Viele Sauenhalter kennen das: Plötzlich setzt Durchfall bei den Saugferkeln ein. Die Tiere verlieren Flüssigkeit, sind kotverschmiert und ziehen sich unter der Wärmelampe zusammen. Jetzt muss schnell gehandelt werden, um Ferkelverluste zu vermeiden. Der erste Griff geht dann schnell zum Antibiotikum, in der Hoffnung, den Krankheitserreger mit dem ausgewählten Medikament zu erwischen. Doch nicht immer hat man das richtige Mittel ausgesucht. Parallel dazu wird nach der Ursache des plötzlichen Durchfalls gesucht. Handelt es sich um ein Problem, das mehr als nur einen Wurf betrifft, ist es jetzt an der Zeit, eine differenzierte Diagnostik einzuleiten.
Sind es Bakterien?
Erste Hinweise auf die Erreger geben bereits das klinische Bild im Stall und der zeitliche Verlauf der Infektion. Treten Durchfälle immer nur bei den neugeborenen Ferkeln innerhalb der ersten ein bis drei Lebenstage auf, handelt es sich meistens um ein Problem mit E. coli oder Clostridium perfringens Typ C. Diese Infektionen werden durch Bakterien ausgelöst.
E. coli-Infektionen sind gekennzeichnet durch wässrig-dünnen bis cremig-gelben Durchfallkot, der sich gut mit Antibiotika behandeln lässt. E. coli ist ein natürlicher Darmbewohner beim Schwein. Es gibt viele verschiedene Stämme, die sich in ihren Oberflächenstrukturen und krankmachenden Eigenschaften unterscheiden. Einige Stämme haben fadenförmige Strukturen an ihrer Oberfläche, sogenannte Fimbrien, mit denen die Bakterien sich an den Zellen der Darmschleimhaut anheften können. Haben sie sich dort angeheftet, können diejenigen, die zusätzlich bestimmte Toxine bilden, die Darmschleimhaut massiv schädigen.
Andere Stämme sind eher harmlose Darmbewohner. Mit speziellen Techniken ist es heute möglich, Coli-Keime zu isolieren und deren Pathogenitätsfaktoren, wie die Fähigkeit Fimbrien auszubilden und Toxine zu produzieren, zu bestimmen. Der erfahrene Pathologe kann aus diesen Faktoren auf das krankmachende Potenzial eines Coli-Stammes schließen. Wichtig ist diese Beurteilung, wenn eine stallspezifische Vakzine gegen Coli-Probleme hergestellt werden soll. Stämme mit deutlich krankmachenden Eigenschaften lassen sich gut für einen solchen Impfstoff einsetzen.
Clostridium perfringens Typ C schädigt im Darm durch die Wirkung seines Beta-Toxins. Dieses wird durch das Verdauungsenzym Trypsin inaktiviert. Aber im Kolostrum der Sauen finden sich Trypsininhibitoren, welche die Wirkung dieses Enzyms hemmen, damit Kolostrum-Antikörper nicht abgebaut werden. Das macht die Saugferkel angreifbar. Clostridien heften sich an die Zottenspitzen der Dünndarmschleimhaut und breiten sich dann an der Oberfläche aus. Sie gelangen auch in die Tiefe bis zur Muskelschicht. Es entstehen dicke Massen abgestorbenen Gewebes. Es erkranken zwischen 15 und 80 % der Ferkel einer Abferkelgruppe. Bei Neugeborenen verenden bis 100 % der erkrankten Ferkel. Der Durchfallkot ist bei akuter Clostridien-Typ-C-Infektion leicht schaumig oder blutig. Das Allgemeinbefinden der Ferkel ist dann stark gestört.
Deshalb muss die Behandlung bei diesen Infektionen metaphylaktisch erfolgen: Beim Auftreten der ersten Durchfallkleckse sollten alle Ferkel der Abferkelgruppe am ersten Lebenstag ein wirksames Antibiotikum übers Maul eingegeben bekommen. Zur Prophylaxe werden Muttertiervakzine angeboten. Damit werden die Sauen nach einer Grundimmunisierung (zweimal im Abstand von drei Wochen) jeweils zwei bis drei Wochen vor dem Abferkeln geimpft. Die anschließend geborenen Ferkel werden durch Biestmilch-Antikörper vor der Erkrankung geschützt. Es gibt reine Coli-Vakzine und kombinierte Impfstoffe gegen E. coli und Clostridium perfringens Typ C. Leider werden nicht alle Stämme dieser Bakterien von den kommerziellen Impfstoffen abgedeckt. Zeigt die Impfung gegen Coli/Clostridien keine Wirkung, sollten anhand von Sektionsferkeln die Erreger isoliert und typisiert werden. Die isolierten Bakterien lassen sich gegebenenfalls zur Herstellung eines stallspezifischen Impfstoffes verwenden.
Clostridium perfringens Typ A kommt häufiger vor als Typ C, verursacht aber meistens etwas weniger schwere Verläufe, die oft etwa am Ende der ersten Lebenswoche beginnen. Clostridium perfringens Typ A kann auch im Kot gesunder Schweine häufig nachgewiesen werden. Es gibt seit Kurzem eine kommerzielle Vakzine, die eine schnelle Impfung möglich macht.
Salmonellen: Auch wenn sie beim Schwein häufig vorkommen, sind klinische Salmonellenerkrankungen bei den Tieren eher selten. Schweine haben eine weitgehende natürliche Immunität. Durchfälle und septikämische Verläufe findet man meist in der Ferkelaufzucht. Prinzipiell sind aber auch bei Saugferkeln Durchfälle durch Salmonellen möglich. Salmonellen sind oft gegen eine Reihe von Antibiotika resistent. Einer Behandlung sollte daher ein Resistenztest vorausgehen.
Außerdem sind Antibiotika zwar geeignet, erkrankte Tiere zu behandeln. Langfristig verlängern sie aber die Salmonellenausscheidung. Das Problem im Bestand lässt sich so nicht lösen. Das erfolgt besser über eine Reihe von Fütterungsmaßnahmen (viel Gerste in der Ration, grobe Futterstruktur, Säurezusatz zum Futter) und durch konsequente Hygiene. Auch eine Impfung gegen Salmonellen ist möglich. In NRW finanziert übrigens die Tierseuchenkasse im Rahmen einer Beihilfe die Salmonellenbekämpfung durch den Schweinegesundheitsdienst.
Parasiten als Ursache?
Kokzidien der Art Cystoisospora suis verursachen milde Durchfälle meist ab der zweiten Lebenswoche bis zum Absetzen. Früheste Infektionen finden ab dem fünften Lebenstag statt. Dabei kommt es selten zu Todesfällen, aber oft zum Auseinanderwachsen der Ferkel mit insgesamt reduzierten Absetzgewichten. Wenn ein mikroskopischer Erregernachweis aus Kotproben oder Darmgewebe vorliegt, kann mit der therapeutischen Gabe von Toltrazuril am dritten bis fünften Lebenstag eine Erkrankung wirkungsvoll verhindert werden. So behandelte Würfe sind meistens sichtbar gleichmäßiger im Wachstum. Neben der Medikation der Ferkel ist eine gründliche Reinigung der Abferkelabteile mit Schaumreiniger und eine Desinfektion mit einem kokzidienwirksamen Desinfektionsmittel notwendig. Infrage kommen kresolhaltige Präparate, oder Zwei-Komponenten-Präparate, die gleichzeitig auch gegen Viren und Bakterien wirken.
Zwergfadenwurm: Strongyloides ransomi, wie der Wurm wissenschaftlich heißt, verursacht Durchfälle in der zweiten und dritten Lebenswoche, die mit Blutarmut und Blässe der Haut einhergehen. Die Infektion der Ferkel erfolgt über Larven, die mit der Milch infizierter Sauen aufgenommen werden. Auch eine Infektion durch die Haut ist möglich. Infektionen mit dem Zwergfadenwurm sind aufgrund des weit verbreiteten Einsatzes von Avermectinen zur Entwurmung der Sauen selten geworden. Wird in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf eine konsequente Entwurmung und Räudebehandlung verzichtet, kann es jedoch zu Problemen mit diesem Parasiten kommen. Auch in Biobetrieben, die keine Avermectine einsetzen dürfen, treten gelegentlich Zwergfadenwurm-bedingte Durchfälle auf. Neben der Entwurmung ist auf eine gründliche Reinigung und Desinfektion der Abferkelabteile hinzuweisen.
Virus-bedingte Durchfälle
Corona-Viren: Die „Vomiting and Wasting disease“ ist eine nur bei Saugferkeln in den ersten drei Lebenswochen auftretende Erkrankung, die mit Erbrechen und Kümmern einhergeht. Sie wird verursacht durch ein Corona-Virus: das hämagglutinierende Enzephalomyelitisvirus.
