Frau Dr. Hammer, Sie sind seit dem 1. Juli Geschäftsführerin beim Bundesverband Rind und Schwein (BRS). Was sind Ihre Ziele?
Dr. Hammer: In meinen Glückwunschschreiben stand oftmals: „Da hätten Sie sich aber bessere Zeiten aussuchen können.“ Das stimmt, aber ich blicke trotzdem mit Optimismus in die Zukunft. Ich will unsere Mitgliedsunternehmen politisch und fachlich unterstützen, sodass sie auch künftig in Deutschland marktwirtschaftlich bestehen können und bestmöglich informiert sind. Denn Deutschland ist ein Gunststandort für Landwirtschaft. Außerdem möchte ich zu der Lösung der Zielkonflikte im Umwelt-, Natur- und Tierschutz beim Umbau der Tierhaltung weiter beitragen. Der Strukturwandel darf nicht aufgrund baurechtlicher Grenzen voran getrieben werden. Wichtig ist mir, dass wir Mut machen, wo wir können.
Herr Geuecke, auch Sie sind seit dem 1. Juli neuer Vorsitzender beim BRS. Aktuell haben Tierhalter einen schweren Stand. Was sind die größten Baustellen?
Geuecke: Aus Sicht der Landwirte sind es bei den Schweinehaltern die Umbauten mit dem sich widersprechenden Baurecht. Bei Rinderhaltern sind zusätzlich die Langstreckentransporte in Drittländer Thema. Aufgrund der Emotionalität des Themas ist es hier besonders schwer, mit fachlichen und sachlichen Argumenten zu überzeugen. Auch unsere Mitglieder sind vom Strukturwandel betroffen. Für Landwirte sind es ein Stück weit frustrierende Zeiten. Wir brauchen jetzt Planungssicherheit.
Aktuell überwiegen die „Schweine-Themen“. Wie ist das Gleichgewicht von Rind und Schwein im Verband?
Dr. Hammer: Themen um die Schweinehaltung werden medial noch mehr aufgearbeitet. Wir befassen uns täglich mit mindestens genauso vielen Rinderthemen. Aber die öffentliche Kritik liegt vermehrt bei Tierschutzthemen in der Schweinehaltung.
War der Zusammenschluss Rind und Schwein 2017 richtig? Profitieren Sie davon?
Geuecke: Ja, wir arbeiten nach Themen, nicht nach Tierarten. Die Themen sind bei Rindern und Schweinen sehr ähnlich. Es geht nicht nur um die Haltungs- und Tierschutzfragen, sondern auch um die Weiterentwicklung der Zucht. In der Politik haben wir dieselben Ansprechpartner für Rind und Schwein.
Dr. Hammer: Bestes Beispiel: die Kastenstandhaltung der Sau wird mit der Anbindehaltung der Rinder verhandelt. Das hat fachlich nichts miteinander zu tun. Aber daran sieht man, dass politisch betrachtet, die Tierarten zusammen behandelt werden.
Die Zahl der Tierhalter sinkt drastisch. Wo sehen Sie die Tierhaltung in fünf Jahren?
Geuecke: Das, was in der Tierhaltung politisch und gesellschaftlich gewollt ist, wird von der gleichen Politik und Gesellschaft abgeschafft. Das können wir nicht aufhalten. Wenn es so weitergeht, bleiben große Betriebe und Nischen bestehen, Familienbetriebe fallen dann weg.
Warum kommt das bei der Politik nicht an?
Dr. Hammer: Ich weiß es nicht. Ich glaube, es gibt ein grundsätzliches politisches Problem: Die einzelnen Entscheider verfügen über zu wenig Wissen zu einzelnen Themen. Ein Beispiel: Die Beförderungszeit von Schlachttieren bei mehr als 30 °C soll nur noch viereinhalb Stunden betragen dürfen. Darunter werden wieder die kleinen Transporteure und Schlachtunternehmen leiden, nicht die großen. Mir ist völlig unverständlich, dass man nicht mal in Corona-Zeiten die Wichtigkeit der kleinen und mittelständischen Unternehmen sieht. Ich habe große Sorge davor, auch bei den Sauenhaltern, dass man in 10 bis 15 Jahren feststellt, dass der Weg, den man eingeschlagen hat, der falsche war. Dann ist es zu spät.
Geuecke: Aktuelles Thema dazu: Die Politik wundert sich über die ganzen Werkverträge in den Schlachthöfen. Dieselbe Politik hat aber die Auflagen so hoch gemacht, dass kleine Metzger schließen mussten.
Der Bundestag hat kürzlich den Empfehlungen der Borchert-Kommission zugestimmt. Sind diese Umbauvorschläge die Rettung für deutsche Tierhalter?
Dr. Hammer: Wir begleiten den Prozess der Nutztierstrategie konstruktiv, aber kritisch. Manche Anforderungen, die gestellt werden, sind nicht erfüllbar, ohne viele Landwirte zu verlieren. Herr Borchert ist der erste, der eine solche Strategie auf die Beine gestellt hat. Das muss man erst mal schaffen. Etwas fragwürdig ist, wie das Bundesministerium damit umgeht.
Das Kompetenznetzwerk hat den Fahrplan und die Ziele aufgestellt, und die einberufenen AG’s sollen jetzt den Weg dorthin aufzeigen. Umgekehrt wäre es gegebenenfalls besser gewesen, auch um Machbarkeiten besser abschätzen zu können. Insgesamt finde ich das Borchert-Konzept gut, aber die Zeiträume sind zu knapp und die Finanzierung steht absolut nicht.
Wo könnte bei den Übergangszeiten ein Kompromiss liegen?
Dr. Hammer: Solange der Abschreibungszeitraum bei 20 Jahren liegt, sollte der Zeitraum für einen Umbauzwang auch so angesetzt werden. Oft ist das Bedienen der Kredite an eine bestimmte Tierzahl gebunden, auch deshalb sind kürzere Zeiträume problematisch.
Gehen Sie bei der Tierwohlabgabe mit?
Dr. Hammer: Die Nutztier-Strategie in NRW halte ich für praxisorientierter. Grundsätzlich muss die Tierwohlprämie unabhängig von der AFP-Förderung und der zwei Großvieh-Grenze laufen. Das Modell muss mehrstufig werden. Tierwohl muss on top bezahlt werden. Wichtig ist uns, dass der landwirtschaftliche Betrieb am Ende marktwirtschaftlich bestehen kann, auch ohne Förderungen.
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