Die neuen Pläne aus Brüssel haben weitreichende Folgen für Milcherzeuger. Eine Studie aus Kiel hat die Auswirkungen des Green Deals untersucht:
- EU-weiter Rückgang der Milchproduktion um mehr als 6 %.
- Rund 13 % weniger Milchkühe.
- Die Preise für Rohmilch könnten sich um 36 % erhöhen – in Deutschland sowie in der EU.
- Das Einkommen der übrig gebliebenen Milchviehbetriebe könnte somit steigen.
Also alles Bestens? „Weniger Milch am Markt bedeutet, dass Landwirte aufgeben müssen, obwohl die Preise steigen. Dabei geht es um Existenzen“, brachte es Prof. Dr. Holger Thiele vom Institut für Ernährungswirtschaft Kiel (ife) beim Politischen Frühschoppen in Berlin auf den Punkt. Das knackige Thema der Veranstaltung des Milchindustrie-Verbandes am Dienstag hieß „Vom Green Deal zur Farm to Fork - Wer zahlt die Zeche?“
Emissionen nicht verlagern
Insgesamt bezweifelt Prof. Thiele, dass die Ziele des Green Deals, 2050 klimaneutral zu sein, mithilfe der Farm to Fork (F2F)-Strategie zu erreichen sind. Denn die Emissionen verlagern sich schätzungsweise nur aus Europa heraus ins Ausland, würden aber nicht wirklich reduziert.
Auch Udo Hemmerling vom Deutschen Bauernverband sieht diese Problematik: „Die Senkung der Nähstoffüberschüsse hierzulande bringt netto nichts für den Klimaschutz insgesamt.“ Wichtig sei ihm zudem, dass die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bei Methan die Politik und Gesellschaft erreichen. „Denn die Kuh ist kein Klimakiller“, betonte er.
Gerade in einer effizienten Fütterung und emissionsarmen Güllemanagement sei die Milchviehhaltung schon sehr nah an Klimaneutralität, näher als viele außerlandwirtschaftliche Branchen. „Eine klimaneutrale Milch kann eine Chance bedeuten“, erklärte Hemmerling.
Nachhaltigkeit und Umwelt
Positiv wertet Dr. Andreas Christian Täuber vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) die F2F-Strategie. Sie sei eine Chance die Nachhaltigkeit der Lebensmittel zu verbessern und Umweltschutz für die Verbraucher sichtbar zu machen. „Eine Möglichkeit die wahren Kosten eines Produkts zu veranschaulichen ist die Nachhaltigkeitskennzeichnung“, erklärte Täuber.
„Nachhaltigkeitsleistungen müssen für den Verbraucher transparent sein.“ Damit soll auch eine bessere Wertschöpfung der Erzeuger einhergehen. Dafür werde die EU 2024 einen Vorschlag veröffentlichen. Täuber versprach dem Publikum: „Es wird Geld geben für Investitionen in Tierwohlställe, die gleichzeitig klimapositiv sind.“ Allerdings nahm er den Milcherzeugern auch direkt die Hoffnung, dass das Geld schnell fließe: „Im ersten Sofortprogramm vor Ostern ist die Landwirtschaft nicht mit drin, aber im Programm zum Sommer.“
Kaspar Thormod Nielsen vom Molkereikonzern Arla Foods zeigte sich wenig überzeugt von der Kennzeichnung der Lebensmittel: „Ich bin skeptisch, dass wir so mehr Geld auf die Höfe bekommen. Vom Gefühl her, werden die Landwirte so nur ruhig gehalten.“
Kein goldener Weg
Rund 90 % der Arla-Milchlieferanten absolvieren bereits das Nachhaltigkeitsprogramm „Klimacheck“. „Das Programm zeigt: Es gibt nicht nur den einen richtigen Weg – die Milchwirtschaft zu intensivieren oder zu extensivieren“, sagte Nielsen.
Wichtig für die Milcherzeuger seien eine langfristige Perspektive und wettbewerbsfähige Milchpreise. „Der Milchmarkt in Deutschland ist extrem schwierig. Die halbjährigen Kontraktverhandlungen passen nur schwer zu einem nachhaltigen Markt.“
Auch Hans Foldenauer, Milcherzeuger aus Bayern und Vorstandsmitglied beim Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), sieht, dass Klima- und Umweltschutz immer wichtiger werden. „Aber wir müssen damit Geld verdienen können“, machte er deutlich. „Wir müssen uns weiterentwickeln, denn wir stehen sozial wie wirtschaftlich in einer Sackgasse.“
Viele Betriebe würden schon wegen den Themen, die jetzt kommen, noch ganz ohne F2F aussteigen. „Haltungsform 2 ist für einige Landwirte schon nicht machbar. Das Problem ist, bekommen wir 2 Cent für einen Mehrwert, kostet er diesen auch. Dann bleibt nichts dabei über. Die Grundpreise müssen steigen.“
Umgang mit Importware
Wenn die Anforderungen in Deutschland sowie der EU durch den Green Deal immer weiter gesteigert werden, verringert sich möglicherweise die Produktion landwirtschaftlicher Güter. „Werden dann Produkte aus dem Ausland, die unter niedrigeren Standards hergestellt wurden, importiert?“, fragte Moderator Patrick Liste. "Dafür sieht die EU einen Ausgleichsmechanismus vor. Allerdings ist dieser nicht mit landwirtschaftlichen Produkten verknüpft“, erklärte Täuber. Denn das Problem sei, dass es keinen wirklichen CO2-Preis in der Landwirtschaft gebe. „Momentan ist es noch nicht möglich Produkte aus dem Ausland mit mehr Emissionen zu verbieten“, fasste Täuber zusammen.
Milcherzeuger dürfen nicht Green Deal bezahlen
Einig waren sich am Ende der Veranstaltung alle Podiumsteilnehmern in einem Punkt: Es dürfen nicht die Milcherzeuger sein, die die Zeche für das ambitionierte Ziel vom Green Deal zahlen. Denn, so fasste Liste zusammen, „wenn die Milcherzeuger die Zeche alleine zahlen sollen, werden die großen Pläne des Green Deals schlichtweg scheitern“.
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