Kommentar

Vom Energie-Fiasko lernen

Verrückt: Gerade baut sich eine Sommer-Hitzewelle auf. Richtig ins Schwitzen kommt Deutschland aber beim Blick auf den Winter. Hauptsache, es wird bei Lebensmitteln nicht ebenso abhängig wie beim Gas.

Geht tatsächlich das Erdgas aus, könnten Wohnungen kalt und Kühlschränke leer bleiben. Das ist sicher das denkbar schlimmste Szenario, aber nicht völlig unrealistisch.

Das Dilemma

Deutschland hat sich von Energieimporten aus Russland abhängig gemacht, vor allem bei Gas. Als Gegenreaktion auf Sanktionen hat Russland die Liefermengen gedrosselt. Seit Montag fließt gar kein Gas mehr durch die Pipeline Nord Stream 1. Grund ist eine jährliche Routinewartung, die maximal zwei Wochen dauern soll. Die Sorge: Als Druckmittel könnte Kreml-Chef Putin den Gashahn länger geschlossen ­lassen. Zwar liefern auch andere Länder Gas nach Deutschland. Ohne russisches Gas könnte Deutschland seine Gasspeicher vor dem Winter aber nicht ausreichend füllen. Und im Laufe des Winters könnte schlichtweg das Gas ausgehen.

Davor warnen Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller eindringlich. Sie sind für die Gasverteilung zuständig. Wem sie im Ernstfall die Gaslieferung kürzen oder ganz streichen, können sie noch nicht sagen. Aktuell meldet sich fast jede Branche zu Wort, dass sie unverzichtbar sei. Klar scheint, dass Freizeit- und Wohlfühlbereiche als erstes gekappt würden, zum Beispiel Schwimmbäder. Das wäre nicht schön, aber verkraftbar.

Wirtschaftlicher Schaden

Turbulent wird’s, wenn Industrieunternehmen kein Gas mehr bekommen: wirtschaftliche Schäden, mehr Arbeitslose, gestörte Lieferketten. Und wenn Schlachthöfe und Molkereien abgeklemmt würden: Schweine und Milch blieben auf den Betrieben stehen, der Nachschub in den Supermärkten geriete ins Stocken. Landwirtschaftliche Betriebe zählen zwar wie Haushalte zu den geschützten Kunden. Sie bleiben am längsten am Gasnetz. Doch auch sie würden es heftig spüren: Gas und Energie wird noch teurer. Betriebsmittel wie Futter oder Ersatzteile könnten fehlen, weil die Hersteller kein Gas zur Produktion haben.

Kurzfristig von Erdgas auf andere fossile oder regenerative Energie zu wechseln, klappt flächendeckend nicht. Als erste Maßnahme bleibt vielfach nur, so viel Gas und Energie wie möglich zu sparen. Perspektivisch braucht Deutschland einen Energiemix mit deutlich mehr Erneuerbaren Energien. Die Vision: Versorgungssicherheit und Klimaschutz im Einklang.

Lebensmittelversorgung in Deutschland halten

Wichtig ist, dass die Politik aus dem Energie-­Fiasko mit extremen Abhängigkeiten lernt. Keines­falls darf sie ähnliche Fehler in anderen Wirtschaftsbereichen wiederholen, zum Beispiel in der Landwirtschaft: Noch sichern die deutschen Landwirte in weiten Teilen die Lebensmittelversorgung der deutschen Verbraucher. Übertriebene politische Vorgaben dürfen das nicht gefährden – sonst verliert Deutschland die eigene Lebensmittelproduktion und macht sich hier noch stärker von Importen abhängig. Mit all den Gefahren, die es gerade bei Energie gibt.

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