Sobald die Grünlandernte im Frühjahr ansteht, sorgen sich Landwirte, ob sich im Grasaufwuchs Jungwild wie Rehkitze, Junghasen oder Gelege von Bodenbrütern befinden. Vorrangig ist es der erste Schnitt, der die Gefahr birgt, Jungwild auszumähen.
Zum Autor: Michael Sommer ist Förster, Jäger, Hundeführer und Mitinitiator der „Wendschen Kitzrettung“, einer Unterabteilung des Mountain-Bike Vereins „MTB Wendener Land e. V.“ in Wenden, Kreis Olpe. Die Wendschen Kitzretter sind 2021 mit der Jungtierrettung gestartet und haben insgesamt mehr als 200 Kitze sowie Junghasen und Igel gefunden und vor dem Mähtod gerettet. Die Gruppe umfasst aktuell gut 50 ehrenamtliche Helfer: vom 14-jährigen Schüler bis zum 70-jährigen Rentner. www.wendsche-kitzrettung.de/
Risiko mindern
Im Zeitalter von Drohnentechnik und hochauflösenden Wärmebildkameras sowie der inzwischen – auch Dank staatlicher Förderung – nahezu flächendeckenden Präsenz von „Kitzrettern“ lässt sich das Risiko des Mähtodes deutlich mindern. Wichtig bei allen Beteiligten, sprich Landwirten, Jägern und Wildtierrettern ist, dass die Grundeinstellung stimmt, die Kommunikation funktioniert und der Wille da ist, seinen jeweiligen Beitrag hierbei zu leisten.
Hier ein paar grundsätzliche Tipps aus der Praxis:
- Als Landwirte sollten Sie frühzeitig – gerne auch weit vor Beginn der stressigen Frühjahrssaison – auf die Jäger bzw. die Kitzretter vor Ort zukommen und mittels Luftbildern und Kartenausschnitten über die zu befliegenden Flächen informieren. Die Kitzretter können dann die Flugrouten bereits im Vorfeld in der EDV erfassen und auf die Drohnen übertragen.
- Neben der höheren Effektivität („Trefferquote“) und Flächenleistung hat das Befliegen mit Wärmebild-gestützten Drohnen den praktischen Vorteil, dass in die Mahdfläche nur dann gelaufen werden muss, sofern ein Kitz entdeckt wurde. Ein flächiges Belaufen bzw. Niedertreten und Durchstreifen lässt sich so verhindern.
- Die Teams der Kitzrettung sind in der Regel professionell aufgestellt. Das heißt, sie verfügen nicht nur über die entsprechende Technik und Ausrüstung, sondern können die entsprechenden Pilotenscheine, Ausnahmegenehmigungen (Flüge nah an Autobahnen, über Naturschutzgebieten oder entlang von Bundesstraßen) und Versicherungen vorweisen.
- Trotz aller Wetterrisiken wissen Landwirte in der Regel, wann sie welche Flächen mähen wollen. Diese Information ist möglichst frühzeitig an die Jäger und Kitzretter vor Ort weiterzugeben.
- Versuchen Sie als Landwirt Ihren Nachbarn zu überzeugen, am selben Tag die angrenzenden Flächen zu mähen. Dadurch wird der Einsatz der Kitzretter großflächiger und damit effektiver. Gleichzeitig sinkt das Risiko, dass in den nächsten Tagen in Nachbarflächen vermehrt Kitze vorkommen.
- Die größtmögliche „Trefferquote“ beim Einsatz von Drohnen ist in den frühen Morgenstunden gegeben, da dann der Temperaturunterschied für die Wärmebild-Kamera am größten ist.
- Gefundene Kitze können und sollten nicht länger als maximal drei Stunden gesichert bzw. weggesperrt sein, da sie der regelmäßigen Muttermilch der Ricken bedürfen. Das bedeutet: Die Mähtechnik sollte kurz nach den Kitzrettern anrücken. Haben letztere etwa eine halbe Stunde Vorsprung, werden sie in der Regel nicht mehr eingeholt.
- Die bei uns zur Sicherung der Kitze verwendeten Körbe tragen alle einen Aufkleber der Kitzrettung. Durch die aktive Kommunikation in den (sozialen) Medien ist die Bevölkerung vor Ort recht gut über die Kitzrettung und die Verwendung der Körbe zum Sichern der Kitze informiert.
- Ist die Fläche gemäht, sollten die Kitze möglichst am Wald- bzw. Heckenrand aus dem Korb entlassen werden. Oftmals ist die Ricke in der Nähe und wartet auf ihr Kitz.
- Lassen Sie sich als Landwirt von den Kitzrettern eine Bescheinigung über das erfolgte Abfliegen und die gegebenenfalls gefundenen Kitze ausstellen.
Bei aller Euphorie und entsprechender Erwartungshaltung: Eine 100%ige Garantie gibt es leider nie. Je später am Tag mit dem Überfliegen begonnen wird, desto langsamer und niedriger muss geflogen werden und desto größer wird der Anteil von Fehlflügen. Die Gefahr, Jungwild zu übersehen, steigt dann rapide.
Zu den Kosten
Viele Kitzretter-Teams arbeiten komplett kostenlos. Andere nehmen eine geringe Aufwandspauschale. Grundsätzlich freuen sich die überwiegend ehrenamtlich agierenden Kitzretter über ein lobendes Wort, einen dampfenden Kaffee, ein frisches Brötchen oder einfach eine kleine Spende.
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