Der Medienrummel um den neuen Bericht zu den Treibhausgasemissionen für das Jahr 2021 in Deutschland war gering. Dabei enthält er interessante Botschaften: Der Anteil der Landwirtschaft an den Emissionen in Deutschland ist im Vergleich zu 2020 von knapp 10 % auf 8 % gesunken. Die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie und Verkehr haben dagegen wieder mehr emittiert (Übersicht 1). Das liegt insbesondere daran, dass die Gesamtemissionen im Vergleich zu 2020 um 4,5 % gestiegen sind. Der nahezu konstante Anteil der Emissionen aus der Landwirtschaft fällt dadurch relativ geringer aus. Experten verstehen die Zahlen für 2021 als Fingerzeig für die weitere Entwicklung in normalen Jahren, während 2020 Corona-bedingt ein Sonderjahr war.
Landwirtschaft senkt
In der Landwirtschaft geht es vor allem um die Emission der Treibhausgase (THG) Methan und Lachgas. Um ihre spezifische Klimawirksamkeit in der Atmosphäre zu vergleichen, sind sie in sogenannte CO2-Äquivalente umgerechnet. Methan hat demnach eine im Vergleich mit CO2 25-fach höhere Klimawirksamkeit, Lachgas sogar eine 298-fache.
Im Sektor Landwirtschaft sind seit dem Vergleichsjahr 1990 die Emissionen um rund 25 % gesunken (Übersicht 2). Das entspricht einer Einsparung von 20 Mio. t CO2-Äquivalenten. Die Ziele des Klimaschutzgesetzes für das Jahr 2028 hat der Sektor Landwirtschaft bereits heute erfüllt.
Das liegt aber auch daran, dass sich durch neue Erkenntnisse die Berechnungsmethode geändert hat. Dr. Roland Fuß, Leiter der Arbeitsgruppe Emissionsinventare am Thünen Institut, sieht das kritisch: Dass weniger Treibhausgasemissionen berichtet werden, bedeute nicht, dass die Landwirtschaft weniger Anstrengungen unternehmen müsse, ihren Anteil an den Gesamtemissionen zu mindern. Eine bessere Berechnung von Emissionen sei noch kein Beitrag zum Klimaschutz.
Nie ohne Emission!
Klar ist allerdings: Für den Sektor Landwirtschaft ist es ab einem bestimmten Punkt extrem schwierig, weitere THG-Emissionen zu sparen und gleichzeitig Nahrungsmittel zu produzieren. Die Landwirtschaft findet im sogenannten „offenen System“ statt. Sie hängt entsprechend stark von Umweltbedingungen ab und wird erheblich durch die Folgen des Klimawandels beeinflusst. Das Klimaschutzgesetz berücksichtigt diese besonderen Umstände und Erschwernisse. Deshalb erscheinen die künftigen Einsparziele im Vergleich mit anderen Sektoren moderat. Es gibt schlicht keine Nahrungsmittelproduktion ohne Emission von Treibhausgasen. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern rund um den Globus.
Anders ist das bei Verkehr und Energie, wo sich durch technische Alternativen die Emissionen nahezu auf null senken lassen. Für Ernährung gibt es keine technische klimaneutrale Alternative.
Für NRW ist der Sektor Landwirtschaft mit 3,2 % an den Gesamtemissionen im Jahr 2020 einer der weniger bedeutsameren Sektoren (Übersicht 4). Durch den Braunkohlenabbau und deren Verstromung, die große Bevölkerung, den dazugehörigen Verkehr und den großen Gebäudesektor stoßen diese Sektoren wesentlich mehr THG aus. Beim geplanten Braunkohlenausstieg würden die Gesamtemissionen schlagartig sinken. Dann würden relativ die Anteile der anderen Sektoren steigen, auch die der Landwirtschaft. Deshalb steigt die Bedeutung der Landwirtschaft beim Klimaschutz in NRW. Der Blick auf die Anteile ist aber immer nur ein Teil der Wahrheit. Wichtig sind außerdem die absoluten Emissionen in Tonnen CO2-Äquivalenten, deren Entwicklung und die tatsächlichen Einsparpotenziale.
Was ist „Leakage-Effekt“?
Durch Landbewirtschaftung, organische oder mineralische Düngung, Bodenbearbeitung und weitere landwirtschaftliche Tätigkeiten entstehen immer und vor allem überall auf der Welt Treibhausgase. Experten warnen deshalb vor dem sogenannten „Leakage-Effekt“, übersetzt „Verlagerungseffekt“. Ein Leakage-Effekt wäre, wenn die Produktion von Nahrungsmitteln ins europäische oder außereuropäische Ausland verlagert würde, um die Emissionen in Deutschland zu reduzieren. Die Emissionen müssten dann lediglich in einem anderen Land bilanziert werden, entstünden aber dennoch – und möglicherweise sogar in größerem Umfang, weil zum Beispiel die Transportwege länger werden. Bei solchen Verlagerungen besteht zudem das Risiko, dass die Produktion unter insgesamt schlechteren Bedingungen erfolgt, zum Beispiel in Gebieten mit Wasserknappheit oder in Regionen, die erst Regenwälder abholzen müssten. Eine rein nationale Betrachtung der Treibhausgasemissionen hilft dem globalen Klimaschutz deshalb in keiner Weise.
