Sozialwahl bei SVLFG im Jahr 2017 ungültig

"Verstoß gegen demokratische Grundrechte"

Drei Landwirte aus Westfalen-Lippe setzen sich dafür ein, dass Hunderttausende Rentner im nächsten Jahr zum ersten Mal an der Sozialwahl der SVLFG teilnehmen könnten. Die Wahl von 2017 ist ungültig.

Sie sorgten für die Abschaffung der Hofabgabeklausel. Und jetzt setzen sich dieselben drei Landwirte aus Westfalen-Lippe dafür ein, dass Hunderttausende Rentner im nächsten Jahr zum ersten Mal an der Sozialwahl der SVLFG teilnehmen könnten. Die Wahl von 2017 hat das Landessozialgericht Hessen Ende Januar 2022 für ungültig erklärt.

Hunderttausende versicherte Landwirte ausgeschlossen

Die Sozialwahl der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) ist ein hohes demokratisches Gebilde. Trotzdem wurden bundesweit Hunderttausende versicherte Landwirte mit kleineren Betrieben bis zu 100 ha und Rentner von der Sozialwahl 2017 bei der SVLFG ausgeschlossen. Werner Seeger, Gerhard Behring, beide Herford, und Dietrich Hugenberg, Extertal im Kreis Lippe, sehen einen Verstoß gegen demokratische Grundrechte.

Klage gegen SVLFG

Die drei ehemaligen Landwirte verstehen sich als „eingeschworene Truppe“. Schon einmal sorgte das Trio mit Heinrich Eickmeyer aus Leopoldshöhe (Kreis Lippe) als Vierten im Bunde für einen Paukenschlag. Auf ihre Initiative hin hatte das Bundesverfassungsgericht die Hofabgabeklausel im Jahr 2018 für ungültig erklärt.

Nun kämpfen sie dafür, dass Kleinlandwirte und Rentner ebenso Vorstandsposten bei der SVLFG bekleiden können und bei der Sozialwahl ihre Vertreter aufstellen und wählen dürfen wie die „Großen“. Hugenberg, Seeger, Behring und Eickmeyer bilden die „Freie Liste Eickmeyer“ und sind Kläger in einem von drei verbundenen Verfahren gegen die SVLFG. Sie werfen dieser vor, gesetzliche Regelungen bei der Sozialwahl am 31. Mai 2017 fehlerhaft ausgelegt und 400  000 Rentner und Kleinbauern von der Wahl ausgeschlossen zu haben.

Zum Hintergrund: Bis 2013 gab es bundesweit 36 einzelne Sozialversicherungsträger mit jeweils neun landwirtschaftlichen Berufsgenos­senschaften (BG), landwirt­schaft­lichen Alters- sowie ­landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekassen. Die damalige Landwirtschaftliche Sozialversicherung (LSV) durfte nur wählen, wer auch in der BG ist. Juristen sprechen von „Organleihe“. Hierüber etablierte sich das Wahlverfahren in der LSV. Wegen wiederholter Kritik, u.  a. mahnte der Bundesrechnungshof hohe Kosten an, wurde 2017 die SVLFG errichtet.

Organleihe fällt weg

„Da diese eine Körperschaft ist und alle Versicherungszweige in sich vereint, fiel die ,Organleihe‘ weg“, erläutert Hugenberg. Jedoch habe die SVLFG die Wahl 2017 nach Rücksprache mit dem Bundesarbeits- und dem -sozialministerium wie bisher durchgeführt. Damit wurden die Rentner und Kleinlandwirte ausgeschaltet, die nicht in die BG zahlen. Da bleibe nach Ansicht der drei Landwirte die Demokratie auf der Strecke.

Sozialwahl bei der SVLFG im Jahr 2017 ungültig

Diese Auffassung teilt offenbar auch das Hessische Landessozialgericht. Mit seinem Urteil vom 28. Januar 2022 erklärte es die Sozialwahl bei der SVLFG im Jahr 2017 für ungültig. Das Gericht stellte fest, dass die SVLFG die gesetzlichen Regelungen fehlerhaft ausgelegt hat. Die Wahl wurde ausschließlich im Zweig der BG durchgeführt, was jedoch nach der Vereinigung auf einen Träger (SVLFG) nicht mehr möglich war. Die SVLFG kündigte am 2. Februar an, voraussichtlich Revision einzulegen. Hugenberg, Seeger und Behring hoffen allerdings, dass die SVLFG das Urteil des Hessischen Landessozialgericht umsetzt und die im nächsten Jahr stattfindende reguläre Sozialwahl nach Recht und Gesetz durchgeführt wird.

Tempo ist angesagt

Alles andere, etwa eine Neuwahl, würde Zeit und Geld kosten – im Raum stehen 5 bis 6 Mio. € für eine Wahl. Außerdem ist Tempo angesagt: Der Bundeswahlbeauftragte, Peter Weiß (MdB, CDU), muss die Regularien zur Sozialwahl 2023 am 1. April 2022 festlegen. Falls dann wieder Hunderttausende Kleinbauern und Rentner außen vor sind, dürfte das den Richtern am Bundessozialgericht (BSG) sicherlich nicht gefallen.

Das Trio ist zuversichtlich, dass die SVLFG die Revision überdenkt, scheut aber auch nicht den Gang vors BSG. „Der Berufsstand der Landwirte legte immer Wert darauf, eine eigene berufsständische Sozialversicherung zu haben. Da muss man auch alle berücksichtigen, die Landwirte oder landwirtschaftliche Rentner sind.“ Damit könnten im nächsten Jahr erstmals Hunderttausende Kleinbauern an einer Sozialwahl teilnehmen.

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