Serie: Premiumprodukt Kalbfleisch

Wo bleiben Bullenkälber?

Mehr als 620.000 Kälber werden jährlich in die Niederlande exportiert. Knapp 14 % davon liefert das Unternehmen Berghuis.

Die meisten Milchkühe bekommen jährlich ein Kalb, davon ist etwa die Hälfte männlich. Das erklärte Paul Berghuis am Mittwoch vergangener Woche bei einer Betriebsführung bei Berghuis Kälberhandel in Ibbenbüren, Kreis Steinfurt. Berghuis sei sehr wohl bewusst, dass Milchviehhalter immer mehr Fleischrassen einkreuzen oder gesextes Sperma einsetzen. Trotzdem gibt es viele Holstein-Friesian Bullenkälber. An dieser Stelle hat der Kälberhandel eine wichtige Funktion am Markt. Zum Gespräch eingeladen war auch Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW.

2.500 Kälber pro Woche

In der Regel verkaufen Milchviehhalter die männlichen Tiere im Alter von zwei Wochen an die örtlichen Händler. Diese liefern etwa 2.500 Kälber wöchentlich zu Berghuis. Rund 85 % der Kälber stammen aus Niedersachsen, NRW und Schleswig-Holstein, erklärte Paul Berghuis. Er führt gemeinsam mit seinem Bruder, Stefan Berghuis, das Unternehmen. Keines, der bei ihnen gehandelten Kälber, kommt aus dem Ausland. Den Brüdern ist wichtig, dass die überwiegend Holstein-Friesian Bullenkälber einen deutschen Gesundheitsstatus haben.

Berghuis zahlt im Schnitt 100 bis 150 € pro Kalb an die Händler. Aktuell sind die Preise allerdings schlechter. „Momentan zahlen wir den Händlern 90 € für Kälber mit mehr als 50 kg Gewicht und 40 € für leichtere Kälber“, erklärte Paul Berghuis. An der Sammelstelle werden alle Kälber gleich behandelt, da es für jedes Kalb einen passenden Abnehmer gibt. Die Kälber kommen montags oder dienstags nachmittags bei Berghuis an. „Dienstags und mittwochs sind unsere Hauptverkaufstage“, so der Kälberhändler. Die mit Stroh eingestreuten Buchten sind nur drei Tage die Woche mit Kälbern besetzt. Danach wird alles gründlich gereinigt und desinfiziert.

Auf dem Betrieb werden alle Kälber mit 2 kg Elektrolyten getränkt und gewogen. Für die Berghuis Brüder ist Tierwohl wichtig: Nur gesunde Tiere kommen gut beim Kunden an. Beim Wiegen der Tiere machen die Brüder von jedem Kalb vier Fotos. „So können wir nachweisen, wie die Kälber bei uns aussahen. Wir können unsere Argumente mit Bildern untermauern“, so Berghuis. Nach dem Wiegen sortieren die Mitarbeiter die Kälber anhand eines Berghuis Calf Select-Systems in fünf verschiedene Qualitätsgruppen. Diese Gruppen bestehen aus 20 Tieren und werden auch zusammen getränkt. Im Idealfall bleiben die Tiere auch später in den Ställen zusammen. „Normalerweise sind die Kälber spätestens 24 Stunden nachdem sie von ihrem Herkunftsbetrieb geholt wurden auf dem Zielbetrieb.“

Berghuis Kälberhandel ist auch eine EU-anerkannte Tränkestation. Langstreckentansporteure aus dem Ausland können ihre Kälber in Ibbenbüren für 24 Stunden abladen und tränken. Momentan wird der Service aber nicht in Anspruch genommen.

Kälber für den Export

Für Bullenkälber gibt es laut der Geschäftsführer vier verschiedene Vermarktungsmöglichkeiten: Entweder sie gehen in die Bullenmast. Holstein-Friesians sind aber bei den Bullenmästern nicht beliebt. Ihre Zunahmen können nicht mit denen der Fleischrassen mithalten. Gefragter sind die Kälber in der Kälbermast entweder für die Produktion von hellem oder roséfarbendem Fleisch. In Deutschland werden jährlich etwa 320 000 Kälber geschlachtet.

Die vierte Vermarktungsmöglichkeit für die Kälber ist der Export: Mehr als 620. 000 Kälber gingen 2019 in die Niederlande und dort in die Ställe von Kälbermästern, etwa 90. 000 Tiere kamen von Berghuis.

Von den 2.500 wöchentlich gehandelten Tieren bleiben 300 bis 350 in Deutschland und gehen in die Bullenmast. Dabei handelt es sich häufig um Kreuzungstiere. Rund 2.000 Kälber schickt Berghuis wöchentlich auf den Weg in die Niederlande. Sie gehen alle zu der Pali Group, einem niederländischen Unternehmen mit eigener Kälbermast. Die Pali Group ist der größte Rosémäster im Nachbarland. Außerdem hat das Unternehmen einen eigenen Schlachthof, eigene Zerlegung und Lederverarbeitung.

Wenige Kälber exportierte der Kälberhandel bis vor kurzem auch nach Italien. Mit diesen Kälbern machten die Fahrer im Normalfall einen Zwischenstopp bei einer anerkannten Sammelstelle in Süddeutschland. Im Zuge des Verbots von langen Transporten von nicht abgesetzten Kälbern wurde der Transport nach Norditalien allerdings untersagt.

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