Was ist „Carbon-Farming“?
Besonderheit der Landwirtschaft: Sie kann CO2 in Form von Humus im Boden speichern und damit CO2 aus der Atmosphäre entziehen. Experten sprechen von Kohlenstoffsequenzierung. Das im Boden als Humus gespeicherte CO2 ist nicht nur klimatisch unschädlich, sondern hat darüber hinaus zahlreiche positive Eigenschaften. Eine gute Humusversorgung ist die zentrale Stellschraube der Bodenfruchtbarkeit und verbessert Wasserspeicherung, Nährstoffnachlieferung, Bodengefüge und Erosionsanfälligkeit. Die sogenannte Carbon-Farming-Strategie derEU möchte genau hier ansetzen und Anreize für die Landwirteschaffen, mehr CO2 im Boden zu speichern. Unter Fachleuten ist der Carbon-Farming-Ansatz aber durchaus umstritten. Mehr dazu im nächsten Wochenblatt.
Hinzu kommt: Bei der Emissionsberichterstattung kommen Humussteigerungen auf landwirtschaftlichen Flächen derzeit nicht dem Sektor Landwirtschaft zugute, sondern dem sogenannten LULUCF-Sektor (Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forst).
Wechselwirkungen
Bei den Klimaschutzmaßnahmen und Emissionseinsparpotenzialen dürfen Wechselwirkungen keinesfalls außer Acht gelassen werden. Neben dem Klima gilt es auch die Ressourcen Wasser, Boden und Umwelt zu schützen, die Erfüllung des landwirtschaftlichen Kernauftrags der Nahrungsmittelversorgung sicherzustellen und gleichzeitig das Tierwohl und die Biodiversität der Landschaft heute und künftig zu fördern.
Um die Komplexität zu verdeutlichen, eignet sich der Vergleich zwischen Acker und Dauergrünland. Klimatisch ist Dauergrünland vordergründig positiv, weil der Humusgehalt im Boden deutlich höher liegt. Wie aber kann Grünland genutzt werden? Eine Nichtnutzung kommt keinesfalls infrage, da landwirtschaftliche Fläche weltweit eine knappe Ressource ist. Für die unmittelbare menschliche Ernährung eignet sich Grünland bzw. Gras aber nicht. Es wird erst dann zu einem Lebensmittel, wenn es als Futter im Pansen von Kühen, Schafen oder Ziegen mit mikrobieller Unterstützung in Milch und Fleisch umgewandelt wird. Genau diese Wiederkäuer und insbesondere die Kühe stehen jedoch wegen ihres verdauungsbedingten Methanausstoßes im Zentrum der Kritik von Klimaschützern.
Die Frage, unter welchen Umständen und in welchem Umfang Klimaschutz gegenüber anderen wichtigen Ressourcen Vorrang haben sollte, lässt sich häufig nur schwer beantworten. Mit Blick auf die Flächennutzung in Deutschland bleibt jedenfalls festzuhalten, dass ackerfähige Standorte auch dementsprechend genutzt werden sollten, jedoch insbesondere dort, wo keine Ackernutzung möglich ist, die Grünlandnutzung einen wertvollen und unverzichtbaren Beitrag zur Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln beiträgt.
Klimaneutral im Jahr 2045
In Deutschland ist 2019 das Klimaschutzgesetz in Kraft getreten. Es schreibt für jeden Sektor verbindliche Emissionsziele vor. Der Sek-tor Landwirtschaft hat seine Ziele seitdem ausnahmslos eingehalten. Die Sektoren Energie und Verkehr haben per Klimaschutzgesetz die größten Einsparziele bis zum Jahr 2030 auf die Fahne geschrieben bekommen.
Was bislang fehlt, sind konkrete Ziele für die einzelnen Sektoren nach dem Jahr 2030, obwohl das Bundesverfassungsgericht dies im vergangenen Jahr kritisiert hat. Mit konkreten Zielformulierungen für den Zeitraum nach 2030 für die Einzelsektoren ist aber erst in den kommenden Jahren zu rechnen. Bislang hat die Bundesregierung lediglich Ziele für die Gesamtemissionen genannt. Zentrales Ziel der Klimaschutzgesetzgebung bleibt die Klimaneutralität, die bis 2045 erreicht sein soll (Übersicht 3).
Auffällig bei der Entwicklung der Emissionen ist das Jahr 2020,das wegen des Corona-Lockdowns deutlich niedrigere Werte aufweist. Im Jahr 2021, das unter Experten weitgehend als Normaljahr gilt, sind die Emissionen bereits wieder deutlich gestiegen.
Lesen Sie mehr: