Serie: Premiumprodukt Kalbfleisch

Wie funktioniert die Preisfindung bei Schlachtkälbern?

Notierungen für Milch- und Rosékälber gibt es nicht und wenn, sind sie nicht aussagekräftig. Denn der Markt ist klein und hoch spezialisiert. Niemand will sich in die Karten gucken lassen.

Der Markt ist klein und durch die Konzentration weniger, meist voll integrierter Unternehmen geprägt. Niemand lässt sich freiwillig vom Konkurrenten in die Karten sehen. Anders als bei Rind und Schwein gibt es keine Marktpreisbildung nach Angebot und Nachfrage.

Eine Markttransparenz ist aufgrund unterschiedlicher Abrechnungssysteme schwer herzustellen und die wahren Erzeugerpreise bewegen sich eher in einer Grauzone. So beschreibt Albert Hortmann-Scholten, Geschäftsführer bei der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG), den Markt für Schlachtkälber.

Vertrags- versus freie Mast

Etwa 130 Kälbermäster gehören der Kontrollgemeinschaft Deutsches Kalbfleisch (KDK) an. Von den Landwirten mästen einige in Kooperation mit den integrierten Unternehmen Denkavit, Brüninghoff oder Bahlmann. Die sogenannten Vertragsmäster bekommen Kälber und Futtermittel geliefert. Sie stellen ihren Stall und ihre Arbeitskraft, zahlen Strom, Wasser und Gas selbst. Dafür erhalten sie einen monatlichen Lohn. Dieser ist unabhängig vom Marktpreis. Die freien Mäster hingegen tragen das volle Marktrisiko: Sie profitieren von guten und leiden unter schlechten Preisen.

Kälber dürfen nicht älter werden als acht Monate. (Bildquelle: Schildmann)

„Hätten wir nur noch integrierte Mäster, dann wäre gar keine Preispolitik mehr nötig. Die freien Mäster nehmen eine wichtige Rolle ein“, beschreibt Theresa Averbeck von der KDK. Aber wie funktioniert die Preisfindung für Schlachtkälber?

„Für Kalbfleisch gibt es keine Notierung – und wenn, ist sie nicht zu nutzen“, erklärt Dr. Bernhard Schlindwein, Geschäftsführer beim Bundesverband der Kälbermäster (BDK). Denn bei der Notierung wird nicht zwischen hellen und Rosékälbern unterschieden.

Im Prinzip machen in Deutschland die drei Kälberschlachthöfe Westfleisch, Bahlmann und Brüninghoff die Preise. Westfleisch ist dabei der einzige Schlachthof ohne integrierte Kälbermast.

Wie entstehen die Preise?

Die drei Schlachthöfe ermitteln jeweils wöchentlich einen Preis für ihr Unternehmen, den sie ihren Kälbermästern auszahlen. Dieser gilt in der Regel für die Schlachtkälber der Vorwoche. „Die Preissetzung erfolgt nach Angebot und Nachfrage“, sagt Tobias Brüninghoff, Geschäftsführer bei Brüninghoff. Die Preise steigen, wenn die Nachfrage der Kunden groß ist.

Ähnlich beschreibt das auch Bernd Westerwalbesloh, Mitglied der Geschäftsführung bei Bahlmann. Allerdings legt Bahlmann einen Basispreis pro Kopf beim Einkauf fest. Dieser setzt sich aus bestimmten Kriterien zusammen. Nach erfolgter Klassifizierung wird die Abrechnung erstellt. Die Schlachthöfe arbeiten mit einer Farbskala. Für helle Kälber gibt es einen besseren, für dunklere Kälber einen schlechteren Preis.

„Es dürfen höchstens 5 % meiner Kälber im dunklen Farbbereich sein, sonst ist meine Fütterung zu teuer“, erklärt Christoph Hackmann, freier Mäster von Milchkälbern aus Holdorf, Landkreis Vechta.

Die Preisspanne bei Kalbfleisch liegt im Normalfall zwischen 4 und 5 €/kg. Von November bis Ostern liegt der Preis eher bei 5 €/kg, im Sommer bei 4 €/kg. Der Preis für Rosékälber liegt etwa 1 €/kg darunter, mal mehr und mal weniger.

Kalbfleisch ist immer noch ein saisonales Produkt. Zu Ostern und Weihnachten sind unsere Schlachtkapazitäten zu 150 % ausgelastet. Im Sommer hingegen ­müssen wir teilweise Fleisch einfrieren“, sagt Brüninghoff.

