Wer erfolgreich wirtschaften will, muss nicht nur die Produktionstechnik beherrschen, sondern auch ein guter Unternehmer sein. Manchmal gelingt das nicht und im eigenen Stall wird dann ein Fremder zum Chef.
Ställe sind gefragt
Will ein Landwirt einen Stall oder sogar den ganzen Hof aufgeben, spricht sich das schnell herum. Das weiß Sven Foppe, Vorstand der VR Agrarberatung in Lingen. So mancher wird ihm zufolge dann direkt vom Nachbarn oder Berater angesprochen.
Produktions- und Bankberater wissen meist um die Situation vor Ort und kennen oft jemanden, der hier einsteigen könnte. Denn Stallungen werden gesucht, da die Erweiterung des landwirtschaftlichen Betriebes oft nur über den Zukauf oder eine Pacht möglich ist.
Manchmal mischen auch Futtermittelhändler mit, die sich ihren Absatz sichern wollen. Sie greifen dem Landwirt unter die Arme oder übernehmen den Stall gleich selbst. Nach unseren Recherchen gibt es Futtermittelhändler, die mehr als 30 Ställe selbst bewirtschaften. Ob als Besitzer oder Pächter lässt sich nicht sagen.
Zu viele Betriebsteilungen
Steigt jemand aus, ist das für den Unternehmer und seine Familie mental ein „Riesenprozess“, weiß Foppe. Die Gründe, warum jemand die Stalltür schließt, sind unterschiedlich. Eine fehlende Hofnachfolge, wirtschaftliche Probleme oder mangelnde betriebliche Perspektive sind einige davon.
Sehr oft wird erkennbar, dass die betrieblichen Wachstumsschritte, steuerlich optimiert über Betriebsteilungen und Betriebsneugründungen nicht wirklich beherrscht wurden. Durch wachsende Intransparenz, allein schon durch unterschiedliche Buchführungszeiträume, aber auch durch immer kleiner werdende Margen ist nicht mehr ohne Weiteres erkennbar, mit welchen Betriebszweigen überhaupt Geld verdient oder verloren wird und wo die Ansatzstellen sind, um Fehlentwicklungen entgegenzuwirken.
Klappt es mit Mitarbeitern?
Das erläutert Arnold Krämer, ehemaliger Leiter der Bezirksstelle Emsland der LWK Niedersachsen. Er berät heute Landwirte, die sich dem Problem, manchmal auch nur auf Druck der Kreditgeber, stellen. „Häufig“, so sagt Krämer, „haben sich Landwirte zu viel zugetraut und damit übernommen.“ Die Dimensionen wurden zu groß gewählt.
Mit dem Einstellen von Mitarbeitern, mehr überteuerter Pachtfläche und mehr Krediten ändern sich die ökonomischen Bedingungen ein Stück weit. Dann muss nämlich zunächst auch immer Einkommen für andere – den Mitarbeiter und den Verpächter – erwirtschaftet werden. „Nicht jeder ist geeignet, mit Fremdarbeitskräften umzugehen und gleichzeitig mit höchster Effizienz zu wirtschaften“, benennt Krämer einen Teil der Probleme.
Aktuell bewegen sich die Landwirte in einem schwierigen Marktumfeld. Durch stark gestiegene Produktionskosten für Energie, Dünger oder Futtermittel bei nicht ausreichenden Erzeugerpreisen kann in vielen Betriebszweigen derzeit nicht kostendeckend produziert werden. Das sagte Burkhard Kalmer, Bereichsleiter für den Agrarbereich der Emsländischen Volksbank. Die Inanspruchnahmen von Kontokorrentlinien, aber auch Überziehungen der bestehenden Linien sind aktuell keine Seltenheit, so Kalmer weiter. Er betont: „Wir suchen den engen Kontakt und regelmäßigen Austausch mit den Landwirten, um Problemen frühzeitig entgegenzuwirken.“
Investitionen in Millionenhöhe
Anfang der 2000er-Jahre haben die Investitionssummen der Landwirte die Millionengrenze übersprungen und die Betriebe sind stark gewachsen. Inzwischen macht das Agrargeschäft in der Emsländischen Volksbank etwa 35 % des gesamten Kreditgeschäftes aus. Höfe, die mit viel Fremdkapital belastet sind, geraten in schwierigen Marktphasen besonders unter Druck. Oftmals wird in diesen Zeiten die VR Agarberatung beauftragt, den Betrieb betriebswirtschaftlich und strategisch zu begleiten. „Aktuell handelt es sich bei uns vorwiegend um Krisenberatungen“, erzählt Foppe.
Oft sind bestehende Probleme schon länger vorhanden. Durch die schwierige Marktsituation potenzieren sich diese jedoch. Unrentable Betriebszweige, hohe Fremdkapitalbelastungen und hohe Festkosten führen dann zu Liquiditätsproblemen.
In Regionen, wo sich die Banken nicht so aufs Agrargeschäft fokussiert haben, können diese das Risiko häufig nicht richtig einschätzen. Bei einer Betriebserweiterung oder in Krisenzeiten kommen dann manchmal auch finanzstarke Unternehmen als stille Teilhaber eines Hofes ins Spiel, verraten uns Insider.
Unternehmerskills gefragt
Für immens wichtig hält Burkhard Kalmer, dass der Landwirt seine Zahlen kennt. Foppe meint: „Erfolgreich sein, das hängt nicht davon ab, ob der Betrieb eher klein oder groß ist.“Früher sei eine gute Produktionstechnik entscheidend gewesen. Das ist auch heute noch so, jedoch kommen die Unternehmerskills dazu. Landwirte müssen sich gut gegen Risiken absichern, günstig Produktionsmittel einkaufen, die Märkte kennen und Mitarbeiter führen können. Generell sei es einfacher für solche Betriebe zu wachsen, die bereits über gutes Personal verfügen, um damit weitere Ställe bewirtschaften zu können. Die Hinzunahme eines weiteren Standortes ist arbeitswirtschaftlich und auch logistisch eine große Herausforderung.
Aber selbst gut laufende, große Betriebe könnten bei einer Krise wie der aktuell schlechten Marktlage schnell in Schieflage geraten. Wird es kritisch, versuchen Landwirte manchmal auch Geld beim Futtermittel- oder Viehhändler aufzutreiben, weil die Bank sich verweigert. „Doch damit dreht sich die Spirale nur weiter“, sagt Kalmer.
Top 1: Liquiditätsplanung
Ausgezahlt habe sich in den vergangenen Jahren eine Liquiditätsplanung, so wie ein kontinuierliches Controlling der Zahlen. „Für viele Betriebe, mit denen wir zusammenarbeiten, erstellen wir gemeinsam mit dem Landwirt die Liquiditätsplanung und führen monatliches Controlling durch“, erzählt Foppe. Durch diese Datengrundlage könnten Entscheidungen schnell und proaktiv getroffen werden.
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