Der 5 x D-Zug nimmt Fahrt auf: Ab Januar ist dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) nicht nur Mast, Schlachtung und Verarbeitung in Deutschland wichtig. Sondern der LEH will zunehmend deutsche Geburt und Aufzucht der Ferkel ausflaggen.
Nur noch Edeka fehlt
Nach Rewe und Aldi hat in der letzten Woche auch Lidl den Hut in den Ring geworfen. Jetzt fehlt vom Quartett nur noch Edeka.
Um sich trotz späten Starts als Vorreiter zu profilieren, hat Nachzügler Lidl gegenüber den Konkurrenten sofort eins draufgesetzt:
Lidl stellt sein Frischfleischsortiment vom Schwein flächendeckend bereits im nächsten Quartal um, während Rewe bis Mitte des Jahres auf 5 x D-Standard sein will und Aldi bis zum vierten Quartal.
5 x D auch für verarbeitetes Fleisch
Als erster der Branche will Lidl 5 x D auch bei Verarbeitungsware einführen – mit der Wurst-Eigenmarke „Metzgerfrisch“ aber nur bei einem Teil des Sortiments.
Die erste Reaktion der Schweinebranche war Beifall. Doch legten die Erzeugerverbände ISN und BRS sofort den Finger in die Wunde. „Es ist ganz wichtig, dass nun die verpflichtende Herkunftskennzeichnung kommt“, forderte ISN-Geschäftsführer Torsten Staack. „Damit auch die letzten Lebensmitteleinzelhändler und insbesondere Lebensmittelgroßhändler auf den Zug aufspringen.“
Selbstverpflichtung reicht nicht aus
Das sieht auch Carsten Spieker so, Sprecher der Sauenhalter im WLV: „Eine Selbstverpflichtung des LEH reicht da nicht aus.“ Ohne Kennzeichnungspflicht können Gastronomie und Großverbraucher sich billigst in Europa eindecken. Das gilt auch für die Verarbeitung, die nur zaghaft ITW-Fleisch ordert.
Genug deutsche Ferkel?
Gibt es überhaupt genug deutsche Ferkel, wenn die Sauenhalter reihenweise aussteigen? Selbst wenn seit der Mai-Zählung 20 % der Sauen abgestockt worden sind, bleiben noch 1,3 Mio. deutsche Sauen. „Das reicht angesichts von gut 20 Mio. ITW-Mastschweinen pro Jahr für den Frischfleischmarkt eindeutig aus“, schlussfolgert Dr. Albert Hortmann-Scholten, Marktexperte der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Doch hängt 5 x D nicht nur am Geburtsland der Ferkel. Der LEH will die Kombination aus ITW-Mastschwein und deutscher Geburt, da er seit Juli bei Frischfleisch auf ITW-Ware umgestellt hat.
Noch viele Ferkel aus Dänemark
Aber nicht alle ITW-Mäster stallen deutsche Ferkel ein. Rund 11 Mio. Ferkel jährlich stammen aus Dänemark oder den Niederlanden. Ist ITW damit bei Import-Mästern ein Auslaufmodell? Dr. Wilhelm Jaeger von der Tönnies-Gruppe rechnet damit, dass ITW-Mäster vermehrt eine Anbindung an deutsche Sauenhalter suchen werden.
Das sieht Heribert Qualbrink ähnlich. Der Einkaufsleiter der genossenschaftlichen Westfleisch geht jedoch davon aus, dass auch weiterhin in der Verarbeitung ein Teilmarkt für ITW-Ware aus Importferkeln bleibt.
Sortieraufwand steigt
Für die Schlachtbranche ist der Mehraufwand für die Sortierung entscheidend. Schon jetzt sind die Kapazitäten oft am Limit: QS, ITW, Salmonellenstatus, Kastrat, weiblich, Eber, Improvac-Eber ... – jedes Merkmal und jede Kombination von Kriterien erfordern eigene Hängebahnen im Kühlhaus und separate Zerlegung. Kommt deutsche Geburt dazu, könnte es bei einigen Schlachtern eng werden.
Zudem müssen die Schlachthöfe für die deutsche Geburt geradestehen. Westfleisch kontrolliert die Infos aus der Lebensmittelkettenerklärung direkt an der Eingangsrampe und gleicht diese mit den Ohrmarken ab. Tönnies plausibilisiert die Kettenerklärung über eine Erfassung der Ferkelohrmarke am Schlachtband, erklärt Dr. Wilhelm Jaeger. Das erfordert zusätzliche Mitarbeiter.
Steigt der Schweinepreis?
Mit welchem „Heimatbonus“ können Sauenhalter überhaupt rechnen? Westfleisch hat schon vor der Lidl-Offensive angekündigt, ab Januar einen Zuschlag von 1 Cent/kg für ITW-Mastschweine mit deutscher Geburt zu zahlen. Beim Programm „Bayerische Herkunft“ gibt es sogar 4 bis 5 € mehr für bayerische Ferkel. Doch geht die Rechnung nur auf, wenn die Mehrausgaben fürs Ferkel sich im Preis der Mastschweine widerspiegeln.
Zahlt der LEH den D-Bonus?
Der LEH rechnet anscheinend mit reichlichem Angebot und hält sich mit Preisofferten an die Schlachtbranche zurück. Das ist jedenfalls die Erfahrung von Bernd Terhalle. „Zwar drehen sich alle Gespräche mit Vermarktern um 5 x D, aber nie um den Mehrpreis“, bedauert der Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Hümmling. Dabei hat Terhalle viel zu bieten. Den Anteil deutscher Ferkel hat er in den letzten beiden Jahren auf zwei Drittel der rund 1 Mio. jährlich vermarkteten Mastschweine ausgebaut. Die ITW-Quote liegt über 60 %.
Doch hat er zu Beginn der dritten ITW-Runde gelernt, dass es sich nicht auszahlt, in Vorleistung zu gehen.
„Von den 450 000 angemeldeten ITW-Mastschweinen habe ich zum Start nur für 300 000 eine Bonuszusage von den Vermarktern bekommen“, erinnert sich Terhalle. Da wundert es nicht, dass er bei 5 x D nicht sofort loslegt, sondern auf verbindliche Bonuszusagen wartet.
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