Wenn Evelyn Hauwe von Fleisch spricht, dann wird schnell klar, welchen Stellenwert es in ihrem Leben einnimmt. Die gelernte Fleischerin, ihr Mann Josef und die beiden Töchter Kerstin und Martina Hauwe leben das Fleischerhandwerk von der Pike auf. Dabei ist der Alltag auf ihrem Betrieb in Datteln, Kreis Recklinghausen, nicht unbedingt etwas für Zartbesaitete. Denn die durchschnittlich 45 bis 50 Bullen, die im Stall heranwachsen, verlassen den Hof nicht lebend. Sie werden vor Ort geschlachtet, zerlegt und verarbeitet. Ob das Fleisch direkt zu Rouladen und Sauerbraten für den Partyservice wird oder als Frischfleisch und Wurstware in der kleinen Theke des Hofladens landet, hängt nur von der Nachfrage ab.
Geplantes und Ungeplantes
„Ich schaue mir den Wochenplan an und sage dann ganz klar ‚Heute müssen wir zwei Bullen schlachten‘, damit wir alle Bestellungen erfüllen können“, erläutert Evelyn Hauwe das übliche Vorgehen. Dabei macht die 64-Jährige keinen Hehl daraus, dass sie am liebsten selbst die Tiere zerlegt. Seit mehr als 50 Jahren schlachtet und zerlegt die resolute Unternehmerin Rinder. Mit ihrer Affinität zu Fleisch ist die gelernte Fleischfachverkäuferin in ihrer Familie in bester Gesellschaft. Ehemann Josef Hauwe ist Fleischermeister. Die beiden Töchter Kerstin (41) und Martina Hauwe (36) sind als Fleischermeisterin bzw. Köchin Vollzeit in Landwirtschaft und Schlachtung sowie Hofladen und Partyservice eingebunden.
Rückwärtsintegration von der Roulade zum Bullen
Dabei hatte das Seniorpaar nie die Absicht, den landwirtschaftlichen Betrieb aus der Familie Hauwe zu übernehmen. Beide hatten sich nach ihrer Ausbildung ihre eigenen Betriebe aufgebaut. Josef Hauwe war als Überlandschlachter unterwegs und seine Frau hatte einen Partyservice, für den sie extra eine Gewerbeküche ins Privathaus bauen ließ. Doch ein Unfall in der Familie Hauwe durchkreuzte die ursprünglich geplante Hofnachfolge. Kurzerhand übernahm daher das Paar 1998 den landwirtschaftlichen Betrieb, obwohl beide nicht über eine Ausbildung in der Landwirtschaft verfügten. Sie schafften die Schweine ab und konzentrierten sich fortan auf die Bullenmast. Gleichzeitig investierten sie in Schlachträume, eine Gewerbeküche und einen kleinen Hofladen.
Das damalige Konzept besteht bis heute und der Betrieb profitiert von seinen verschiedenen Standbeinen. Heute führen Hauwes in den EU-zugelassenen Räumlichkeiten auch Lohnschlachtungen von Rindern und Schafen für andere Landwirte und Direktvermarkter durch. Vorrang hat jedoch die Schlachtung der wöchentlich bis zu fünf hofeigenen Bullen. Denn jegliches Rindfleisch, das Hauwes ihren Cateringkunden anbieten, stammt vom eigenen Betrieb. Das Schweinefleisch kaufen sie von regionalen Landwirten zu. Etwa 28 Veranstaltungen bewirtet Familie Hauwe jede Woche. „Wir kochen für kleine Familienfeiern sowie für Abibälle mit mehreren Hundert Gästen“, beschreibt Kerstin Hauwe die Schlagkraft. Der damit verbundene Logistikaufwand ist erheblich. Es gilt, die neun Fahrzeuge und das Personal zu koordinieren, damit das Essen pünktlich und in bester Qualität beim Kunden eintrifft.
Individualität ist Trumpf
Ein besonderes Augenmerk legen die erfahrenen Veranstaltungsgastronomen stets auf die Individualität der Buffets. Das bedeutet konkrete Absprachen mit den Kunden und viel Fingerspitzengefühl. „Häufig erkennen wir im ersten Augenblick, welche Speisen passen könnten“, schmunzelt Kerstin Hauwe und ergänzt: „Wir vermeiden es, Onlineangebote zu machen – das ist zu unpersönlich.“
Doch die Wünsche der Kunden wandeln sich. „Mengenmäßig hatten wir stets 50 % Fleisch, 30 % Gemüse und 20 % Molkereiprodukte bei unseren Buffets“, wirft Evelyn Hauwe einen Blick in zurück. Heute verschiebe sich der Fokus weg vom Fleisch hin zu mehr Gemüse, das mittlerweile gut 40 % ausmacht. Dennoch ist die Fleischerfamilie guten Mutes, ihren Betrieb gut aufgestellt zu haben. Ihre Kunden wissen die kurzen Wege, die das Fleisch zurücklegt und die handwerkliche Arbeitsweise entlang der Wertschöpfungskette zu schätzen. Gerade in Zeiten von Corona haben Hauwes gemerkt, wie wichtig es für den wirtschaftlichen Erfolg war, auf mehreren Füßen zu stehen. Der Umsatz des Partyservices brach gänzlich ein und die 14 festangestellten Mitarbeiter mussten in Kurzarbeit gehen. Auch die etwa 16 Aushilfen, die sonst bei Veranstaltungen unterstützen, blieben zu Hause. Mittlerweile sind nahezu alle Angestellten zurückgekehrt, auch wenn aus Sicht von Evelyn Hauwe beim Umsatz im Veranstaltungsbereich noch deutlich Luft nach oben ist.
Frisch oder Convenience
Im Gegensatz dazu erfreute sich der Hofladen in den vergangenen Monaten besonders großer Beliebtheit. In der Zeit des ersten Lockdowns ging vermehrt Hackfleisch über die Ladentheke. Gespräche mit den Kunden zeigten, dass viele wieder damit begannen, selbst zu kochen – einfach, weil die Zeit da war. Doch das Sortiment im Hofladen spricht nicht nur begnadete Hobbyköche an. Neben Frischfleisch liegen in der Theke auch Wurstwaren und Convenience-Produkte zum Kauf bereit. „Unsere Kundschaft ist sehr heterogen“, weiß Evelyn Hauwe, die noch nicht plant, sich aus dem Familienbetrieb zurückzuziehen – weil Fleisch ihr einfach Spaß macht.
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