital mit mehr als 300 Teilnehmern statt.
„AG Trockenheit“
„Gewässerbewirtschaftung zwischen Niedrig- und Hochwasser“ so der Titel der Tagung. Die Herausforderungen diesbezüglich sind groß. Daran ließen die verschiedenen Referenten keinen Zweifel aufkommen. „Bereits Ende April dieses Jahres war es außergewöhnlich trocken. Drei Viertel der Messstellen hatten deutlich zu niedrige Grundwasserstände“, informierte Tobias Gaul. Der ehemalige Leiter der Geschäftsstelle der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bei der BZR Detmold leitet seit April dieses Jahres das Referat Oberflächengewässer und Grundwasserbeschaffenheit, Wasserversorgung beim Umweltministerium in Düsseldorf.
Zwar werde davon ausgegangen, dass die Winterniederschläge zukünftig zunehmen. „In trocken-heißen Sommerperioden ist jedoch auch der Wasserbedarf deutlich höher“, so Gaul. Regional betrachtet würde der Wasserhaushalt überbeansprucht. Denn auch der industrielle Grundwasserbedarf steige, wenn Oberflächenwasser hinsichtlich Quantität und Qualität nur noch eingeschränkt zur Verfügung stünde. Im Ministerium sei Referats-übergreifend eine „AG Trockenheit“ gebildet worden. Auf Bundesebene gebe es einen Entwurf zur nationalen Wasserstrategie mit mehr als 80 Themenbereichen. Dieser sorge für viel Diskussion zwischen den Bundesländern. Die Frage sei, wie der Entwurf durch den politischen Prozess komme.
Bewertung beeinflusst
Zunehmende Trockenheit kann die Nutzung von Gewässern einschränken. „Für die Bewertung von Gewässern ist es wichtig zu wissen, welche im Regierungsbezirk trockenfallen“, betonte Michael Neuhaus, neuer Leiter der WRRL-Geschäftsstelle bei der BZR Detmold. Denn das Bewertungssystem sei restriktiv und stütze sich auf Indikatortypen, beispielsweise Forellen. „Sobald ein Parameter schlecht ist, ist der Gesamtzustand des Gewässers schlecht, wenn die Trockenheit als Parameter nicht einbezogen wird“, erläuterte der Experte.
Der dritte und damit letzte Bewirtschaftungszeitraum der WRRL hat in diesem Jahr begonnen und endet 2027. „Das heißt, alle Maßnahmen müssen bis 2027 beginnen“, betonte Neuhaus. Eine Verlängerung sei möglich, das sehe das Wasserhaushaltsgesetz vor. Insgesamt seien in den Jahren der WRRL mehr als 10 Mio. € jährlich in Fördermaßnahmen geflossen und mehr als 400 Querbauwerke angefasst und verändert worden.
Problem: Abwässer
Das Einleiten von Abwässern in Gewässer hat Auswirkungen auf diese. „Denn sind Gewässer trockengefallen, handelt es sich im Zweifel nur noch um Abwasser pur“, informierte Dr. Nicole Tümmes, BZR Detmold. Gleichzeitig können Starkregenereignisse Kanalisation und Kläranlagen zum Überlaufen bringen. „Der Klimawandel wird das Erreichen der Ziele bei der Abwasserbehandlung erschweren und deutlich verteuern“, prognostizierte die Expertin.
Renaturierung
Die Renaturierung von Flüssen ist ein Ansatz für mehr Hochwasserschutz. Als aktuelle Beispiele wurden die Renaturierung der Lippe in Paderborn-Sane sowie der Nethe bei Hembsen im Kreis Höxter vorgestellt. Allein bei Letzterem sind mehr als 60.000 m3 Boden bewegt worden. Auf der Baustraße soll der zukünftige Nethe-Radweg verlaufen.
Beregnung sichert Erträge
Fehlt Wasser, sinken die Erträge bei landwirtschaftlichen Kulturen. „Trockenheit hat bei Kartoffeln beispielsweise auch Einfluss auf den Stärkegehalt, die Größe der Knollen und deren Qualität“, erläuterte Angela Riedel von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen im Rahmen der Gewässerkonferenz. Angesichts zunehmender Trockenheit werde sich der Wasserverbrauch in der Landwirtschaft in Niedersachsen in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln“, prognostizierte die Fachfrau. Umso wichtiger sei es, dieses sparsam und gezielt einzusetzen. Allerdings sei der Einsatz moderner Technik, beispielsweise Tropfbewässerung, mit hohem Arbeitsaufwand und hohen Kosten verbunden. An ihrem Standort in Hamerstorf führt die Landwirtschaftskammer Niedersachsen seit 17 Jahren Beregnungsversuche an verschiedenen Kulturen durch. Eines der Ziele dabei: trockenheits-tolerantere Sorten ermitteln.
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