Für die Standorte Weißenfels, Rheda und Sögel kündigt die Tönnies-Unternehmensgruppe in noch unbekanntem Umfang die Verträge mit den Landwirten zur Schweineerzeugung gemäß Initiative Tierwohl (ITW). Tönnies hält sich dabei an die gemäß Vertrag bestehenden Laufzeiten. Primär werden offenbar solche Verträge gekündigt, bei denen unregelmäßig oder wegen Aufgabe der Schweinemast gar nicht mehr geliefert wurde. Aber auch solche mit nur noch kurzfristiger Laufzeit (November 2022) sind betroffen.
Auch von anderen Schlachtbetrieben hört man das Problem, dass sie die ITW-Ware in größerem Umfang nicht als solche vermarkten können. Bei Manten oder Westfleisch ist allerdings bislang nichts von Vertragskündigungen bekannt. Nach „mehr“ ruft derzeit aber niemand in der Branche.
Nun muss man Folgendes wissen: Die Schlachter suchten vor einem Jahr auch deshalb ITW-Ware, weil sie sich für die Sonder- und Rabattaktionen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) mit ausreichenden Reservemengen absichern wollten. Die Aktionen sind jedoch selten geworden, die Absatzmengen deutlich kalkulierbarer. Das verringert die notwendigen ITW-Kapazitäten.
Trotzdem kommen die Kündigungen bei den betroffenen Landwirten naturgemäß nicht gut an. Die Reaktionen sind aber unterschiedlich. Manche waren bei ITW ohnehin nur mit halbem Herzen dabei und fühlen sich jetzt bestätigt: „Der Verbraucher will billig!“
Auch Erzeugergemeinschaften, Genossenschaften und der Viehhandel sind sauer: Da hat man die Mäster intensiv zu ITW genötigt – der Ausdruck „erpresst“ ist auch nicht falsch – und jetzt darf man seinen Kunden die Kündigung erklären.
Es gilt jedoch zu differenzieren: Für die Frischfleischtheken bleiben die Großen des LEH bei ITW-Ware. Bei Verarbeitungsware scheint es dagegen zu bröckeln. Bei 1,20 € Basispreis war ITW in den Kalkulationen kein größeres Problem. Bei knapp 2 €/kg ist es das offenbar schon.
Man möge nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, aber: Im Frischfleischbereich will der LEH laut eigener Ankündigung im großen Stil sogar zu Haltungsform 3 und 4 mit Außenklima oder Auslaufhaltung. Im Verarbeitungsbereich kann oder will die Industrie dagegen nicht einmal ITW?
Das wird schwierig, denn ein Schwein geht weder komplett in die Wurst, noch lässt es sich in Gänze über die Frischfleischtheke vermarkten. Und für die Schlachter werden die Preiskalkulationen im Absatz bei der Gemengelage dadurch auch nicht leichter.
Wenn sich der Verarbeitungsbereich teilweise von ITW verabschieden sollte, oder – ein größeres Problem – für den Exportanteil ITW-Ware gar nicht geht, wird man ITW/Nicht-ITW mengenmäßig neu justieren müssen. Man nennt das „Markt“ – was die Landwirte nicht tröstet, die jetzt auf den ITW-Investitionen sitzen bleiben.
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