Ludger Weßling, Kälberspezialist bei Denka­vit, hält das Kälbergeschäft für nicht mehr ganz so saisonal, wenngleich die Preise in der Vorweihnachts- und Pfingstzeit immer besser sind als im Sommer.

In der vergangenen Woche lag der Preis für Milchkälber bei 4,40 bis 4,50 €/kg und bei Rosékälbern bei etwa 3,50 €/kg. Im Sommer lagen die Preise für helles bei gerade mal 3,50 € und für rosafarbenes Fleisch bei 2,60 €.

Einfluss aus Niederlanden

Der Preis für die Schlachtkälber wird zwar in Deutschland ermittelt. Aber die Niederlande haben einen enormen Markteinfluss, da sie 50 % des deutschen Marktes ­beliefern, erklärt Weßling. Auch Thomas Schürmann, Teamleitung Kälber und Fresser bei der Westfleisch, sagt: „Die Niederlande spielen mit Van Drie in der ­Champions League, Deutschland in der Kreisklasse.“

In den Niederlanden werden jährlich rund 1,5 Mio. Kälber geschlachtet, hier etwa 320.000. Die Preise für deutsches Kalbfleisch mit dem „5-D-Prinzip“ der KDK dürfen zwar etwas höher sein, aber laut Vermarkter gibt es nach oben eine Schmerzgrenze.

Für Westerwalbesloh ist neben dem niederländischen Markt auch die europäische Nachfrage von ­Bedeutung: „Bahlmann exportiert nach Frankreich, Skandinavien, Norditalien, Österreich oder auch Spanien.“ Aber vor allem Frankreich ist entscheidend. Dort wird, wie in Italien, viel Kalbfleisch gegessen.

Freie Mäster verhandeln

Viele freie Mäster liefern zu Westfleisch. Sie treffen sich einmal jährlich und lassen das Jahr Revue passieren. Dabei wird aufgeschlüsselt, wie viele Kälber mit welchem Gewicht und welcher Fleischfarbe geschlachtet wurden. Die Mäster bekommen zusätzlich wöchentlich eine Auswertung.

"Es gibt keine Preisfindung wie bei Schweinen und Bullen. Die Preise sind nicht transparent.“- Christoph Hackmann

Christoph Hackmann weiß schon zum Zeitpunkt des Einstallens, in welcher Woche er seine Kälber schlachten lässt. Das fragen die Westfleisch-Mäster untereinander ab. „So können wir einschätzen, in welcher Woche wie viele Tiere geschlachtet werden. Das ist wichtig für unsere Preisverhandlungen“, erklärt Hackmann. Zu Westfleisch liefern 26 freie Mäster. „Im Jahresschnitt schlachtet Westfleisch von ihnen 800 Kälber pro Woche“, sagt Thomas Schürmann. Er führt einmal wöchentlich Preisverhandlungen mit zwei der freien Mäster. Das Prozedere ist nicht mit dem Markt für Schwein oder Rind zu vergleichen.

Die Preisverhandlungen finden immer nach der Schlachtwoche statt, also rückwirkend. „Der Vorteil daran ist: Wir wissen dann, was woanders gelaufen ist und kennen die Fleischqualität“, so Hackmann. Für die freien Mäster hängt der Auszahlungspreis weniger vom Klassifizierungssystem EUROP ab, als viel mehr von der Fleischfarbe. Die Westfleisch-Mäster bekommen einen gemittelten Preis über drei Wochen. Der freie Mäster aus Holdorf sieht darin den Vorteil, dass die Preise nicht ganz so stark schwanken.

Vertikale Integration
Die Unternehmen Bahlmann und Brüninghoff haben eigene Kälber, stellen Futtermittel her und haben eine eigene Schlachtung und Zerlegung. Sie sind vertikal integriert auf dem Kälbermarkt. „Wir kaufen die nüchternen Kälber und verkaufen die fertigen Schnitzel“, erklärt Bernd Westerwalbesloh, Teil der Geschäftsführung bei Bahlmann aus Lindern. Mit 140  000 Kälberschlachtungen jährlich ist Bahlmann in Deutschland Marktführer bei Schlachtkälbern. Etwa 40 % der Schlachtkälber sind eigene, 60 % zugekaufte. Rund 70 % der jährlichen Kälberschlachtungen sind Milchkälber, der Rest Rosés.
Das Unternehmen Brüninghoff aus Bocholt mästet selbst helle und kauft Rosékälber zu. Jährlich schlachtet Brüninghoff rund 80  000 Kälber, gut die Hälfte davon stammen aus der eigenen Mast.

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