Daneben gibt es seit einigen Jahren das PED-Virus, ebenfalls ein Corona-Virus, das sich zunächst rasend schnell im Betrieb verbreitet. Klinisch sieht man dünnflüssigen Durchfall bei Tieren aller Altersgruppen. In Mastbetrieben sind danach alle Tiere immunisiert und zeigen keine Symptome mehr. Die Erreger verbreiten sich mit dem Kot, aber auch mit dem Staub von getrocknetem Kot und so auch innerhalb des Betriebes durch die Luft. In Ferkelerzeugerbetrieben setzt sich die Infektion jedoch von Abferkelgruppe zu Abferkelgruppe unter den Saugferkeln fort. Dabei kommt es zu hohen Verlusten unter den Ferkeln.
Es gibt in Deutschland bisher keinen wirksamen Impfstoff gegen dieses Virus. Im Sauenbetrieb bleibt nur, die schnelle Durchimmunisierung aller Sauen durch Kontakt mit Kot erkrankter Saugferkel zu fördern. Dieses Verfahren sollte unbedingt in Abstimmung mit dem Hoftierarzt erfolgen, denn man kann damit auch unerwünschte Erreger in der Herde verbreiten. Problematisch wird oft noch einmal die Phase, wenn keine Saugferkel mehr krank werden. Es steht dann kein Durchfallkot für die Immunisierung der Sauen mehr zur Verfügung. Dementsprechend kann bei den Altsauen keine Immunität mehr erzeugt werden und es droht eventuell eine neue Durchfall-Welle.
Rotaviren: Sie sind als Durchfallerreger beim Saugferkel weit verbreitet. Fast jedes Schwein macht im Laufe seines Lebens eine Infektion durch, sodass es aufgrund der allgemeinen Immunisierung auch der Muttertiere meist nur zu milden Verlaufsformen kommt. Bei einer unzureichenden Immunität der Muttersauen (vor allem der Jungsauen) kann die Infektion aber auch früher und heftiger auftreten. Die radförmigen Viren, die man auch bei Rindern, Schafen und Kindern findet, sind sehr widerstandsfähig gegen Desinfektionsmittel. Deshalb kommt es in einmal kontaminierten Abferkelbuchten immer wieder zur Virusaufnahme durch neugeborene Ferkel. Impfstoffe gegen das Rotavirus stehen für Schweine nicht zur Verfügung. Über Kotkontakt lässt sich die Immunität der tragenden Sauen verbessern. Antibiotika helfen nur gegen zusätzlich auftretende Bakterien, wie E. coli. Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sollte immer geachtet werden.
Halten sich Rotavirus-bedingte Durchfälle hartnäckig im Bestand, kann eventuell ein für Rinder zugelassener Impfstoff umgewidmet und bei den Sauen eingesetzt werden. Alternativ kann man versuchen, das Virus aus Sektionsferkeln anzuzüchten und daraus einen stallspezifischen Impfstoff herzustellen.
Nicht immer hat man es übrigens nur mit einem Erreger zu tun. Besonders die überall verbreiteten bakteriellen Erreger setzen sich gerne noch auf Virusinfektionen „oben drauf“. Auch E. coli- und Clostridieninfektionen kommen durchaus gemeinsam vor. In solchen Fällen sieht der Landwirt erst dann einen richtigen Erfolg, wenn er beide Erreger bekämpft.
Sektion gibt Aufschluss
Goldstandard bei der Diagnose ist weiterhin die Sektion von erkrankten Tieren. Am besten bringt man dazu ganze Ferkel zur Abklärung der Krankheitsursache in eines der Staatlichen Veterinäruntersuchungsämter. Der Pathologe dort kann oft bereits anhand der makroskopisch sichtbaren Veränderungen eine Verdachtsdiagnose stellen und dann gezielte Proben von den veränderten Darmteilen entnehmen. Auch die Einsendung von Kotproben ist möglich, nur besteht dann keine Möglichkeit, auf den veränderten Darm zu schauen und es werden nicht immer die ursächlichen Keime gefunden.
Die Tiere für die Sektion sollten gemeinsam mit dem Hoftierarzt ausgewählt werden. Dabei ist es wichtig, frisch erkrankte Tiere auszusuchen, die noch nicht behandelt sind. Ein Anruf beim Pathologen klärt, ob Ferkel lebend gebracht werden können, oder ob diese vor dem Transport tierschutzgerecht getötet werden müssen.
Details zur Bekämpfung der Erreger finden Sie hier: