Umbau der Schweinehaltung: Ohne Ausgleich geht’s nicht!

In den letzten Wochen haben wir die Grundidee und verschiedene Knackpunkte des sogenannten Borchert-Plans erläutert. Heute beleuchten wir die wirtschaftlichen Folgen am Beispiel eines Mastbetriebes.

Die Vorschläge der Borchert-Kommission zum Umbau der heimischen Nutztierhaltung werden von großen Teilen der Politik befürwortet und unterstützt. Zudem hat die Machbarkeitsstudie Möglichkeiten aufgezeigt, wie eine Finanzierung von mehr Tierwohl in deutschen Ställen möglich sein könnte (siehe Wochenblatt-Ausgabe 12). Die genaue Umsetzung der Vorschläge aus der Borchert-Kommission wird aber noch intensiv diskutiert werden müssen.

Für die Schweinehaltung liegen dabei schon konkrete Kriterien auf dem Tisch. Insbesondere in der Schweinemast überlegen viele heimische Landwirte daher zurzeit, ob und wie ihre Teilnahme am Staatlichen Tierwohllabel (STW) möglich wäre. Schließlich ist der Drang nach Veränderung an vielen Stellen zu spüren. Außerdem signalisiert die Abnehmerseite zunehmend Interesse an „Tierwohlfleisch“ – wenn gleich abzuwarten bleibt, wie groß dessen Marktpotenzial ist.

Umstellen auf mehr Tierwohl

Immerhin: Die Stufen 1 und 2 des STW lassen sich in etlichen bestehenden Stallungen durchaus umsetzen. Dabei macht die Stufe 1 mit 20 % mehr Platz (0,9 m²/Mastschwein), strukturierten Buchten und Raufutter natürlich weniger Probleme als die Umstellung auf Stufe 2, welche unter anderem 47% mehr Platz (1,1 m²/Schwein), Raufutter und „Außenklimareiz“ vorsieht.

Damit die Betriebe auf mehr Tierwohl umstellen können, müssen zunächst Fragen zur Genehmigungsfähigkeit geklärt werden. Das betrifft den Außenklimareiz in Stufe 2, aber auch die notwendigen Stallerweiterungen, um die vorhandene Tierzahl bei 20 bzw. 47 % mehr Buchtenfläche weiterhin halten zu können. Für die Stufe 3 (1,5 m²/Schwein) werden dagegen häufig nur Neubauten infrage kommen, weil sich der hierbei vorgeschriebene Auslauf in vorhandenen Ställen nur selten einrichten lässt.

Soll Mäster Meier umbauen?

Doch mit welchen zusätzlichen Kosten muss ein teilnahmewilliger Schweinehalter überhaupt rechnen? Diese Frage ist für die Praktiker wichtig, um die Diskussion um die Borchert-Vorschläge auf eine seriöse ökonomische Basis zu stellen. Wir haben deshalb einmal die Situation für einen durchschnittlichen Mastbetrieb durchgerechnet. Unser Schweinemäster „Meier“ bewirtschaftet einen Betrieb, wie er hierzulande in der Praxis durchaus häufig anzutreffen ist.

Er kümmert sich mit Unterstützung einer Teilzeit-Arbeitskraft (0,5 AK) um 2200 Mastplätze und 100 ha Ackerfläche (45 ha eigen, 55 ha gepachtet). Bei 2,8 Umtrieben je Mastplatz werden 6160 Tiere jährlich erzeugt. Steuerlich ist der Betrieb geteilt, für die Berechnung der Kosten ist das aber nicht relevant.

Ausgehend von den langjährigen Ergebnissen des Betriebes ergibt sich für Mäster Meier die in Übersicht 1 aufgeführte Kosten-Leistungs-Rechnung (Ist-Situation): Im Durchschnitt der vergangenen Jahre konnte der Betrieb einen Gewinn von etwa 110 000 € pro Jahr erwirtschaften. Das Geld stammte dabei im Wesentlichen aus der Schweinemast. Der Ackerbau trug nur wenig zum Gewinn bei.

Unter Berücksichtigung der Privatentnahmen inklusive Steuern und privater Vermögensbildung sowie der vorhandenen Tilgungen errechnete sich ein Cash Flow III von 38 500 €. Unser Beispielsbetrieb war somit bislang in der Lage, Kapital für weitere Entwicklungsschritte aufzubauen.

Cash Flow kurz erklärt: Der Cash Flow gibt die Finanzierungskraft des Unternehmens wieder. Damit beschreibt er, wie viel Geld für Privatentnahmen, Tilgungen und neue Investitionen verfügbar ist.
■ Cash Flow I: Gewinn + Abschreibungen
■ Cash Flow II: Cash Flow I – Saldo der Privatentnahmen
■ Cash Flow III: Cash Flow II – Tilgungen
Das Ziel sollte ein positiver Cash Flow III sein, damit die Tilgungen nicht durch die Neuaufnahme von Krediten finanziert werden müssen.

Anbauen oder abstocken?

Landwirt Meier fragt sich jedoch, wie die Rechnung aussieht, falls er seine Schweinehaltung so umstellt, wie es die derzeit geltenden Kriterien des Staatlichen Tierwohllabels in den Stufen 1 oder 2 vorsehen. Eine Umstellung auf Stufe 3 kommt für ihn aufgrund der baulichen Voraussetzungen der Ställe nicht infrage.

In den Überlegungen rechnet er dabei mit zwei Alternativen für jede Stufe, da nicht klar ist, ob er die Stallungen an seinem Standort gegebenenfalls erweitern kann. Es ergeben sich damit vier Kalkulationsvarianten:

Stufe 1, Tierzahl halten: Der Betrieb gewährt den Tieren unter anderem 20 % mehr Platz sowie Raufutter und strukturierte Buchten. Durch den Anbau weiterer Gebäude(-teile) kann Meier seinen bisherigen Produktionsumfang halten.

Stufe 1, Tierzahl reduzieren: Der Betrieb muss seinen Produktionsumfang aufgrund fehlender Anbauperspektiven einschränken.

Stufe 2, Tierzahl halten: Meier gewährt den Tieren 47 % mehr Platz und auch der Außenklimareiz lässt sich einrichten. Dazu sind wie in Variante 1 Ergänzungsbauten erforderlich, um die Tierzahl zu halten.

Stufe 2, Tierzahl reduzieren: Außenklimareiz ist zwar möglich. Der Betrieb kann jedoch nicht anbauen und muss deshalb seine Tierzahl verringern. Das ist für Mäster Meier allerdings nur die „zweitbeste Lösung“. Der Landwirt würde lieber die erforderliche Stallfläche dazubauen, als den Tierbestand abzustocken. Deshalb hofft er auf pragmatische Ansätze beim Baurecht.

In jedem Fall wird es teurer

Übersicht 2 verdeutlicht, wie sich die Kosten in den verschiedenen Kalkulationsvarianten je Mastplatz entwickeln. In den zusätzlichen Direktkosten sind beispielsweise die Aufwendungen für Raufutter, Einstreu und Maßnahmen zur Vermeidung von Schwanzbeißen enthalten. Die Mehrkosten für die Arbeit werden hauptsächlich durch das Einbringen von Raufutter und Stroh und die erhöhte Tierkontrolle verursacht. Diese Position ist in STW-Stufe 2 höher als in Stufe 1, weil das Haltungssystem insgesamt aufwendiger ist.

In der Alternative 1 (Stallanbau, um die Tierzahl halten zu können) sind neben den Investitionskosten für Raufen und Buchtenstruktur auch die zusätzlichen Investitionskosten für das Gebäude samt Technik berücksichtigt. In der Alternative 2 (Abstockung des Bestandes) fallen dagegen „Kosten“ in Form von entgangenen Deckungsbeiträgen durch den geringeren Tierbestand an.

In das Gesamtergebnis müssen unterdessen nicht nur die zusätzlichen Kosten einfließen, sondern auch mögliche Einsparungen beispielsweise durch eine verringerte Gülleabgabe oder eingesparte Arbeitszeit in der Alternative 2. Schließlich stehen dem Betrieb Meier dann durch die Bestandsabstockung nur noch knapp 1500 Mastplätze statt der jetzigen 2200 zur Verfügung. In Übersicht 1 sind die Deckungsbeiträge und Kosten der vier Varianten nebeneinandergestellt. Im Vergleich zur Ausgangslage verringert sich der Gesamtdeckungsbeitrag um bis zu 90 000 € jährlich.

Hierbei ist nicht berücksichtigt, dass auch die Kosten für die Zukaufferkel teuer werden müssten, da auch die Sauenhaltung unter STW-Bedingungen teurer wird. Nehmen wir einmal an, dass diese Zusatzkosten über eine Prämie direkt beim Ferkelerzeuger ausgeglichen werden. Dann lässt sich die Mast separat betrachten. Sollten die Zusatzkosten in der Sauenhaltung dagegen über den Ferkelverkaufspreis erwirtschaftet werden müssen, würde dieser um 20 bis 30 € pro Ferkel steigen.

Ziel: Keine Verschlechterung

Da der Tierwohl-Umbau nur gelingen kann, wenn die Landwirte mitmachen, darf die Umstellung keine Verschlechterung für die Betriebe bedeuten: Mehr Arbeit bei weniger Geld kann nicht das Ziel sein! Die Kosten für die Arbeitserledigung, die Gebäude und die Finanzierung sind in den dargestellten Varianten jedoch höher als in der Ist-Situation. In der Summe verringert sich dadurch der Gewinn um bis zu 180 000 € in der Variante STW Stufe 2 mit Ergänzungsbau.

Auch der Cash Flow III wird insbesondere in den Varianten mit Baumaßnahmen zur Tierzahlsicherung aufgrund der notwendigen Investitionen deutlich negativ. Eine betriebliche Zukunftsperspektive ist somit nicht gegeben. Unser Beispielmäster sollte unter diesen Bedingungen nicht am Staatlichen Tierwohllabel teilnehmen. Der Borchert-Plan sieht allerdings einen finanziellen Ausgleich vor.

Für die Berechnung dieser Prämie sind die unterschiedlich hohen Kosten in den STW-Stufen zu berücksichtigen. So müsste unser Mäster Meier im Falle einer Teilnahme am Staatlichen Tierwohllabel eine Mindestprämie in der Stufe 1 von etwa 13 bis 15 € je Mastschwein und in der Stufe 2 von etwa 31 bis 32 € je Schwein erhalten (siehe Übersicht 1). Ansonsten stände der Betrieb schlechter da als bisher. Unter Berücksichtigung höherer Ferkelkosten müsste die Prämie entsprechend höher ausfallen.

Gesicherter Ausgleich nötig

Das zeigt ganz deutlich: Es sind noch viele Details zur Umsetzung des Staatlichen Tierwohllabels zu klären. Auch können sich die Kostenpositionen von Betrieb zu Betrieb etwas unterscheiden. Klar ist aber, dass die Teilnahme nicht für „kleines Geld“ zu haben sein wird. Manche Schweineställe älteren Baujahres lassen sich womöglich gar nicht für die Stufe 1 oder 2 umrüsten. Dann sind sogar komplette Ersatzbauten notwendig!

Deshalb sind schon durchschnittliche Schweinemastbetriebe in der Existenz gefährdet, sollte nach dem Tierwohl-Umbau der Stallungen kein gesicherter Ausgleich der Mehrkosten erfolgen. Eine staatlich garantierte Prämie – egal, ob als Investitionszuschuss oder als dauerhafte Produktionsprämie – muss daher ausreichend und vor allem verlässlich sein. Der Einstieg wird für die Betriebe nur dann möglich, wenn vor der ersten Änderung klar ist, wie viel Geld dauerhaft für Tierwohl bereitsteht.

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